Autobauer aus China Geely umkurvt Gerüchte um Daimler-Einstieg

Geely gehört zu den neuen Stars der chinesischen Autoindustrie und hat ambitionierte Wachstumspläne. Auf dem CAR-Symposium sind die Chinesen daher besonders gefragt.

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Zum Geely-Reich gehört nicht nur Volvo, sondern auch die britische Firma London Taxi und die Sportwagen von Lotus. Quelle: dpa

Bochum Das Thema liegt in der Luft, darf aber irgendwie doch kein Thema sein. Schon seit Tagen geht das Gerücht an den Finanzmärkten um, der chinesische Autohersteller Geely stehe unmittelbar vor dem Einstieg beim deutschen Konkurrenten Daimler. Zwischen drei und fünf Prozent der Anteile könnten die Chinesen am freien Markt aufkaufen.

Carl-Peter Forster ist jemand, der dazu eigentlich etwas sagen könnte. Der frühere Opel-Chef und BMW-Vorstand sitzt im Aufsichtsrat von Geely. Dort, wo solch wichtigen Dinge wie der Einstieg bei einem bedeutenden Wettbewerber besprochen werden. Doch Forsters Antwort fällt ziemlich knapp aus. Die Gerüchte um den Einstieg bei Daimler seien „reine Spekulation“, sagt er auf dem CAR-Symposium der Universität Duisburg-Essen. Er könne sich dazu überhaupt nicht äußern.

Auch bei seinem Vortrag auf dem wichtigen Branchentreffen in Bochum lässt Forster das Wort Daimler kein einziges Mal fallen. Stattdessen geht es um die wirtschaftliche Erfolge und die Zukunftspläne von Geely. Des chinesischen Automobilherstellers, den in Europa inzwischen jeder ziemlich ernst nimmt und über den niemand mehr schmunzelt.

Carl-Peter Forster schwärmt vor allem von Li Shufu, dem Geely-Gründer. „Er besitzt einen faszinierenden unternehmerischen Geist“, sagt der frühere BMW-Vorstand über seinen aktuellen Chef. Irgendwann in den 1990er-Jahren hatte sich Li dazu entschieden, sich von der Kühlschrankproduktion zu verabschieden und auf Autos zu setzen.

Inzwischen gehört Geely zu den führenden privaten Automobilherstellern in China, die rasant wachsen und zulegen. Im vergangenen Jahr stellte das Unternehmen rund 1,25 Millionen Autos her. „In diesem Jahr sollen es 1,6 Millionen werden“, betont Forster. Und vor dem Publikum im Bochumer Kongresszentrum lässt er keine Zweifel aufkommen, dass Geely dieses Ziel in diesem Jahr auch erreichen werde.

Li Shufu arbeitet akribisch daran, dass der chinesische Konzern rund um die Welt an Bedeutung gewinnt. Zum Unternehmen gehört inzwischen viel mehr als nur die eigene Fahrzeugproduktion in China. Der Milliardär hat sich ein kleines Konglomerat an Automarken zusammengekauft. Die wichtigste Auslandsbeteiligung ist der schwedische Pkw-Hersteller Volvo. Nach der Übernahme von Ford im Jahr 2010 ist aus Volvo unter Geely-Führung wieder ein vorzeigbarer Hersteller von Premiumautos geworden, der sich mit BMW und Mercedes messen lassen kann.

Ebenfalls zu Geely gehören heute die Automarke Proton aus Malaysia, Lotus und der Hersteller der weltbekannten Londoner Taxis. Erst vor wenigen Wochen hat Geely einen Anteil am schwedischen Lkw-Hersteller Volvo erworben. Erhöhen die Chinesen ihre Beteiligung an Volvo Trucks in den kommenden Jahren weiter, könnten sie die seit Jahrzehnten getrennten Pkw- und Lkw-Sparten von Volvo wieder unter einem Dach zusammenbringen.


Der etablierten deutschen Konkurrenz die Stirn bieten

Für Carl-Peter Forster hat bei Geely „eine hoch interessante Reise“ begonnen. Das chinesische Unternehmen funktioniere anders als die europäischen Konkurrenten. Bei Geely werde „bewusst nicht auf Synergien gesetzt“, sagt der deutsche Automanager in chinesischen Diensten. Die einzelnen Töchter könnten vergleichsweise selbstständig und unabhängig arbeiten.

Li Shufu stehe unwiderruflich zu seinen Unternehmen, wenn er sich einmal für einen Einstieg entschieden habe. „Er sieht sich dazu verpflichtet, dann auch wirklich zu investieren“, betont Forster. Deshalb sei auch der Wiederaufstieg der Volvo Pkw gelungen – es habe die erforderlichen Investments durch Geely gegeben. Dem chinesischen Konzern sei es auch zu verdanken, dass Großbritannien nach vielen Jahren wieder eine neue Autofabrik bekommen habe – durch den Start der Produktion der neuen Generation der London Taxis.

Geely beginnt zudem den weltweiten Aufbau einer komplett neuen Automarke, die es im Premiumbereich mit den etablierten deutschen Herstellern aufnehmen soll. Die Modelle der Marke Lynk & Co werden in China bereits verkauft, nach und nach soll das neueste Geely-Projekt auch rund um den Globus vertreten sein.

Die Chinesen wollen damit beweisen, dass sie Premiumautos sehr kostengünstig herstellen und vermarkten können. Der größte Einsparfaktor: Lynk & Co verzichtet auf Händler, der Hersteller will die Fahrzeuge komplett eigenständig vertreiben.

Experten sind optimistisch, dass Li Shufu mit seinem Geely-Konzern dauerhaft Erfolg haben wird. Geely sei eines der am stärksten in China wachsenden Unternehmen, betont Automobilprofessor Ferdinand Dudenhöffer. Bei Digitalisierung und Elektrifizierung werde Geely „einer der Gewinner sein“.

Europa soll auf jeden Fall zu den Regionen gehören, in der Geely weiter investieren werde, hatte Konzernchef Li Shufu zuvor per Videobotschaft verkündet. „Europa ist wichtig für die weitere Entwicklung unserer Marken“, betonte er. Und wer weiß, vielleicht wird auf absehbare Zeit auch Daimler ein wenig dazu gehören.

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