Autobauer macht weniger Gewinn Gefühlte Krise bei Toyota

Gewinnmargen von zehn Prozent gehören nun auch bei Toyota der Vergangenheit an. 2016 kappte ein starker Yen die Gewinne bereits um 30 Prozent. Konzernchef Akio Toyoda beschwört für 2017 vorbeugend die Krise.

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Tokio Toyota-Chef Akio Toyoda feierte am Mittwoch eine solide Konzernbilanz auf eine für ihn typische Art und Weise. Sein Unternehmen hatte im März abgelaufenen Bilanzjahr 2016 eine Gewinnmarge von 7,2 Prozent erzielt, einen der besten Werte der Autoindustrie. Der Absatz war sogar um rund 1,5 Prozent auf 10,25 Millionen Autos gestiegen. Doch Toyoda sagte: „Ich habe ein Krisengefühl.“

Ein Grund für seinen Missmut sind seine hohen Ansprüche an den Konzern, den sein Urgroßvater und sein Großvater vor 80 Jahren gegründet haben. „Ich hasse es, geschlagen zu werden“, sagte Toyoda. Und für ihn droht Toyota, zweimal in Folge schlechter abzuschneiden. Weil der Yen stark stieg, lag der Betriebsgewinn 2016 30 Prozent niedriger als im Rekordjahr 2015, als Toyota mit einer Traumgewinnmarge von zehn Prozent auftrumpfte. Und für dieses Jahr sagt Toyota voraus, das mehr Wettbewerb, stagnierender Absatz und höhere Rohstoffpreise weitere 20 Prozent des Gewinns kosten würden.

Doch Toyodas wichtigeres Motiv ist, die Belegschaft vor dem epochalen Wandel der Autoindustrie zu warnen. Alle Hersteller stehen unter großem Stress, weil sie mit hohen Investitionen sich viele Optionen offenhalten müssen. Denn niemand weiß, wie Elektroautos, zunehmende Vernetzung und die Technik des autonomen Fahrens Absatz und Geschäftsmodelle genau verändern werden.

Toyota investiert beispielsweise breit und viel in unterschiedliche Antriebe, neue Technologien und Umrüstung seiner Werke auf Toyotas neue globale Autoarchitektur. Obwohl die Profitabilität sinkt, will der Autobauer 2017 zum vierten Jahr in Folge mehr als eine Billion Yen (8,5 Milliarden Euro) für Forschung ausgeben. Die Investitionen in seine Produktionsanlagen dürften auf 1,3 Billionen Yen (10,5 Milliarden Euro) steigen, das Niveau aus Toyotas fetten Jahren vor der Weltwirtschaftskrise.

Für Investoren bedeutet dies tendenziell eine Gewinndiät. Denn der Konzernchef kündigte an, seine langfristig angelegten Investitionen nicht für kurzfristige Gewinnmaximierung zu opfern. Dabei gab er zu, dass in vielen Fällen der monetäre Einsatz noch keine Erträge abwerfe. Und teilweise haben Vorhaben noch nicht einmal etwas mit dem Kerngeschäft zu tun.

Einer dieser Geduldsfälle im Hause Toyota ist die Sparte für Partnerroboter, die Menschen bei der Rehabilitation und dem Alltag helfen sollen. Seit zwölf Jahren entwickeln inzwischen 200 Experten an den Toyotas der Zukunft. Doch erst dieses Jahr stellte der Konzern sein erstes kommerzielles Produkt vor: ein System mit Laufband, Bildschirmen und angeleinter Beinprothese, das Schlaganfallpatienten effizienter als bisher das Gehen neu beibringt.

Noch länger dürfte es beim Toyota Research Institute dauern, dessen Gründung Toyoda die gleiche Bedeutung beimisst wie der Gründung des Autoherstellers durch den Webstuhlfabrikanten Toyota Industries, der noch heute Toyotas größter Aktionär ist. Das TRI entwickelt künstliche Intelligenz fürs Fahren und andere Arbeits- und Lebensbereiche und dürfte damit zum Auffangbecken für Toyotas Roboter werden. Irgendwann einmal.


Toyodas Warnungen richten sich nach innen

Toyodas Warnungen sind daher vor allem an seine eigene Organisation gerichtet, ja nicht wieder so selbstgefällig wie vor der Weltwirtschaftskrise zu werden. Damals sackte der Konzern innerhalb von zwölf Monaten von einem Rekordgewinn tief in die Verlustzone. Für Toyoda war es eine Nahtoderfahrung, die er vermeiden will.

Sein Ziel ist vielmehr, Toyota so schnell und flexibel zu machen, dass der Autobauer auch dann noch profitabel bleibt, wenn der Umsatz um 20 Prozent abschmieren sollte. Daher fordert von der Belegschaft nicht nur den traditionellen Spareifer ein. 2016 wrang der Konzern erneut fast vier Milliarden Euro aus seinem bereits berüchtigt schlanken Produktionssystem. Zudem sollen die Mitarbeiter radikal umdenken.

Zuerst sollen sie emotionalere Autobaus bauen. Ein Beispiel ist für Toyoda der neue Crossover C-HR, der mit seiner kantigen Karosserie ästhetisch polarisiert. Darüber hinaus zahlt sich für Toyota in dem jüngsten Dieselskandal aus, schon früh strategisch auf Hybridautos gesetzt zu haben. In Europa stieg Toyotas Absatz 2016 um fast zehn Prozent auf 921.000 Kraftwagen.

Außerdem will Toyoda, dass die Belegschaft schneller handelt, um mit dem Takt des Digitalzeitalters mitticken zu können. Er hat daher im vergangenen Jahr den Konzernriesen in mehrere kleine interne Unternehmen zerlegt, um Hierarchien abzubauen. Es ist sein Langzeitprojekt. Die neue Struktur würde nicht sofort ein neues Denken hervorbringen, gab Toyoda zu.

Dementsprechend vorsichtig schaut der Konzern ins laufende Jahr, das laut dem Tiefstapler an der Konzernspitze Toyotas wahres Potenzial offenbare. Der Umsatz soll leicht auf 27,5 Billionen Yen fallen, der Reingewinn um 18 Prozent auf 1,5 Billionen Yen. Denn höhere Rohstoffkosten und stärkere Preisschlacht in Toyotas Hauptmarkt USA würden nach Toyotas Einschätzung einen Großteil der jährlichen Kostensenkungen wettmachen.

Doch es gibt gute Nachrichten für Investoren: Erstens will Toyota dennoch seine Dividende von 210 Yen pro Aktie nicht senken und wieder Aktien zurückkaufen. Damit könnte der Konzern 2017 sogar mit 59 Prozent einen höheren Anteil am Gewinn an seine Aktionäre zurückgeben als 2016. Zweitens sind Toyotas Prognosen oft im positiven Sinn mit Vorsicht zu genießen. Denn in der Regel sagt der Konzern die Zukunft düsterer voraus, als sie wird.

In diesem Fall haben die Japaner ihrer Vorhersage einen Dollar-Kurs von 105 Yen und einen Euro-Kurs von 115 zugrunde gelegt. Doch derzeit liegen die beiden Währungen rund zehn Yen über den Annahmen. Und je schwächer der Yen ist, umso besser geht es Toyotas Profiten. Diese Grundregel wird Konzernchef Toyoda auch mit Reformen nicht abschaffen können.

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