Automobilbranche Der Verbrennungsmotor behauptet sich

Der Weltmarkt für Pkw wird weiter wachsen – und der Verbrennungsmotor auch künftig eine große Rolle spielen, glaubt der Verband der Automobilindustrie (VDA). Die Beschäftigten können ein Stück weit aufatmen.

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Der Absatz von E-Autos dürfte in den kommenden Jahren steigen – ebenso wie Verkaufszahlen von Autos mit Verbrennungsmotor. Quelle: dpa

Berlin Gefährdet der Umstieg auf Elektrofahrzeuge Arbeitsplätze in der Automobilindustrie? Um eine Antwort auf diese Frage wird angesichts der Bedeutung der Branche für Deutschland seit Monaten gerungen. Deutsche Hersteller und Zulieferer beschäftigen hierzulande 818.000 Mitarbeiter - und ein Großteil hängt bislang an der Produktion von Autos mit einem Verbrennungsmotor. Im Vergleich zum Vorjahr seien in Deutschland über 11.000 neue Stellen geschaffen worden, sagte Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), am Mittwoch in Berlin.

Ein Großteil der Beschäftigten wird wohl noch längere Zeit Autos mit einem Verbrennungsmotor bauen, ist Wissmann überzeugt. Der Weltmarkt für Pkw, sagte er auf der Jahresabschlusspressekonferenz seines Verbandes, werde weiter wachsen, die Elektromobilität zulegen - aber sehr wahrscheinlich auch der Absatz von Autos mit einem Verbrennungsmotor.

Der Grund sei einfach: auch wenn Europa und China zunehmend auf E-Mobilität setzten und ihre Infrastruktur ausbauten, sehe es in anderen Teilen der Welt ganz anders aus. „In Lateinamerika, in weiten Teilen Asiens oder in Afrika wird es auch dann noch keine flächendeckende Ladeinfrastruktur geben. Wir brauchen also den Verbrennungsmotor und werden ihn weiter optimieren“, sagte Wissmann. In Deutschland würden heute drei von vier Fahrzeugen für den Weltmarkt produziert - insofern bedeute das eine Perspektive für die Beschäftigten.

Die Branche hat derzeit gut zu tun. Der deutsche Pkw-Markt, sagte Wissmann, werde in diesem Jahr das vierte Mal in Folge deutlich zulegen. Gründe seien die gute gesamtwirtschaftliche Entwicklung, ein hoher Beschäftigungsstand, eine gute Einkommenssituation der Konsumenten und ein weiterhin niedriges Zinsniveau. Bis Ende des Jahres wird ein Plus von mindestens drei Prozent auf gut 3,4 Millionen Pkw erwartet. Wenn der Dezember gut laufe, könnten es auch knapp 3,5 Millionen Neuwagen werden - und das trotz einer spürbaren Verunsicherung wegen der Fahrverbotsdebatte für Diesel-Fahrzeuge. Deren Verkaufszahlen gingen in Deutschland deswegen spürbar zurück: von einem Anteil von mehr als 45 Prozent auf weniger als 40 Prozent. Weltweit wird die deutsche Automobilindustrie in 2017 rund 16,4 Millionen Pkw produzieren - ein Plus von vier Prozent. Dabei erhöhte sich die Auslandsproduktion um sieben Prozent auf 10,8 Millionen Einheiten. Die Inlandsproduktion ging um zwei Prozent auf 5,6 Millionen Pkw zurück. Das sei dennoch kein schlechtes Zeichen für den Standort Deutschland. „Nur wer global stark ist, ist auch zu Hause stark“, sagte Wissmann.

Autobauer weltweit profitieren von steigenden Verkaufszahlen. So erhöht sich der Pkw-Weltmarkt in 2017 nach VDA-Angaben um zwei Prozent auf 84,6 Millionen Neuwagen. Damit kam fast jeder fünfte Pkw aus deutscher Produktion. Für 2018 erwartet der Verband ein Plus auf 85,7 Millionen Einheiten. In den nächsten Jahren, so die Schätzung, geht es auf die 100 Millionen zu.

Was bedeutet das für die Luftqualität in den Städten? In Deutschland etwa drohen Fahrverbote - vor allem für Diesel-Fahrzeuge, die im Vergleich zu Benzinern zwar weniger klimaschädliches Kohlendioxid ausstoßen, dafür aber mehr Stickoxide, die Atemwegserkrankungen mitverursachen. „Doch es gibt keinen Grund für Hysterie“, meinte Wissmann. Die Luft in unseren Städten sei heute besser denn je. Die verkehrsbedingten Stickoxidemissionen seien zwischen 1990 und 2015 laut Umweltbundesamt um 70 Prozent zurückgegangen - trotz gestiegener Verkehrsleistung. Es gehe also nicht um ein flächendeckendes Problem, sondern um Hotspots in mehreren Städten. Dennoch wolle er die Probleme nicht kleinreden, sagte Wissmann. Mit einem Paket von Maßnahmen würden deutsche Hersteller dafür sorgen, dass der Ausstoß von Stickoxiden bis Anfang 2019 um 12 bis 14 Prozent gegenüber Jahresbeginn 2017 sinke. Etwa die Hälfte der Einsparungen soll durch Software-Updates erreicht werden, die in den Fahrzeugen den Betrieb des Dieselmotors steuert. Überwiegend geht es dabei um Modelle, die der Abgasnorm Euro 5 entsprechen. Zudem hatten die Autobauer individuelle Umstiegsprämien für ältere Dieselmodelle zugesagt. Wissmann bekräftigte, die Branche stehe zu ihrer Zusage, sich an dem Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ zu beteiligen, um damit alternative Antriebe und Mobilitätsangebote zu fördern.

Den Beitrag der deutschen Hersteller bezifferte der VDA-Präsident auf etwa 160 Millionen Euro. Insgesamt soll die Branche 250 Millionen Euro zum Gesamtvolumen von einer Milliarde Euro beisteuern. Wissmann sagte, was bei den Importeuren passiere, sei am Ende deren Sache. Er wünsche sich aber, dass sie sich beteiligen. Die Importeure lehnten das bislang ab.

Elektroautos werden nach Einschätzung des VDA im Jahr 2025 in Deutschland einen Anteil von 15 bis 25 Prozent an den Pkw-Neuzulassungen haben. Das heiße umgekehrt aber auch: ein Großteil der Fahrzeuge fahre weiterhin mit einem Verbrennungsmotor, so Wissmann. Man müsse deswegen alle Antriebsarten nutzen, auch Wasserstoff und Erdgas. Auch an klimaneutralen Kraftstoffen, so genannten E-Fuels, komme man nicht vorbei, wenn man die CO2-Frage ernst nehme. Die Technologie für diese Kraftstoffe aus erneuerbaren Quellen sei vorhanden. Die Kosten seien noch vergleichsweise hoch, aber sie würden sinken.

Im bisherigen Jahresverlauf haben sich die Elektroneuzulassungen in Deutschland auf rund 48.300 Einheiten mehr als verdoppelt. Mit zuletzt 2,1 Prozent ist der Anteil von E-Fahrzeugen in Deutschland aber noch immer sehr niedrig.

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