Ein bisschen Science-Fiction gehört bei Tesla zum Geschäftsmodell. Als die Kalifornier das elektrische SUV Model X vorstellten, versprach Gründer Elon Musk, dass man darin auch einen Angriff mit Biowaffen überleben könne. Und auch für das jüngste Update des Autopiloten hat Tesla ein ausgefallenes Beispiel gewählt, um die neue Sicherheit des Systems zu demonstrieren. Selbst wenn ein Ufo bei schlechtem Wetter auf dem Highway lande, schreibt Musk in einem Beitrag auf dem Firmenblog, seien die Fahrer der Elektroautos sicher.
Das ausgefallene Szenario ist bewusst gewählt, schließlich beschäftigt man sich bei Tesla gerne mit der Zukunft. Dabei war man zuletzt allerdings rüde von Gegenwart eingeholt worden: Bei Unfällen waren Tesla-Fahrer, die mit dem Autopiloten unterwegs waren, verletzt worden oder ums Leben gekommen. Besonders im Fokus stand der Tod eines Tesla-Fahrers aus Florida, der mit seinem Model S in einen Lkw gerast war, weil der Autopilot einen Anhänger als Straßenschild erkannt haben soll. Die US-Verkehrsaufsicht ermittelt. Einige Experten gaben Teslas Autopiloten die Schuld für den Unfall.
Als erster Hersteller hatten die Kalifornier ihren Autos per Software-Update einen semi-autonomen Assistenten aufgespielt. Für 1000 Dollar kann der Tesla seitdem selbstständig überholen, bremsen und beschleunigen. Doch seit der Premiere gab es Kritik am System.
Denn technisch sind die Kalifornier der Konkurrenz nicht voraus, trotz aller Science-Fiction-Rhetorik. In einem Model S sind nicht mehr Sensoren verbaut als in vielen anderen Autos der Oberklasse, wie beispielsweise der Mercedes E-Klasse. Die wichtigsten Daten, mit denen der Autopilot gefüttert wurde, kamen aus den Kameras, die Tesla beispielsweise auch für die Einparkhilfe nutzt und einem Radar, der das System dabei unterstützte. Das sei zu wenig, bemängelten Experten. Tesla versprach Abhilfe.
Doch statt die Hardware zu überarbeiten, wird der Autopilot nun zunächst mit einem Softwareupdate auf den neuesten Stand gebracht. Wichtigste Änderung: Der Radar, der bisher nur als „Unterstützungssensor“ für die Kameras diente, soll nach dem Update die zentrale Rolle einnehmen. Den Umstieg begründet Tesla mit der größeren Verlässlichkeit des Systems. Doch viele Fragen bleiben offen.
Denn Radarsysteme reagieren – wie Tesla selbst schreibt – sehr empfindlich auf Metallteile. So erkennt ein Radar vielleicht ein Ufo; aber auch eine Getränkedose kann zur Vollbremsung führen, weil sie vom Radar als ernsthaftes Hindernis erkannt wird. Ein Problem, das Tesla mit seiner Software lösen will, die dem Radar erlaubt, mehr Daten zu erfassen. Zudem sollen Fahrzeuge Daten untereinander austauschen – und so Gefahren vorab erkennen.
Ohne Kamera geht es nicht
Ganz ohne Kamera kommt der Tesla aber nach wie vor nicht zurecht. Denn anders als beispielsweise Google setzt Tesla nicht auf die teure Lidar-Technologie. Nicht umsonst spekulieren amerikanische Fachblogs längst, dass Tesla in seinen zukünftigen Modelle mehr Sensoren verbauen muss, damit die Fahrzeuge für die nächste Generation des autonomen Fahrens gerüstet sind und auch komplizierte Fahrsituationen richtig erfassen. Auch nach dem Update betont Tesla, dass der Assistent derzeit ausschließlich auf dem Highway eingesetzt werden darf – mit den Händen am Lenkrad.
Dass der Radar künftig im Zentrum der Tesla-Entwicklung stehen wird, hat auch einen weiteren Grund. Ende August war bekannt geworden, dass das israelische Start-up Mobileye die Zusammenarbeit mit Tesla beendet. Die Israelis sind der unbestrittene Marktführer bei Kameratechnik für autonome Fahrzeuge. Nach den Unfällen mit Tesla waren sie ebenfalls in die Kritik geraten - doch schoben die Schuld auf die Kalifornier. „Wir wollen enger mit Herstellern wie BMW und Intel zusammenarbeiten und nicht nur reiner Zulieferer sein“, erklärte Mobileye per Pressemitteilung, „um die Reputation und Wahrnehmung von selbstfahrenden Autos zu schützen“. Eine Ohrfeige für Tesla.
Der Streit um den Autopiloten ist längst zum Streit um die richtige Strategie bei der Entwicklung des selbstfahrenden Autos geworden. Google, aber auch die deutschen Autobauer testen Prototypen auf der Straße – auf eigenes Risiko. Hersteller wie Tesla versuchen, möglichst viele Daten durch die eigenen Kunden zu generieren und so die selbstfahrenden Systeme zu verbessern. Doch der „Beta-Test beim Kunden“ hat seine Tücken.
Der sonst so risikofreudige Tesla-Chef Elon Musk hat mit dem jüngsten Update nicht umsonst auch die Sicherheitsvorkehrungen des Autopiloten verschärft. Zwar prüfte der Assistent schon vor dem Update, ob der Fahrer seine Hände am Lenkrad hatte – und schaltete ihm Zweifel ab. Anders als bislang lässt sich der Autopilot nach einer solchen Sicherheitsmaßnahme nun aber nicht mehr aktivieren, bis das Auto geparkt wird. Eine Maßnahme, mit der Tesla dem Missbrauch des Systems vorbeugen will – und ein Eingeständnis, dass man den eigenen Fahrern offenbar in der Vergangenheit zu viel Vertrauen geschenkt hat.
Gerade die zusätzlichen Hürden in der Funktionalität dürften die Unfallwahrscheinlichkeit deutlich drastischer senken als die technologischen Umstellungen. Mit einer Ufo-Landung auf der Autobahn ist in nächster Zeit ohnehin nicht zu rechnen.