Für Marijn Dekkers ist es der letzte Arbeitstag. Der Niederländer mit amerikanischem Pass, der Bayer zu neuen Umsatz- und Gewinnhöhen geführt hat, nimmt sich künftig mehr Zeit für sein Privatleben.
2015 erreichte Bayer einen Umsatz von mehr als 46 Milliarden Euro (plus zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahr) und einen operativen Gewinn von 6,2 Milliarden (plus 16 Prozent). Zuletzt hat Dekkers – der erste Bayer-Chef, der von außen kam – dafür gesorgt, das Chemiegeschäft auszugliedern und an die Börse zu bringen. Bayer setzt künftig nur noch auf Produkte für Gesundheit und Landwirtschaft.
Von den Aktionären wird Dekkers mit Applaus verabschiedet werden – seit seinem Amtsantritt hat er den Aktienkurs fast verdoppelt. Inzwischen ist Bayer das wertvollste Unternehmen im Dax, um die Pole Position liefern sich die Leverkusener ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit SAP.
Stationen des Bayer-Konzerns
Bayer übernimmt vom Schweizer Pharmakonzern Roche das Geschäft mit rezeptfreien Arzneimitteln.
Trennung von der Chemie, Teil eins: Die Leverkusener spalten das Kautschukgeschäft und weitere Teile ab und bringen das Unternehmen als Lanxess an die Börse.
Bayer kauft das Berliner Pharmaunternehmen Schering für 17 Milliarden Euro.
Übernahme des deutschen Medikamentenherstellers Steigerwald, bekannt für das Magenmittel Iberogast.
Bayer zahlt umgerechnet 10 Milliarden Euro für das Geschäft mit rezeptfreien Arzneimitteln des US-Pharmakonzerns Merck & Co. Zwei Milliarden Euro ist Bayer das norwegische Pharmaunternehmen Algeta wert, ein Spezialist für Krebserkrankungen.
Trennung von der Chemie, Teil zwei: Bayer gibt die Abspaltung der Kunststoffsparte (Bayer Material Science) bekannt.
Der Börsengang von Covestro, ehemals Bayer Material Science, im Oktober 2015 war einer der größten in Deutschland seit dem Boomjahr 2000.
Nachfolger Werner Baumann, seit mehr als zwei Jahrzehnten bei Bayer, muss nun dafür sorgen, dass der Erfolg nicht abreißt. Derzeit punkten die Leverkusener mit Top-Medikamenten wie Xarelto gegen Schlaganfälle, dem Augenmedikament Eylea, den Krebsmitteln Xofigo und Stivarga sowie Adempas gegen Lungenhochdruck. In einigen Jahren muss Baumann für ausreichend Nachschub gesorgt haben.
Ein Ziel hat der neue Boss bereits ausgegeben: Bayer will die Nummer eins in der Agrarchemie werden und den bisherigen Marktführer bei Pflanzenschutzmitteln, die Schweizer Syngenta, überholen.
Auf der Hauptversammlung werden sich auch wieder zahlreiche Kritiker zu Wort melden. Frauen, die sich von Bayer-Antibabypillen geschädigt fühlen, haben bereits ihren Protest angekündigt. Angeblich haben die Bayer-Pillen der sogenannten dritten und vierten Generation mit dem Wirkstoff Drospirenon ein deutlich höheres Thromboserisiko als ältere Pillen.
Bayer betont dagegen das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis, das von Gesundheitsbehörden und unabhängigen Experten bestätigt werde. In den USA musste sich Bayer dazu bereits gegen Tausende Klagen wehren und schloss Vergleiche in Höhe von insgesamt zwei Milliarden Dollar – ohne Anerkennung einer Haftung.
Bei Merck kommt ebenfalls ein neuer Chef
Auch beim Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern steht zur Hauptversammlung ein Führungswechsel an: Karl-Ludwig Kley geht, der langjährige Pharma-Chef Stefan Oschmann übernimmt. Kley hat Merck wieder in die Erfolgsspur gebracht – der Umsatz von zwölf Milliarden Euro sowie ein operativer Gewinn von drei Milliarden Euro können sich durchaus sehen lassen.
Allerdings steht Oschmann vor einer deutlich größeren Aufgabe als sein Pendant Baumann bei Bayer: Er muss nach zwei Jahrzehnten Flaute endlich wieder ein eigenes Merck-Medikament auf den Markt bringen.
Merck hat zahlreiche Fehlschläge und Flops hinter sich. Ab 2017, so verspricht Oschmann nun, will Merck jedes Jahr ein neues Präparat oder eine neue Indikation einführen. Dabei setzt er vor allem auf das Krebspräparat Avelumab, das die Immunabwehr des Körpers aktiviert, um Krebszellen zu bekämpfen.
Anders als Bayer, das sich gerade von seiner Chemie-Sparte trennt, setzt Merck auch weiterhin auf Chemie und Pharma, hinzu kommt noch der neugeschaffene Bereich für Laborchemikalien. Zur Chemie zählen bei Merck vor allem Spezialprodukte wie Flüssigkristalle für Flachbildfernseher und Mobiltelefone, die geschätzte Renditen von vierzig Prozent aufwärts abwerfen. Die einstige Bayer-Chemie besteht dagegen vor allem aus massenkompatiblen Kunststoffprodukten wie Polycarbonaten oder Polyurethane.
Bei dem Ludwigshafener Chemiekonzern bleibt personell alles beim Alten: Kurt Bock steht weiterhin an der BASF-Spitze. Vor den Aktionären wird sich Bock allerdings für das durchwachsene Geschäftsjahr 2015 rechtfertigen müssen.
Mehr als viele andere Chemieunternehmen leidet die BASF, die selbst Öl und Gas fördert, unter den niedrigen Rohstoffpreisen. Der Umsatz sank gegenüber 2014 um fünf Prozent auf 70,5 Milliarden Euro. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) reduzierte sich um 18 Prozent auf 6,2 Milliarden Euro. Zudem trifft die schwächere Nachfrage aus China den Chemie-Giganten, der dort in den vergangenen Jahren kräftig investiert hat.
Das haben die einzelnen BASF-Sparten 2015 erwirtschaftet
Mit der Chemikalien-Sparte hat der Industriekonzern in den ersten neun Monaten des Jahres 2015 20 % des Gesamtumsatzes von 56,6 Milliarden Euro erzielt. Das macht 23 % des operativen Ergebnisses (Ebit) aus, welches im gleichen Zeitraum bei 5,9 Milliarden Euro lag.
Zeitraum: Januar bis September 2015
Quelle: Unternehmen
Katalysatoren, Lacke und andere Industrieprodukte haben 2015 25 % des Umsatzes ausgemacht. Der Anteil am Gewinn vor Zinsen und Steuern lag allerdings nur bei 22 %.
Durch Performance Products aus der Spezialchemie wurden im vergangenen Jahr 21 % des Gesamtumsatzes erzielt. Der Anteil am operativen Ergebnis lag bei 20 %.
22 % des Umsatzes von BASF gehen auf die Sparte Öl und Gas zurück. Das macht 21 % des operativen Ergebnisses aus.
Immerhin 8 % des Umsatzes des Industrieriesen gehen auf die Sparte Pflanzenschutz zurück. Der Anteil am operativen Ergebnis liegt damit bei 16 %.
Sonstige Sparten von BASF erzielten 4 % des Gesamtumsatzes für das Unternehmen. Dadurch ging das operative Ergebnis 2014 um 12 % zurück.
Auch hier werden sich kritische Aktionäre auf der Hauptversammlung zu Wort melden. So bezieht die BASF ihr Platin für Fahrzeugkatalysatoren aus Südafrika, etwa vom britischen Minenbetreiber Lonmin. Im Jahr 2012 streikten etwa 3000 Bergleute für höhere Löhne und bessere Lebensbedingungen; 34 Minenarbeiter wurden dabei von der südafrikanischen Polizei erschossen.
Die staatliche Untersuchungskommission gab dem Betreiber eine Mitschuld an dem Massaker – viele kritische Aktionäre fragen inzwischen nach der Verantwortung der BASF, einen der Hauptkunden von Lonmin.