BASF Im Verteidigungsmodus

In der Chemie tobt ein Richtungsstreit: Sollen sich Unternehmen spezialisieren oder breit aufstellen? BASF steht für die breite Verbundstrategie. Konzernchef Bock will raus aus der Defensive.

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BASF-Chef Kurt Bock Quelle: dpa

Das wichtigste stellt Kurt Bock gleich in den ersten fünf Minuten klar: „Der Verbund ist und bleibt Kern von BASF“. Jahrelang hätte er diese Worte gar nicht erst aussprechen müssen, sie wären selbstverständlich gewesen. Durch den Verbund ist BASF zum Vorbild der Chemiebranche geworden, zum größten Konzern der Branche.

Das Konzept dahinter: Aus einem Produkt entsteht das nächste, und aus dem Abfallprodukt das übernächste. So fördert BASF Öl selbst, verarbeitet es in Grundchemikalien, aus denen dann Plastik, Schaumstoffe oder Lacke entstehen. In den Chemiewerken ist deshalb jede Anlage mit der nächsten verbunden.

Doch in der Chemie tobt ein Richtungsstreit. Die Ludwigshafener sind mittlerweile die einzigen, die an der Wir-machen-Alles-Strategie festhalten. Die Konkurrenz  hat sich schon längst spezialisiert. Und um sich zu stärken, haben die Wettbewerber gleichzeitig noch eine Fusionslawine losgetreten. Bayer kauft Monsanto, und die US-Konkurrenten Dow und Dupont wollen sich erst zusammenschließen, um sich dann in drei schlagkräftige Unternehmen aufzuspalten.

„Der Strukturwandel in der Chemie geht weiter, dabei auch scheinbaren Trends und Moden folgend“, sagt Vorstandschef Kurt Bock. Seine Strategie hingegen ist uralt. Sie geht schon auf die Gründer der „Badischen Anilin und Soda Fabrik“ zurück, damit hat der Verbund nun über 150 Jahre Tradition. Doch damit kämpfen die Ludwigshafener in diesem Wettstreit der Unternehmensphilosophien mittlerweile alleine. Und es ist bei weitem nicht ausgemacht, ob sie gewinnen.

Denn zuletzt lief es bei BASF nicht gut. Der Umsatz ist auf 57,5 Milliarden Euro abgesackt, auch weil der Konzern im vergangenen Jahr sein Geschäft mit dem Gashandel abgestoßen hat. Der operative Gewinn sank um sechs Prozent auf 6,3 Milliarden Euro. Es sind die schlechtesten Zahlen, die Bock seit seinem Amtsantritt vor sechs Jahren präsentieren mussten.

Und Bock muss dankbar sein, dass es nicht schlimmer gekommen ist. Im zweiten Halbjahr zog das Geschäft wieder an. Damit stieg auch der Aktienkurs von BASF wieder. Die Analysten hatten von diesem Jahr noch Schlimmeres erwartet. Doch die OPEC stoppte den Ölpreisverfall, und die chinesische Regierung stärkte mit Steuervergünstigungen und Investitionsprogramme die Nachfrage im wichtigsten Markt, und auch in Nordamerika und Europa zog sich die Konjunktur etwas an.

Die BASF

Auch deshalb zog das Geschäft in der Spezialchemie – bei BASF heißt die Sparte „Functional Materials and Solutions“ zuletzt wieder an. Denn BASF verkauft seine Lacke, Batterien und Füllmaterialien vor allem an die Auto- und die Bauindustrie.

Damit haben sich die Rahmenbedingung zwar kurzfristig gebessert. Doch langfristig steht BASF in mindestens drei von fünf Sparten vor Herausforderungen.

Vor allem im Geschäft mit Pflanzenschutzmitteln hat sich BASF in eine schwierige Position manövriert. Vor einem Jahr galt BASF noch als einer der größten der Branche, in diesem schon als abgehängt von der Spitzengruppe. Durch ihre geplanten Fusionen werden Bayer und Monsanto genauso wie Dow und Dupont sich von BASF absetzen. Und ChemChina übernimmt den Schweizer Konkurrenten Syngenta. Auch die Ludwigshafener sollen dabei an Syngenta durchaus interessiert gewesen sein – doch die Chinesen sind bereit, wesentlich mehr zu zahlen.

Damit startet BASF mit erschwerten Bedingungen in ein herausforderndes Jahr. Weil vielen Bauern Geld für große Anschaffungen fehlt, verkaufte BASF schon im vergangenen Jahr weniger Pflanzenschutzmittel als zuvor  Der Umsatz sank um vier Prozent, den Gewinn konnte das Unternehmen gerade so stabil halten. Trotzdem will Konzernchef Bock zukünftig den Gewinn wieder leicht steigern.

Er hofft auf die Strenge der Kartellwächter. Die könnten die fusionierenden Konkurrenten dazu auffordern, Unternehmensteile abzustoßen, bevor sie den Deals zustimmen. „Wenn der Lastwagen rumpeln sollte und da fällt was runter, werden wir uns sicherlich was anschauen“, sagt Bock.

Die Unsicherheit bleibt

So soll Dupont einen Teil seines Pflanzenschutzgeschäfts – inklusive Forschungsabteilung – mit einem Umsatz von drei Milliarden Euro abstoßen wollen, um der EU-Kommission in den Verhandlungen um die Fusion mit Dow Chemicals entgegenzukommen. Für BASF wäre das eine Kaufgelegenheit. Doch Dupont wird sich hüten, ausgerechnet den Teil abzustoßen, der für ihren mächtigsten Mitbewerber so nützlich sind.

Noch größeren Herausforderungen steht Bock im Öl-und Gas-Geschäft gegenüber. Als einziges Chemieunternehmen verfügt BASF mit Wintershall auch über eine eigene Ölförderung. Investoren stellen schon lange die Frage, wie sinnvoll das ist. Den eigenen Gashandel hat BASF immerhin schon abgestoßen, alleine dadurch machte BASF im vergangenen Jahr 10 Milliarden Euro Umsatz weniger als im Jahr zuvor.

An der Öl-Förderung hingegen hält Bock weiter fest. Er sieht Wintershall als wichtigen Teil der traditionsreichen Verbundstrategie. Und Öl ist in der Chemie immer noch der wichtigste Grundstoff. Es wird riesigen petrochemischen Anlagen verdampft und so in seine Einzelteile aufgespalten.

Das Geschäft mit den Petrochemikalien hängt deshalb extrem vom Ölpreis ab. Im vergangenen Jahr musste BASF in der Sparte deshalb acht Prozent weniger Umsatz in Kauf nehmen, auch der operative Gewinn sank um sieben Prozent. Bock kann deshalb froh sein, dass sich das Ölförderer-Kartell Opec im vergangenen Herbst auf niedrigere Ölfördermengen einigte und so den Ölpreis wieder steigerten – anderenfalls hätten die Belastungen auf das BASF-Geschäft wohl noch deutlich schmerzvoller ausfallen können.

Da befinden sich die Ölförderer in Saudi-Arabien, Russland oder China in einer günstigeren Position. Sie kommen günstiger an Öl und Gas heran, als die Ludwigshafener. Und sie alle drängen – getrieben von dem Auf- und Ab des Ölpreises – in das Chemiegeschäft. So will sich Saudi Aramco, größter Konzern Saudi-Arabiens und größter Ölförderer der Welt, zu einem Chemiekonzern umbauen. Und in China verfolgt SinoPec gerade e ähnlichen Plan. Und auch in die profitablen Spezialchemie wollen chinesische Konzerne immer weiter vordringen.

Für BASF kann das zum Problem werden. Denn Bock hat eine klare Mission: Jeder Produktbereich von BASF soll in seinem Markt führend sein. Führend, das heißt in diesem Fall, einen der ersten drei Marktplätze besetzen. Denn in der Chemie ist Marktführerschaft extrem wichtig, die größten haben auch die Preismacht und können Kunden an sich binden.

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Auch deshalb wollen Dow und Dupont sich nun in drei hochfokussierte Unternehmen aufgliedern, jedes Marktführer in seinem Gebiet. Und wenn das für einen Teilbereich nicht gilt, dann können die neuen Unternehmen sich von diesen Teilen schnell trennen.

„Wo notwendig, passen wir unsere Strukturen an oder trennen uns von Aktivitäten, die nicht mehr optimal zu unserem Portfolio passen“, sagt zwar auch Bock. Doch der BASF dürfte das wesentlich schwieriger fallen, als der Konkurrenz. Schließlich ist durch den Verbund alles mit allem verbunden. Und wenn ein Produkt nicht mehr so gefragt ist, kann BASF deshalb die zugehörige Anlage nicht ohne weiteres aus dem Werk herausschneiden.

Trotzdem sagt Bock: „Ich sehe überhaupt nicht die Notwendigkeit, etwas Transformatorisches zu tun.“ Das könne eine Lösung sein, wenn sich ein Konzern in einer Sackgasse befinde. „Und ich kann überhaupt nicht erkennen, dass wir uns in so einer Situation befinden.“

Bock gibt sich optimistisch. Im kommenden Jahr will Bock nun den Umsatz in allen Segmenten wieder deutlich steigern. Und auch der Gewinn soll wieder leicht anziehen.

Doch die Unsicherheit bleibt. „Derzeit kann uns wirklich niemand sagen, wie sich die Konjunktur im zweiten Halbjahr hinein entwickelt“, räumt Bock ein. „Das kann in beide Richtungen gehen.“

Für BASF gilt das wohl auch. 

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