BASF Phosgen-Panne bremst Großprojekt

Eine Pannenserie sorgt weiter für Verzögerungen bei einem der größten Investitionsprojekte der BASF. Seine nagelneue Anlage für das Kunststoff-Vorprodukt TDI musste der Konzern am Wochenende wieder stoppen.

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Der Chemiekonzern hat sein Werk in Ludwigshafen erneut heruntergefahren, nachdem es am Wochenende zum zweiten Mal zu einem ungeplanten Austritt von Phosgen-Gas in einer Sicherheitskammer gekommen war. Quelle: dpa

Frankfurt Die BASF kämpft weiter mit technischen Problemen in seiner neuen Anlage für das Kunststoff-Vorprodukt TDI. Nachdem es am Wochenende zum zweiten Mal zu einem ungeplanten Austritt von Phosgen-Gas in einer Sicherheitskammer kam, hat der Ludwigshafener Chemieriese die Fabrik erneut heruntergefahren, wie eine Sprecherin des Unternehmens bestätigte.

Das mit Kosten von rund einer Milliarde Euro größte Einzelprojekt der BASF entwickelt sich damit zusehends auch zu einem der größten Pannenprojekte des Konzerns. Zudem reiht sich der Vorfall in eine Serie von technischen Problemen und Unfällen bei BASF, die seit Monaten bereits für Diskussionen sorgt und Mitte Oktober mit der Explosion einer Ethylen-Leitung einen Höhepunkt erreichte.

Dieser schwerste Unfall der BASF seit Jahrzehnten forderte vier Menschenleben, 30 Verletzte und führte zu einer eingeschränkten Rohstoffversorgung für das Stammwerk. Von  rund zwei Dutzend Anlagen, die nach der Explosion heruntergefahren wurden, sind nach Angaben der BASF  inzwischen wieder alle bis auf eine in Betrieb.

Die Probleme mit der TDI-Anlage haben mit dem Explosionsunfall nichts zu tun und führten bisher auch weder zu Verletzungen bei Mitarbeitern noch zu einem Austritt von Schadstoffen in die Umwelt. Sie sorgen jedoch für zusätzliche Unsicherheit im lokalen Umfeld und zehren zusehends am technischen Renomee des Chemieriesen. Zudem war es im Sommer schon einmal zu einem Austritt von Phosgen innerhalb der Sicherheitskammer gekommen.

Ursprünglich sollte die Anlage bereits 2014 in Betrieb gehen. Doch der Bau wurde zunächst durch einen Bombenfund auf dem Werksgelände und später durch diverse technische Defekte und Schwierigkeiten verzögert. Die offizielle Inbetriebnahme erfolgte erst ein Jahr später. Die hervorragende Einbindung in den BASF-Verbund mache die Anlage „zu einer der modernsten und wettbewerbsfähigsten weltweit“,  lobte Firmenchef Kurt Bock damals das Projekt. Doch erst im August 2016 konnte endlich die Produktion wirklich anlaufen. Nun steht sie erneut. Wie lange die jetzige Betriebsunterbrechung dauere, sei noch nicht geklärt, sagte eine Sprecherin des Unternehmens. Es müsse zunächst die Ursache für das Problem  gefunden und geprüft werden, ob Komponenten ausgetauscht werden müssten.

TDI und das ähnliche MDI sind zentrale Vorprodukte für so genannte Polyurethane, aus denen zum Beispiel Schaumstoffe, Isoliermaterialien oder Schuhsohlen hergestellt werden.  BASF ist neben der Bayer-Tochter Covestro führender Anbieter auf dem Gebiet und produziert die Produkte auch in Asien und den USA. Die ungeplante Verzögerung der Produktion in Ludwigshafen dürfte bei der BASF zusätzliche Anlaufkosten in zweistelliger Millionenhöhe verursacht haben. Sie dürfte auch mit dazu beigetragen, dass sich der Konkurrent Covestro in diesem Jahr deutlich besser entwickelte  als BASF.


Eine Serie von technischen Problemen

Insgesamt wird der Markt von nur sechs namhaften Anbietern dominiert. Das wiederum liegt unter anderem an den besonders hohen technischen Anforderungen an die Produktion TDI und MDI, insbesondere auch mit Blick auf die Sicherheit. Denn als Zwischenprodukt fällt bei der Produktion das hochgiftige Gas Phosgen an, das im ersten Weltkrieg auch als Chemiewaffe eingesetzt wurde. Im Herstellungsverfahren für TDI und MDI wird Phosgen daher ohne Zwischenlagerung direkt weiter verarbeitet.

Diese Prozessschritte erfolgen in einer speziellen, luftdichten Sicherheitskammer, die von zahlreichen Sensoren überwacht wird. Falls Phosgen austritt, kann es abgesaugt und in einer Waschkolonne aus der Luft entfernt werden. Dieses Sicherheitssystem hat nach BASF-Angaben bei dem Austritt am Wochenende wie vorgesehen funktioniert. Es seien weder Mitarbeiter verletzt worden noch sei Phosgen in die Umwelt gelangt.  Da sich der Vorfall innerhalb der Sicherheitskammer ereignete, war er laut BASF auch nicht meldepflichtig. Trotzdem habe man aber die zuständigen Behörden informiert. Die betroffenen Anlagenteile sollen nun überprüft und gegebenenfalls ausgetauscht werden.

Für die BASF setzt sich damit eine Serie von technischen Problemen fort, die immer wieder zu Verzögerungen bei der großen TDI-Anlage führten. Während der Konkurrent Covestro (Bayer) eine ähnlich große Anlage vor zwei Jahren plangemäß hochfahren konnte, hat der Ludwigshafener Konzern inzwischen mehr als zwei Jahre  gegenüber dem ursprünglichen Plan verloren.

Der BASF-Vorstand führte das bisher vor allem auf die besondere Komplexität des Projekts in Ludwigshafen zurück. Denn anders als Bayer habe man hier neben der eigentlichen TDI-Anlage auch Anlagen für diverse Vorprodukte wie Synthesegas, Chlor, Chlorwasserstoff und Salpetersäure sowie verschiedene Logistikanlagen neu errichtet. Das TDI-Projekt nutze man, um den gesamten Verbundstandort „zu modernisieren und damit zu stärken“, erklärte das der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Martin Brudermüller.

Gewisse Probleme resultierten offenbar daraus, dass große  Teile der insgesamt elf Einzelanlagen von externen Anlagenbauern errichtet wurden, die teilweise nicht die geforderte Qualität lieferten. Indirekt könnte damit auch der vorangegangene Investitionsboom in der Chemie, der Kapazitäten der Anlagenbauer stark beanspruchte, mit zu den Verzögerungen beigetragen haben. Im wesentlichen aber sieht sich die BASF selbst verantwortlich für die Verzögerungen, wie Bock bereits im Sommer deutlich machte. „Die Kosten dafür hätten wir uns gerne gespart“, sagte er damals.

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