Batteriespeicher Unzuverlässig und brandgefährlich

Dank neuer Billig-Akkus lohnt es sich bald, Sonnenstrom zu speichern und selbst zu verbrauchen. Die Solarbranche hofft auf goldene Zeiten. Was in dem Hype untergeht: Manche Batterien stellen ein Sicherheitsrisiko dar.

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Es gibt Batteriezellen, die „sicherheitstechnisch ein Desaster“ sind. Quelle: Imago

München Karl Nestmeier ist ein Elektronarr. Der 51-Jährige beschäftigt sich seit gut dreißig Jahren mit Batterien. Mit dem CityEL hat er eines der ersten Elektroautos nach Deutschland gebracht und Pionierarbeit in der Branche geleistet. Heute fährt Nestmeier durch halb Europa, um Firmen zu beraten, die in Akku-Technologie investieren oder bei denen akute Schadensfälle bei Lithium-Ionen-Batterien aufgetreten sind. Was Nestmeier bei seinen Reisen als Gutachter und Sachverständiger erlebt, sorgt nicht nur bei ihm für Kopfschütteln und Entsetzen.  

„Da, schauen Sie mal“, sagt Nestmeier während  er den Kofferraum seines Pkw öffnet. Was der Elektro-Meister hier lagert, sind Batteriezellen, die ihm häufig im Alltag begegnen. Nestmeier nimmt ein verformtes Kunststoffgehäuse in die Hand, deutet auf Ventile, aus denen Elektrolyt sabbert und zeigt Fotos von krumm zusammengepressten Aluminium- und Kupferverbindungen.

„Solche Zellen sind sicherheitstechnisch ein Desaster“, erklärt Nestmeier. Im schlimmsten Fall könnten Häuser abfackeln und dabei Brandgase entstehen, die zu schweren Lungenverätzungen führen. „Hier besteht Gefahr für Leib und Leben“, sagt Nestmeier. Was den Bayer so empört: „Diese Zellen werden bei uns völlig legal in den Verkehr gebracht.“ Denn der Markt für die vergleichsweise junge Batterietechnologie entwickle sich viel schneller als die gesetzlichen Vorschriften.

Tatsächlich sind Batteriespeicher gerade in aller Munde. Autohersteller wie Tesla, Daimler oder BMW mischen den Markt auf und wollen mit Eigenheimspeichern ihr Geschäft mit Elektrofahrzeugen quersubventionieren. Zudem setzt die seit Jahren kriselnde deutsche Photovoltaikindustrie all ihre Hoffnungen auf den Durchbruch der Batterietechnik. Ein Solarboom 2.0 auf Basis von Billig-Akkus ist sogar ein durchaus realistisches Szenario. Schließlich dürften die Preise für Lithium-Ionen-Batterien noch schneller fallen als bisher angenommen.

Für Ausrüster und Hersteller aus der Speicher- und Photovoltaik-Industrie brechen „goldene Zeiten“ an, prophezeit etwa die Unternehmensberatung Ernst & Young. Während es 2015 im Schnitt noch rund 600 Dollar kostete eine Kilowattstunde Strom zu puffern, werden es 2020 bereits weniger als 300 Dollar sein. Weil parallel die Strompreise für Privathaushalte weiter steigen dürften, lohnt es sich zunehmend Sonnenergie vom Dach zu speichern und  selbst zu verbrauchen.

Karl Nestmeier warnt angesichts des sich abzeichnenden Batteriebooms vor einer fatalen Begleitentwicklung. „Wenn wir nicht aufpassen“, sagt der Sachverständige für Speichersysteme, „haben wir bald hunderte Tonnen von miserabel verarbeiteten Batteriezellen in Gebäuden und kriegen sie dort nicht mehr hinaus.“


„Sicherheit ist nicht verhandelbar“

Karl-Heinz Pettinger schätzt, dass etwa ein Drittel der Anbieter von Eigenheimspeichern, sicherheitskritische Zellen in ihren Batterien verarbeitet haben. „In Folge des Preisdrucks versuchen einige, so viel Material wie möglich einzusparen und alles vermeintlich Unnötige wegzulassen“, sagt der Professor für elektrische Energiespeicher an der Hochschule Landshut.

Häufig werden dabei teils von Hand gefertigte Zellen verbaut, die allein durch ihre Größe und schlechte Verarbeitung, „ein Risiko für sich darstellen“, bestätigt Thomas Timke. Der Batterie-Experte am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hält aber fest: „Prinzipiell sind Lithium-Ionen-Akkus eine sehr sichere Technologie.“ Und im Vergleich zu der Situation von vor einigen Jahren habe sich in der Industrie bereits enorm viel gebessert

Timke und seine Forscher-Kollegen am KIT haben vor rund zwei Jahren bei Intersolar, der weltgrößten Solarmesse in München, erstmals vor erheblichen Sicherheits- und Normenlücken bei Eigenheimspeichern gewarnt. Damals war von brennenden Einfamilienhäusern, Explosionen und groben Sicherheitsverstöße die Rede.

„Die Studienergebnisse des KIT haben mich komplett geschockt“, erinnert sich Detlef Neuhaus. Der Chef von Solarwatt, einem der führenden Hersteller von Solarmodulen- und Batteriespeichern in Deutschland, hat den Verkauf seiner Speichersysteme damals kurzzeitig völlig gestoppt. „Sicherheit ist nicht verhandelbar“, sagt Neuhaus. Bei der Entwicklung des Solarwatt-Speichers MyReserve hat der Manager Sicherheit zur obersten Maxime erhoben.

Um Kurzschlüsse zu verhindern, setzt Solarwatt etwa auf Separatoren aus Keramik, die die beiden Elektroden (Kathode und Anode) dauerhaft voneinander isolieren sollen. Zudem lässt sich der Akku im Gefahrenfall jederzeit abschalten. Nach Erscheinen der KIT-Studie hat die Batterieherstellerbranche aber insgesamt breitflächig auf Mängel reagiert.

Zusammen mit Prüflaboren, Speicherexperten und Verbänden haben die Produzenten einen Sicherheitsleitfaden entwickelt. Dabei wurde auch der Stand der Technik festgehalten, den die Hersteller berücksichtigen müssen. Solarwatt-Boss Neuhaus spart dennoch nicht mit Kritik an seiner eigenen Industrie: „Wir sind bis heute einer von ganz wenigen Herstellern, die diesen Sicherheitsleitfaden auch experimentell durchlaufen haben.“

KIT-Forscher Timke hält es für „etwas verwunderlich“, dass sich die Akkuhersteller nicht stärker gegenseitig abmahnen. In anderen Branchen sei das schließlich üblich, um eine Marktbereinigung herbeizuführen. Insbesondere dann, „wenn Sicherheitsrisiken vorliegen“ oder „nicht haltbare Aussagen in der Werbung“ getätigt werden. Einen weiteren Grund dafür, warum es noch immer schwarze Schafe in der Industrie gibt, sieht Energiespeicher-Professor Karl-Heinz Pettinger in unzureichenden Produkthaftungsbestimmungen.


Welchen Firmen ein „ökonomisches Drama“ droht

„Die meisten Zellhersteller übernehmen überhaupt keine Haftungen für ihre Produkte“, ärgert sich Pettinger. In ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und Erläuterungen in den Bedienungsanleitungen würden sich die meisten Zellhersteller mit der Ausrede haftungsfrei stellen, dass sie ja nicht wissen können, wie ihre Zellen weiterverarbeitet werden. „Das ist eine Frechheit“, sagt Pettinger. Die Unternehmen müssten dazu genötigt werden, sich auch tatsächlich an die bestehenden Produktstandards zu halten.

Selbst wenn es künftig neue Bestimmungen geben sollte – für viele kommen sie wohl zu spät, fürchtet Karl Nestmeier. Der Sachverständige für Batteriespeichersysteme erkennt zwar an, dass alle Premiumanbieter von Heimspeichern mittlerweile auf sichere Zellen setzen. Aber kleinere Mittelständler würden sich von einer Handvoll asiatischer Zellproduzenten und ihren „teilweise irrwitzigen Lebensdauer- und Sicherheitszusagen“ weiterhin blenden lassen.

Diesen Firmen droht ein „ökonomisches Drama“, sagt Nestmeier. Denn Baufehler bei Zellen schränken die Lebensdauer der Batterien drastisch ein. „Die Akkus altern viel schneller“, erläutert Nestmeier. Die Folge: Garantieversprechen können nicht eingehalten werden. „Entweder die Zellen sterben nach ein paar Jahren einen schleichenden Tod“, so Nestmeier, „oder sie brennen gleich ab.“

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