Bayer Auch in Europa droht Gefahr

Dem Pharmakonzern Bayer droht ein Rückschlag: Die erfolgreiche Verhütungspille Yasmin soll gesundheitsschädlich sein. Von der Entscheidung der Zulassungsbehörde hängen Millionenumsätze ab.

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Die erfolgreiche Verhütungspille

Fünfzig Jahre Pille – dem Jubiläum widmete der Bayer-Konzern, weltweit der größte Hersteller von Tabletten zur Empfängnisverhütung, kürzlich eine Ausstellung am Konzernsitz in Leverkusen. 1961 brachte Schering, inzwischen Teil von Bayer, die erste Verhütungspille auf den deutschen Markt. Die Ausstellung zeigt glückliche Frauen, in den Begleittexten ist von besserer Familienplanung und neuem Selbstbewusstsein die Rede.

Weltweit Tausende Frauen machen derzeit allerdings schlechte Erfahrungen mit den Bayer-Präparaten Yasmin, Yaz und Yasminelle. Mehr als 10.000 Anwenderinnen klagen inzwischen in den USA gegen Bayer: Die Tabletten mit dem Wirkstoff Drospirenon sollen häufiger als andere, ältere Verhütungspillen Thrombosen auslösen und in einigen Fällen tödlich wirken. In Deutschland klagt die Badenerin Felicitas Rohrer gegen den Konzern. Die 27-Jährige brach vor zwei Jahren zusammen, war 20 Minuten lang klinisch tot – und macht dafür die Bayer-Pille Yasminelle verantwortlich. Auch aus Kanada und der Schweiz kommen Vorwürfe gegen Bayer.

Sinkende Umsätze

Am 8. Dezember befasst sich nun die US-Zulassungsbehörde FDA mit den möglichen Risiken der Bayer-Präparate, die seit etwa zehn Jahren auf dem Markt sind. Denkbar ist, dass die Behörde für Yasmin & Co. künftig einen Thrombose-Check beim Arzt verlangt oder den Kreis der Anwenderinnen eingrenzt. Beides könnte das Geschäft mit den profitablen Pillen deutlich beeinträchtigen – 2010 setzte Bayer mit der Yasmin-Produktfamilie weltweit etwa eine Milliarde Euro um. „Falls die Anwendung von Yasmin in den USA eingeschränkt wird, wäre das ein Aderlass für Bayer“, sagt Karl-Heinz Scheunemann, Analyst der Landesbank Baden-Württemberg.

Zumal auch die europäischen Zulassungsbehörden die FDA-Diskussion aufmerksam verfolgen: „Die europäischen Arzneimittelbehörden stehen dazu aktuell mit der FDA im Austausch“, sagt ein Sprecher der deutschen Zulassungsbehörde Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Bei neuen Erkenntnissen könnten auch die europäischen Regulierer Maßnahmen gegen Bayer ergreifen. Ebenso wäre eine negative FDA-Beurteilung Wasser auf die Mühlen der inzwischen mehr als 10 000 Klägerinnen.

Von der Bayer-Schwäche in den USA würden Wettbewerber wie Johnson & Johnson oder Watson Pharmaceuticals profitieren, die dort stark vertreten sind und ältere, vermeintlich sicherere Verhütungspillen im Angebot haben. Johnson & Johnson bietet auch Hygieneprodukte wie Penaten oder Carefree an. Watson ist einer der großen US-Hersteller von Nachahmermedikamenten (Generika).

Starker Wettbewerb

Klage gegen Konzern - Die Badenerin Rohrer macht Bayer für ihr Leid verantwortlich Quelle: Dan Cermak für WirtschaftsWoche

Yasmin ist das drittwichtigste Medikament der Bayer-Medizinsparte – nach Betaferon gegen multiple Sklerose und dem Blutermedikament Kogenate. In jüngster Zeit entwickelten sich die Umsätze tendenziell rückläufig – vor allem in den USA. Dort erwirtschaftet Bayer noch immer 16 Prozent des Umsatzes von Yasmin & Co. Der Rückgang hat mit dem starken Generika-Wettbewerb, aber auch mit der wachsenden Zahl von Klagen zu tun. Die könnten Bayer und seine Aktionäre noch viel Geld kosten: Es könne nicht ausgeschlossen werden, „dass der bestehende Versicherungsschutz möglicherweise nicht ausreichen könnte, um sämtliche Verteidigungskosten und etwaige Schadensersatzleistungen vollständig abzudecken“, warnt der jüngste Aktionärsbrief.

Ärger mit Behörden

„Das Risiko unserer Pillen ist mit dem anderer Pillen vergleichbar. Das belegen unsere Studien aus mehr als 15 Jahren“, sagt Bayer-Chef Marijn Dekkers. Der Leverkusener Konzern hat dazu zwei Studien initiiert und finanziert. Andere, unabhängige Studien kommen allerdings zu dem Schluss, dass das Risiko der Bayer-Pillen höher ist. Diese Studien sollen laut Bayer aber methodische Schwächen aufweisen.

Vor etwa einem Jahr ist das Unternehmen mit europäischen Zulassungsbehörden aneinandergeraten. Bayer musste seinen Beipackzettel ergänzen – die beiden kritischen Studien finden mittlerweile Eingang in die Produktinformation. Und auf Geheiß der FDA änderte Bayer einen TV-Spot, der in den USA lief und die positiven Wirkungen von Yaz übertrieben hatte.

Falls die FDA nun die Verwendung von Yasmin & Co. einschränkt, dürften Image und Umsatz weiter Schaden nehmen. Dekkers redet denn auch inzwischen lieber von neuen Bayer-Medikamenten gegen Schlaganfall oder Augenkrankheiten.

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