Bayer-Chef Deswegen will Baumann Monsanto übernehmen

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Der Erfolg der Übernahme bestimmt auch Baumanns Zukunft

Trotzdem wirkt Baumann zuweilen nervös in den Tagen, als er die Übernahme ankündigt. In einem TV-Interview verhaspelt er sich ein paar Mal. Bei der Frage der Moderatorin, ob die 55 Milliarden Euro das letzte Angebot seien, stockt er zunächst kurz, bevor er dann schließlich den Preis rechtfertigt. Die große Bühne ist noch nicht Baumanns Welt. Er selbst bezeichnet sich als eher introvertiert.

Einige Tage nach dem Fernsehinterview reisen Baumann und sein Finanzvorstand Johannes Dietsch zu Roadshows nach London, Frankfurt und New York, um die Aktionäre zu überzeugen. Zu den wichtigsten Bayer-Investoren zählen große, internationale Vermögensverwalter und Finanzdienstleister wie Blackrock, Sun Life oder die Investors Capital Group. Hier scheint Baumann besser durchzudringen mit seiner Botschaft.

„Er ist stets bestens vorbereitet und verliert auch bei kritischen Fragen nicht die Contenance“, sagt Thorsten Strauß, Analyst der Nord/LB. „Es sind Auftritte von jemanden, bei dem man merkt, er rechnet im Hinterkopf immer alles in Zahlen um“, findet Ulrich Huwald von Warburg Research.

Noch im Mai lehnte aber laut einer Umfrage die Mehrheit der Bayer-Aktionäre den gebotenen Kaufpreis von 55 Milliarden Euro als zu hoch ab. Eine Prämie von 37 Prozent auf den letzten Monsanto-Aktienkurs sei zu viel, die Folgen für die Verschuldung zu riskant. Baumann präsentiert dann gerne eine Folie, die zeigt, wie Bayer bei den großen Übernahmen der vergangenen Jahre die Verschuldung schnell wieder zurückgefahren habe.

So will er die Zweifler gewinnen. Er weiß: Der Erfolg der Übernahme dürfte auch seine Zukunft beeinflussen. Baumann sieht das gelassen: „Es geht nicht um mich, es geht um Bayer. Das Angebot an Monsanto ist die richtige strategische Entscheidung für eine wertorientierte Entwicklung von Bayer.“

Bayer - mehr als 150 Jahre Unternehmensgeschichte
Bayer blickt zurück auf eine wechselvolle Geschichte. Der Konzern hat bahnbrechende Medikamente wie Aspirin erfunden, aber auch Heroin als Arznei verkauft. Bayer schuf bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts Wohltaten für die eigenen Mitarbeiter, gründete Sportvereine und Werksbüchereien - und rekrutierte andererseits als Teil der I.G. Farben während des Zweiten Weltkrieges Tausende Zwangsarbeiter, die unter menschenunwürdigen Bedingungen schufteten. Wie alles begann... Quelle: dpa
1863Am 1. August gründen der Kaufmann Friedrich Johann Bayer und der Färber Johann Friedrich Weskott die "Friedr. Bayer et comp.". Sitz der Gesellschaft ist Wuppertal, Zweck die Produktion von Farbstoffen. Quelle: Presse
1876Das junge Unternehmen expandiert rasch im Ausland. Erste Produktionsbetriebe entstehen – zunächst in Russland, später auch in Frankreich, England und den USA. Quelle: Presse
1898Das Unternehmen lässt sich Heroin als Warenzeichen schützen. Den Bayer-Chemikern gilt Heroin als ungefährliches, nahezu nebenwirkungsfreies Medikament, das die Atmung beruhigt. Nach der Einnahme sollen sich die Bayer-Arbeiter "heroisch" gefühlt haben - davon soll sich der Name Heroin ableiten. Bis 1915 produziert die Farbenfabrik jährlich eine knappe Tonne Heroin; das angebliche Medikament wird bald in 22 Länder exportiert. Erst 1931 stellte Bayer die Produktion ein. Quelle: Gemeinfrei
1899Unter der Nummer 36433 wird das Medikament Aspirin in die Warenzeichenrolle des Kaiserlichen Patentamtes in Berlin aufgenommen. Entdeckt wurde Aspirin von dem jungen Chemiker und Pharmakologen Felix Hoffmann, der seinem rheumakranken Vater mit einem Antischmerzmittel helfen wollte. Bis heute ist Aspirin das bekannteste Bayer-Produkt. Quelle: Creative Commons-Lizenz
1904Die Bayer-Arbeiter bekommen einen Sportverein. Der TuS 04 Leverkusen gründet sich – der Vorläufer des heutigen TSV Bayer 04 Leverkusen, der vor allem durch seine Fußball-Bundesligamannschaft bekannt ist. Quelle: Presse
1912Carl Duisberg wird Generaldirektor, Leverkusen Firmensitz. Der Standort Wuppertal ist zu klein geworden; Duisburg entwickelt einen Plan für ein neues Chemiewerk in Leverkusen. Die Wahl des neuen Hauptstandorts stößt nicht überall auf Begeisterung. Bayer-Arbeiter reimen ein Klagelied: "Kann er einen nicht verknusen, schickt er ihn nach Leverkusen. Dort, an diesem End der Welt, ist man ewig kaltgestellt." Quelle: Gemeinfrei

Unterstützung bekommt er dafür vom ehemaligen BDI-Chef Hans-Olaf Henkel, der fast zehn Jahre bis 2012 Aufsichtsrat bei Bayer war: „Wenn ein Konzern in Deutschland positive Erfahrungen bei der Integration von Unternehmen demonstriert hat, dann Bayer.“ Er habe Baumann als „sorgfältig, unaufgeregt und immer an der Sache orientiert“ erlebt. „Bei Bayer“, zieht Henkel die Parallele in die Geschichte, „wären Persönlichkeiten wie Schrempp, Middelhoff oder Piëch nie an die Spitze gekommen.“

Baumann, soll das heißen, ist kein Zocker. Wenn man mit Werner Baumann spricht und er sein Netz von Argumenten vor einem ausrollt, sagt er immer mal wieder: „Dazu kommen wir gleich noch mal.“ Es ist der Satz eines Mannes, der die Dinge durchdenkt und dann abarbeitet. Es ist kein Satz, der viel Raum für ungeplante Einwürfe lässt.

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