Bayer greift nach Monsanto Der 53-Milliarden-Dollar-Flirt ist nun offiziell

Erst war es ein Gerücht, nun ist es amtlich: Bayer hat dem Saatgutspezialisten Monsanto ein Übernahmeangebot gemacht. Warum Bayer-Chef Werner Baumann den größten Firmenzukauf der Geschichte erwägt. Eine Analyse.

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Der neue Bayer-Chef Werner Baumann demonstriert mit dem Vorstoß, dass er zu größeren Schritten bereit ist. Quelle: dpa

Frankfurt Der Leverkusener Chemiekonzern Bayer will den US-amerikanischen Saatgutspezialisten Monsanto übernehmen. Nachdem es in der vergangenen Woche bereits Spekulationen über solch ein Vorhaben gegeben hatte, haben die beiden Konzerne am Donnerstagmorgen entsprechende Gespräche bestätigt.

Vertreter von Bayer hätten vor kurzem Mitglieder der Geschäftsführung der Monsanto Company getroffen, um vertraulich über eine einvernehmliche Übernahme des Saatgutspezialisten zu sprechen, teilte Bayer mit. Monsanto teilte mit, man habe einen unverbindlichen Vorschlag für eine Übernahme von Bayer erhalten. Diesen werde man mit Beratern der US-Banken Morgan Stanley, Ducera Partners und der New Yorker Kanzlei Wachtell, Lipton, Rosen & Katz nun prüfen. Ob und unter welchen Bedingungen Monsanto bereit wäre, eine solche Offerte anzunehmen, lässt der US-Konzern offen.

Der neue Bayer-Chef Werner Baumann, der erst Ende April die Führung in Leverkusen übernommen hat, demonstriert mit dem Vorstoß unterdessen, dass er zu größeren Schritten bereit ist. Eine Übernahme von Monsanto wäre für Bayer der mit Abstand größte Firmenzukauf in der Geschichte des Unternehmens. Monsanto wird derzeit mit rund 42 Milliarden Dollar bewertet. Bayer müsste im Falle einer Übernahme aber vermutlich um die 60 Milliarden Dollar (rund 53 Milliarden Euro) bieten. Die bisher größte Akquisition von Bayer war die Übernahme von Schering für rund 17 Milliarden Euro im Jahr 2006.

Eine Übernahme von Monsanto würde Bayer zum unangefochtenen Marktführer sowohl im Pflanzenschutz- als auch im Saatgutgeschäft machen. Die Sparte Crop Science würde von derzeit 10,4 auf rund 24 Milliarden Euro Umsatz expandieren und damit zum größten Teilbereich des Bayer-Konzerns.

Dieser Zusammenschluss, teilte Bayer mit, würde den Konzern „als globales, innovationsgetriebenes Life-Science-Unternehmen mit Spitzenpositionen in seinen Kerngeschäften stärken und ein führendes integriertes Agrargeschäft schaffen.“ Zur möglichen Finanzierung machte der Konzern keine Angaben.

An der Frankfurter Börse gaben die Bayer-Aktien im frühen Handel um mehr als drei Prozent nach. Sie hatten in der vergangenen Woche bereits unter Druck gestanden, nachdem erste Gerüchte über den Deal aufgekommen waren.

Monsanto erzielte zuletzt rund 15 Milliarden Dollar Umsatz, 3,5 Milliarden Dollar Betriebsgewinn und 2,3 Milliarden Dollar Reingewinn. Vom Gesamtumsatz entfielen 10,2 Milliarden Dollar - also rund zwei Drittel - auf Saatgut. Das US-Unternehmen ist dank seiner umfangreichen Gentechnik-Forschung der weltweit führende Produzent von Saatgut. Dagegen sind die US-Amerikaner im Pflanzenschutzgeschäft nur mit einem Produkt, dem weit verbreiteten Herbizid Glyphosat, vertreten.

Wie alle Agrochemieanbieter wird auch Monsanto derzeit von einer schwachen Konjunktur auf den Agrarmärkten gebremst. Für das Geschäftsjahr 2016, das Ende August endet, zeichnet sich ein kräftiger Umsatz- und Gewinnrückgang ab. In den sechs Monaten bis Ende Februar 2016 verbuchte der Konzern einen Rückgang seiner Erlöse um 16 Prozent, der Betriebsgewinn hat sich im gleichen Zeitraum nahezu halbiert auf knapp 1,4 Milliarden Dollar.

Auch die anderen Agrochemiekonzerne werden derzeit von der Flaute auf den Agrarmärkten gebremst. Diese Schwäche auf dem Markt, aber auch die wachsenden Anforderungen an die Produktentwicklung treiben den Konsolidierungstrend in der Branche. Dabei ist sie ohnehin schon stark konzentriert, mit nur noch sechs großen, global tätigen Anbietern.

Den konkreten Anstoß für die jüngste Übernahmewelle gab Monsanto selbst im vergangenen Sommer mit dem vergeblichen Versuch, die Schweizer Syngenta zu übernehmen. Anfang Dezember einigten sich die US-Chemieriesen Dow Chemical und Dupont auf eine Fusion unter Gleichen, unter anderem mit dem Ziel, einen neuen Marktführer im Agrochemiegeschäft zu schaffen. Wenige Wochen später willigte Syngenta in eine Übernahme durch den chinesischen Chemiekonzern Chemchina für rund 43 Milliarden Dollar ein.


Bayer ist im Saatgut-Geschäft noch ein kleiner Akteur

Seither spekulieren Branchenkenner heftig darüber, dass nun auch Bayer und BASF im Konsolidierungswettlauf nachziehen müssten. Und zumindest der BASF-Konzern hatte indirekt auch bereits signalisiert, dass er grundsätzlich auch für größere Zukäufe im Agrobereich bereit wäre. Nach Branchen-Informationen bemühte sich der Ludwigshafener Konzern ebenfalls um einen Deal mit Syngenta, wurde dabei aber von Chemchina übertrumpft.

Gleichzeitig bekräftigte BASF-Chef Kurt Bock aber auch wiederholt, dass man nicht bereit sei, überzogene Preise für Zukäufe zu zahlen. „Wir schauen uns viele Dinge an, aber wir rechnen eben auch sehr spitz“, sagte er im Interview mit dem Handelsblatt.

Nach dem Zusammenschluss von Dow und Dupont ist BASF mit umgerechnet 6,5 Milliarden Dollar Umsatz der mit Abstand kleinste unter den dann noch fünf führenden Agrochemie-Akteuren. Aus Sicht von BASF-Chef Bock resultiert daraus aber kein Wettbewerbsnachteil. „Man braucht sicher eine Mindestgröße in dem Bereich. Die haben wir aber auf jeden Fall“, argumentiert er. Das BASF-Pflanzenschutzgeschäft sei eines der besten der Branche im Hinblick auf Ertragskraft, Wachstum und Innovationspipeline.

Bei Bayer besteht im Grunde noch geringerer Expansionsdruck als bei BASF. Denn die Agrochemiesparte der Leverkusener liegt mit 11,5 Milliarden Dollar Umsatz nicht weit hinter dem Branchenzweiten Syngenta. Im reinen Pflanzenschutzgeschäft agiert Bayer sogar mit den Schweizern gleichauf als Marktführer. Im Saatgut-Geschäft ist Bayer mit umgerechnet etwa 1,4 Milliarden Dollar Umsatz allerdings nur ein kleinerer Akteur

Spartenchef Liam Condon hatte noch vor wenigen Monaten im Interview mit dem Handelsblatt Interesse an einem Ausbau des Saatgutbereichs signalisiert. „Wenn sich Gelegenheiten für eine externe Verstärkung ergeben, werden wir diese mit Sicherheit prüfen“, sagte er.

Finanziell wäre eine Übernahme von Monsanto für Bayer indessen ein enormer Kraftakt, der die Verschuldung auf fast 70 Milliarden Euro treiben würde. Um das zu vermeiden, müsste der Konzern entweder eine sehr große Kapitalerhöhung durchziehen oder Teile des übrigen Geschäfts verkaufen. Etwa sieben Milliarden Euro Schulden könnte er durch den Verkauf der restlichen Anteile am Kunststoffhersteller Covestro abwerfen, der seit dem vergangenen Herbst bereits an der Börse notiert ist.

Ein weiterer Kandidat für eine Devestition wäre die relativ kleine Sparte Tiermedizin, die bei der jüngsten Neuordnung des Konzerns als eigenständiger Bereich außen vor blieb. Darüber hinaus müsste Bayer aber womöglich auch Teile des Pharmageschäfts devestieren.

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