Bayer vor der Aufspaltung Die zwei Wege des Pharmakonzerns

Bayer-Chef Marijn Dekkers kappt Bayer von seiner Wurzel, der Konzern wird aufgespalten. Ein Selbstläufer wird der Börsengang der Chemiesparte aber nicht. Den Aktionären wird Dekkers die mauen Geschäfte erklären müssen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Bayer-Chef Marijn Dekkers. Quelle: REUTERS

Der Countdown läuft. Das merkt jeder, der in diesen Tagen das Foyer des Bayer-Konzerns in Leverkusen betritt. Zuerst flimmerte über die elektronische Nachrichtenanzeige an den Aufzügen, dass die Struktur für die Ausgliederung der Chemiesparte bald steht. Ein paar Tage später erfuhren Besucher, dass rund 1000 Mitarbeiter in das neue Unternehmen wechseln. Und demnächst wird über die digitalen Info-Leisten laufen, wie die künftige Gesellschaft heißen soll.

Am 27. Mai sollen die Bayer-Aktionäre auf der Hauptversammlung über die Trennung debattieren. Die ist eine historische Zäsur für den wertvollsten Konzern Deutschlands, der an der Börse sportliche 113 Milliarden Euro auf die Waage bringt. Vorstandschef Marijn Dekkers kappt Bayer endgültig von seiner Wurzel, der Chemie, die vor 151 Jahren mit der Herstellung von Teerfarben in Wuppertal-Barmen ihren Anfang nahm.

Wer bei Bayer für Gewinn sorgt

Bis Mitte 2016 soll die Sparte, die heute die Produktion von Kunststoffen und Chemikalien umfasst und bisher als Bayer Material Science (BMS) firmierte, an die Börse gehen. Damit stößt Dekkers rund ein Viertel des Konzernumsatzes von bisher gut 42 Milliarden Euro ab, um sich künftig nur noch dem Geschäft mit Arznei- und Pflanzenschutzmitteln zu widmen. Die Chemie soll dann auf sich allein gestellt klarkommen, als Nummer drei hierzulande, hinter BASF und Evonik.

Für Dekkers ist das ein Höhepunkt seiner Karriere. Der 57-jährige Niederländer, der 2016 aufhört, könnte durch den Abschied von der Chemie mehr als zehn Milliarden Euro einnehmen. Es wäre der größte Börsengang seit der Privatisierung der Telekom in den Neunzigerjahren. „Wir wollen zwei globale Top-Unternehmen in ihren jeweiligen Branchen schaffen“, wirbt er für die verstoßene Tochter, „Bayer Material Science ist sowohl im Markt als auch technologisch sehr gut aufgestellt.“

Überkapazität und Preisdruck

Über Risiken und Nebenwirkungen, die mit der Wandlung zum Pharmakonzern verbunden sind, redet Dekkers eher weniger. Denn so glanzvoll, wie der Chef es darstellt, steht die Chemiesparte von Bayer nicht da. Ob der geplante Börsengang tatsächlich stattfindet und ein Erfolg wird, ist deshalb nicht ausgemacht. Ein großer Teil der Trennmasse leidet unter hohen Kosten, Überkapazitäten und Preisdruck im Markt.

Investoren und Beschäftigte haben bisher mit Abspaltungen von Chemiesparten nicht die allerbesten Erfahrungen gemacht. Die Zerschlagung des Frankfurter Pharma- und Chemiekonzerns Hoechst um die Jahrtausendwende, exekutiert vom damaligen Konzernchef Jürgen Dormann, der eigentlich den Wert für Aktionäre mehren wollte, endete im Desaster. Die Pharmasparte wurde zunächst durch den französischen Partner Rhône-Poulenc sauer gefahren und landete schließlich bei Sanofi. Heute ist sie nur noch ein Anhängsel des Pariser Konzerns. Die Chemiesparte verkaufte Dormann überwiegend ins Ausland, es folgten Stellenabbau und Kursverluste.

Auch die Abtrennung der Chemiesparte des Düsseldorfer Waschmittelkonzerns Henkel 2001 ging als dunkles Kapitel in die Geschichte der Branche ein. Die neuen Eigentümer, die Finanzinvestoren Permira und Goldman Sachs, zehrten das neue Unternehmen namens Cognis mit hohen Schulden sowie Sonderausschüttungen aus und verkauften es schließlich 2010 an BASF.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%