Bayer will Monsanto "Der Deal gelingt"

Aufsichtsratschef Werner Wenning verteidigt die Monsanto-Übernahme und plant mittelfristig neue Pharmazukäufe. Außerdem: Warum er sich drei Dax-Konzerne aus Leverkusen vorstellen kann und an die Deutsche Bank glaubt.

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Bayer und Monsanto: Werner Wenning über die Übernahme. Quelle: imago images

Der Weg zu Werner Wenning führt an Marmorsäulen, Reliefs und Büsten vorbei, über allem wacht die Siegesgöttin Nike. Der Aufsichtsratschef des Bayer-Konzerns empfängt in einem historischen Gebäude aus dem Jahr 1912. In einem modernen Glasbau gegenüber residiert der Vorstand, den Wenning selbst von 2002 bis 2010 geführt hat. Den aktuellen Chef Werner Baumann hat er gefördert, seit sich beide in den Neunzigerjahren in der Bayer-Niederlassung in Barcelona kennenlernten. Bei der umstrittenen 66-Milliarden-Dollar-Übernahme des US-Saatgutkonzerns Monsanto hat Wenning seinem Zögling den Rücken frei gehalten und selbst mit verhandelt.

Seit Jahren gilt der 69-Jährige als einer der wichtigsten Strippenzieher der deutschen Wirtschaft. Außer bei Bayer sitzt er auch in den Kontrollgremien von Siemens und Henkel. Bis zum Frühjahr leitete er den Aufsichtsrat des Energiekonzerns E.On, auch bei der Deutschen Bank war er Mitglied des Gremiums. Zudem überwacht Wenning den Fußballverein Bayer 04 Leverkusen. In seinem Büro bewahrt er eine Meisterschale auf, natürlich eine Nachbildung, denn für den ersten Platz in der Bundesliga hat es noch nie gereicht. Der Topmanager würde gerne über Fußball reden, doch es gibt ernstere Themen.

Herr Wenning, wir haben Reaktionen von Bayer-Mitarbeitern auf die Monsanto-Übernahme mitgebracht. Wollen Sie die hören?
Gerne.

Die größten Chemiekonzerne der Welt
Platz 10 - PPG Industries (USA) Quelle: AP
Linde Quelle: dpa
Platz 8: Air Liquide (Frankreich) Die Erfindung von flüssiger Luft legte den Grundstein für einen Weltkonzern. Im vergangenen Jahr kam der französische Chemieriese auf einen Umsatz von 19,08 Milliarden Dollar. Quelle: obs
Platz 7: Henkel (Deutschland)Weltweit ist der Düsseldorfer Konzern bekannt für seine Marken Persil, Pril oder Pritt. Mit einem Umsatz von 19,69 Milliarden Dollar spielt der Dax-Konzern auch unter den internationalen Chemieriesen vorne mit. Quelle: dpa
Platz 6: Dupont (USA)Der komplette Name des amerikanischen Chemieriesens lautet „E I Du Pont de Nemours“. Das geht zurück auf die französischen Gründer, die in die USA emigriert waren und dort 1802 begannen, Sprengstoffe zu produzieren. Heute macht das Unternehmen in über 80 Ländern weltweit einen Umsatz von insgesamt 24,6 Milliarden Dollar. 2017 erfolgte die Fusion mit dem Rivalen Dow Chemical zum größten Chemiekonzern der Welt. Quelle: dpa
LyondellBasell Industries (Niederlande) Quelle: REUTERS
Platz 4 - Saudi Basic Industries (Saudi-Arabien) Quelle: SABIC

„Wir legen uns mit dem Teufel ins Bett“, „Das passt nicht zusammen“, „Wir gefährden unsere Reputation“. Was kommt davon bei Ihnen an?
Das spiegelt nicht die Stimmung bei Bayer wider. Nachdem der Vorstand die Transaktion eingehend erläutern konnte, hat die Übernahme bei den Mitarbeitern sehr viel Zustimmung erfahren. Das bestätigen auch unsere Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, die das Ohr ja dicht an der Belegschaft haben. Natürlich gibt es kritische Fragen, wie bei anderen Transaktionen auch. Diesen Dialog führen wir selbstverständlich.

Ihre Aktionäre haben schon ein eindeutiges Urteil gefällt: Seit sich Bayer und Monsanto geeinigt haben, sinkt der Aktienkurs weiter.
Sicherlich sind einige Investoren, die in Bayer nur einen Pharmawert sahen, ausgestiegen. Gleichzeitig erhalten wir von vielen aber positives Feedback. Tatsache ist, dass die Transaktion vermutlich erst Ende 2017 abgeschlossen werden kann. Das ist für viele Investoren eine lange Zeit. Einige denken möglicherweise auch, dass die Kartellbehörden die Übernahme skeptisch sehen könnten, und warten lieber ab. Das beunruhigt mich aber überhaupt nicht.

Die Kartellbehörden könnten den Deal noch stoppen. Was machen Sie dann?
Ich bin davon überzeugt, dass der Deal gelingt. Von einem anderen Szenario gehe ich nicht aus.

Haben Sie als Aufsichtsratschef keinen Plan B von Ihrem Vorstand verlangt?
Wir haben die gesamte Transaktion sehr intensiv geprüft. Bei den Produkten von Bayer und Monsanto gibt es wenige Überschneidungen, und regional ergänzen sich beide Unternehmen gut. Wir gehen davon aus, dass wir unseren Plan umsetzen.

Umweltverbände laufen gegen die Übernahme Sturm. Stört Sie das überhaupt nicht?
Nur, wenn es unsachlich wird. Natürlich setzt sich Bayer intensiv mit kritischen Stimmen auseinander und führt einen intensiven Dialog. Aber die Fakten sind doch klar: Die Weltbevölkerung nimmt bis 2050 von sieben auf zehn Milliarden Menschen zu, die weltweite Ackerfläche wird nicht mehr weiter zunehmen. Also muss die Produktivität steigen. Dafür wollen wir mit innovativen Produkten sorgen.

"In den nächsten Jahren vor allem Schulden zurückzahlen"

Sie wollen die Märkte mit chemischen Pestiziden und Gensaatgut überfluten?
Das ist doch Unsinn. Die Märkte etwa in den USA, Indien, China, Brasilien, Argentinien und Europa sind unterschiedlich. Bayer hat biologische, chemische und gentechnisch veränderte Produkte im Angebot – und bietet digitale Lösungen an, die den Bauern helfen, die richtigen Entscheidungen bei Aussaat und Ernte zu treffen. Bayer wird jeweils nur das anbieten, was gesellschaftlich gewollt ist. Dazu wird das Unternehmen auch weiterhin in erheblichem Umfang in Forschung und Entwicklung investieren.

Der Saatgutkonzern Monsanto

Der Geschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor sagt, es bringe mehr, auf die Kompetenz der Kleinbauern in Entwicklungsländern zu setzen als auf die Hightechlösungen der Agrarkonzerne. Was sagt der Katholik Wenning?
Ich zahle ja auch Kirchensteuer und unterstütze gerne Misereor, die hervorragende Arbeit leisten. Ich kann aber nicht erkennen, wie wir ohne Innovationen die wachsende Weltbevölkerung angemessen versorgen können.

Monsanto-Chef Hugh Grant hat gepokert und Bayer zu immer höheren Geboten getrieben. Hat er Sie über den Tisch gezogen?
Ach, was. Wer hätte denn vorher gedacht, dass wir zu einem Preis von weniger als 130 Dollar je Aktie abschließen? Wir haben uns nach intensiven Verhandlungen auf 128 Dollar geeinigt. Das ist gut für Bayer – und es ist gut für die Aktionäre von Monsanto. Herrn Grant habe ich als fairen Verhandlungspartner kennengelernt, der seine Interessen mit allem Nachdruck verteidigt. Sicherlich hätte er es lieber umgekehrt gesehen und unser Agrargeschäft übernommen. Aber so ist es nun mal nicht gekommen. Dass es zwischen Bayer und Monsanto stimmt, können Sie zum Beispiel daran erkennen, dass Monsanto am Tag nach der Verkündung noch ein Treffen in St. Louis mit wichtigen Entscheidungsträgern aus der Region organisiert hat.

Bayer lenkt alle Kraft auf das Agrargeschäft. Dabei hat der Konzern zuletzt unter Vorstandschef Marijn Dekkers vor allem auf den Bereich Gesundheit gesetzt. Nun fürchten viele Pharmamitarbeiter, dass bei ihnen gespart wird. Was sagen Sie denen?
Die Befürchtungen sind falsch. Die Pharmasparte läuft hervorragend. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung wurden sogar erhöht. Und sechs Produktkandidaten, die in der fortgeschrittenen klinischen Entwicklung sind, könnten ein jährliches Spitzenumsatzpotenzial von mindestens sechs Milliarden Euro erreichen.

Diese Deals schrieben Geschichte
Bayer kauft Monsanto Quelle: REUTERS
Platz 10: Royal Dutch kauft Shell Transport & Trading Quelle: dpa
Platz 9: Exxon kauft Mobil Quelle: AP
Platz 9: Exxon kauft Mobil Quelle: REUTERS
Platz 8: AT&T kauft Bell South Quelle: REUTERS
Platz 7: Pfizer kauft Warner-Lambert Quelle: AP
Platz 7: Pfizer kauft Warner-Lambert Quelle: AP

Aber derzeit stehen doch Teile des Dermatologiegeschäfts und die Radiologie zum Verkauf, beim Augenmittel Eylea werden Stellen gestrichen. Also wird doch gekürzt?
Solche Spekulationen kommentiere ich grundsätzlich nicht. Klar ist aber, dass zur Finanzierung der geplanten Übernahme keine Verkäufe oder sonstigen Anpassungen notwendig sind.

Trotzdem muss Bayer nun die 66 Milliarden Dollar für Monsanto aufbringen und kann sich keine weiteren Zukäufe leisten. Sie könnten den Anschluss im Pharmageschäft verlieren.
Bayer kann im Gesundheitsgeschäft durchaus über ergänzende Zukäufe reden – aber natürlich nicht im zweistelligen Milliardenbereich. In den nächsten Jahren geht es für Bayer vor allem darum, die Schulden zurückzuzahlen. Danach ist das Unternehmen finanziell ganz anders aufgestellt und kann auch im Gesundheitsgeschäft wieder aktiv akquirieren.

Wollen Sie Monsanto auch übernehmen, um nicht zu abhängig vom risikoreichen Pharmageschäft zu werden? Vor Jahren, als Sie Vorstandschef waren, hat das Desaster um den Cholesterinsenker Lipobay Bayer an den Rand des Abgrunds gebracht.
Hinter der Monsanto-Übernahme steckt sicher nicht die Angst, zu abhängig von Pharma zu werden. Lipobay ist lange her. Der Fall hat aber sicherlich Entscheidungen beschleunigt, die wir bei Bayer ohnehin fällen mussten.

"Das Wort Zerstörer stört mich"

Seit Ihrer Zeit als Bayer-Chef befindet sich der Konzern im Dauerumbau. Sie haben die Lanxess-Chemie abgespalten, später als Aufsichtsratsvorsitzender noch Covestro ausgegliedert. Müssen Manager heute kreative Zerstörer sein?
Das Wort Zerstörer stört mich. Die Lanxess-Entscheidung war notwendig, weil sich die Chemiemärkte verändert haben. Aber wir haben nichts zerstört, sondern sehr erfolgreich neue Unternehmen gegründet. Das gilt für Lanxess ebenso wie für Covestro. Warum soll es nicht eines Tages drei Dax-Konzerne geben, die in Leverkusen beheimatet sind oder dort ihren Ursprung haben?

Aufsichtsratschef Werner Wenning im Interview mit WirtschaftsWoche:

Haben Sie in jüngster Zeit Deutsche-Bank-Aktien gekauft, so wie Ihr BASF-Aufsichtsratskollege Jürgen Hambrecht, der damit seine Unterstützung signalisieren wollte?
Nein. Aber nicht, weil ich Zweifel an der Deutschen Bank habe. Meine Geldanlage ist anders ausgerichtet.

Sie haben dort lange im Aufsichtsrat gesessen. Schafft die Bank noch die Wende?
Ich bin fest davon überzeugt, dass die Bank diese schwierige Situation meistern wird. Deutschland ist eine der größten Volkswirtschaften der Welt, wir sind Exportweltmeister. Die deutsche Wirtschaft braucht die Deutsche Bank.

Sie waren seinerzeit überzeugt, dass der Kulturwandel unter den damaligen Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen gelingt. Müssen Sie Ihre Einschätzung revidieren?
Was beide angestoßen haben, ging in die richtige Richtung. Doch es kamen immer neue Rechtsfälle dazu.

Warum haben Sie im Frühjahr den Aufsichtsratsvorsitz bei E.On abgegeben? Weil die Übernahme von Monsanto absehbar war?
Das war nicht ausschlaggebend. Für mich waren drei Dinge entscheidend: Mit der Aufspaltung von E.On war eine wesentliche Phase abgeschlossen. In dem früheren Merck-Chef Karl-Ludwig Kley wurde ein sehr guter Nachfolger gefunden. Und ich werde in wenigen Tagen 70 Jahre alt. Da habe ich dann schon überlegt, ob ich weiter so aktiv sein möchte. Die Aufgabe des Aufsichtsratsvorsitzenden ist auch eine große zeitliche Herausforderung.

Die Aktien der Agrarchemie-Riesen

Stehen Sie denn noch für den Aufsichtsratsvorsitz bei Siemens zur Verfügung ? Entsprechende Gerüchte gab es im Frühjahr.
Nein. Ich bleibe dort Aufsichtsratsmitglied. Die drei Mandate, die ich habe – neben Bayer und Siemens noch bei Henkel – mache ich gern. Das füllt mich auch angemessen aus.

Also gilt künftig das Versprechen, das Sie Ihrer Frau schon 2010 gegeben haben – künftig nur noch vier Tage in der Woche zu arbeiten?
Das Versprechen gilt. Meine Frau weiß, dass ich gerne arbeite, und hat mir das mit den vier Tagen nicht so ganz geglaubt. In der Vergangenheit hat sie damit leider recht behalten.

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