Berlin Fashion Week „Berlin spielt noch nicht die Rolle wie Paris oder Mailand“

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„Die Branchenriesen sorgen für enormen Druck“

Druck kommt aber nicht nur von unten durch die vertikalen Anbieter, sondern auch von oben durch die Luxus-Konglomerate wie Kering oder LVMH?
Ja, die Riesen sorgen für enormen Druck. Wir haben eine Situation, in der sehr viele der großen Labels stark Marketing-getrieben sind. Diese geben auch in Richtung Handel sehr klar vor, welche Auftragsvolumina sie von den Händlern erwarten. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite gibt es kleine wendige Label, die genauso modern sind, aber gegen die großen ankämpfen müssen. Das sorgt für eine Polarisierung in diesem Markt. Kluge Händler investieren bewusst in kleinere Labels, weil sie einerseits die Superbrands brauchen, sich aber andererseits über kleine Labels vom Wettbewerb unterscheiden können. Am Ende sind es die guten und informierten Einzelhändler, die überleben. Wichtig ist aber auch: Kein Händler schaut danach, ob es sich um ein deutsches Label handelt. Das alleine ist kein Argument. Wichtig ist, ob das Produkt an sich Potenzial hat oder nicht.

Wie entwickelt sich Odeeh?
Wir kommen stetig voran. Ausgehend von unseren Kernmärkten in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben wir mittlerweile 170 Händler, die unsere Produkte verkaufen. Wir sind in hohem Maße eigenfinanziert und nutzen die Tatsache, dass wir noch klein sind, um schnell zu sein und eine Dynamik zu entwickeln, die große Unternehmen oft gar nicht mehr liefern können.

Escada, Strenesse, Bogner – welche von diesen Marken haben das Zeug auch für ein internationales Comeback?
Das Potenzial ist da, aber man muss heute radikaler sein in dem, was man tut. Sehr viele Marken versuchen, sich in kleinen Schrittchen zu ändern. Das funktioniert aus unserer Sicht nicht. Sie müssen heute auf den Reset-Knopf drücken und sagen: Ich schaue mir meine Vergangenheit zwar an, aber ich vergesse auch einen großen Teil davon, um zu schauen, wie Dinge heute funktionieren. Der Markt funktioniert heute anders. Die guten Händler sind heute wahnsinnig informiert, die glauben Ihnen nichts mehr unbesehen, nur weil Sie Escada heißen. Stattdessen müssen sie sich stets aufs Neue mit ihrem Produkt beweisen. Hier sehe ich etwa bei Bogner mit Andreas Baumgärtner als Kreativchef ein großes Potenzial, sich zu vitalisieren; Escada hat gerade einen neuen Chefdesigner engagiert. Auch Strenesse hat sicherlich noch Potenzial. Aber grundsätzlich liegt der Schlüssel darin, nicht allzu respektvoll auf die eigene DNA zu starren, sondern die Marken radikal neu zu denken. Denn klar ist: Labels, die gerade neu starten, profitieren mitunter viel stärker von ihrer Frische als die alten, die versuchen, wieder einen auf frisch zu machen.   

Hätte Bogner nicht das Potenzial, ein deutsches Ralph Lauren zu sein?
Das sehe ich auch so -  Bogner ist immerhin eine der ganz wenigen Marken aus Deutschland, die eine echte Heritage haben, ein Erbe. In den USA heißen bestimmte Skihosen heute noch „The Bogners“. Wenn man so etwas geschafft hat, muss man schon einiges richtig gemacht haben. Ein solcher Kern ist Gold wert, wenn man ihn zu nutzen versteht.

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