WirtschaftsWoche: Herr Murkudis, in Berlin startet die Fashion Week – welche Schauen werden Sie sich ansehen, um womöglich neue Label für ihren Laden zu entdecken?
Andreas Murkudis: Um ehrlich zu sein, werde ich gar nicht hingehen. Das liegt aber vor allem daran, dass ich die interessanten Label tatsächlich bereits kenne und zum Teil bereits im Laden selbst schon verkaufe. Darüber hinaus weitere Marken neu aufzunehmen, ist schwierig. Denn wir führen bereits jetzt 300 Label und viel mehr sollten es eigentlich nicht werden. Denn am Ende muss der Mix ja auch stimmen und sich für uns rechnen zwischen der einen Hälfte, die aus bekannteren Marken besteht, und der anderen, die noch dabei sind, sich einen Namen zu machen. Wobei das gerade in Deutschland für viele junge Kreative ein Riesenproblem ist.
Zur Person
Andreas Murkudis ist ausgewiesener Design- und Mode-Experte und betreibt in Berlin zwei Concept Stores mit einem Mix bekannter und neuer Marken. Außerdem ist er ehemaliger Geschäftsführer des "Museums der Dinge".
Warum?
Deutschland weiß seine Designer nicht wirklich zu schätzen; sie werden teilweise im eigenen Land nicht ausreichend wahrgenommen. Dabei gibt es unzählige Berliner Talente, aber sie werden kaum unterstützt. Es gibt aus meiner Sicht kein vernünftiges Konstrukt, um ihnen beispielsweise mit einer Anschubfinanzierung erste Kollektionen oder Schauen zu ermöglichen. Außerdem haben wir das Problem, dass es so gut wie keine Produktionsmöglichkeiten im Berliner Umland gibt. Wenn junge Designer aber in die Türkei oder nach Portugal ausweichen wollen, werden größere Stückzahlen verlangt. Wer daher in Deutschland etwas schaffen will, muss sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen.
Woran fehlt es?
Die Fördermöglichkeiten, die etwa Berlin ins Leben gerufen hat, greifen zu kurz. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Wenn ich mir überlege, wieviel Geld an Steuereinnahmen Messen wie die Bread & Butter oder die Premium der Stadt über die Jahre beschert haben dürften, dann verstehe ich nicht, warum Berlin davon nicht einen deutlich größeren Teil wieder in die Talentförderung gesteckt hat. Denn gute Ideen zu haben und kreativ zu sein allein, das reicht eben nicht.
Weil Kollektionen Geld kosten?
Ja – wer es wirklich aus der Nische heraus schaffen und von seinen Entwürfen leben will, hat ein Problem: groß zu werden kostet sehr viel Geld. Stellen Sie sich vor, eine Marke bekommt nach der Messe Bestellungen von vielleicht 100 Läden und jeder von denen bestellt jetzt 150 Teile. Ohne ausreichend Kapital im Hintergrund wird es nun sehr schwer, diese 15000 Teile zu produzieren. Es kann mehr als nur Nerven kosten, anschließend von der Hoffnung zu leben, dass die auch alle rechtzeitig bezahlt werden. Wenn das nämlich nicht geschieht, kann ihnen das das Genick brechen.
„Da stehen nur die üblichen C-Prominenten“
Nun wird wahrscheinlich nicht jeder, der in Berlin seine Kollektionen zeigt, gleich 100 Kunden finden…
…nein, schon allein deshalb nicht, weil die Fashion Week doch in Wahrheit unter Ausschluss der relevanten Öffentlichkeit stattfindet. Die Einkäufer der wichtigen, internationalen Modekaufhäuser sind nun mal zu der Zeit in Paris unterwegs und nicht in Berlin.
Dafür herrscht aber stets ein ziemlicher Auflauf?
Wenn man aber genauer hinschaut, dann stehen dort eh nur die üblichen C-Prominenten herum und trinken Champagner – für die Designer aber kommt nicht viel Geschäft dabei heraus. Für viele heißt es bloß: Außer Spesen nichts gewesen. Die Designer kratzen mitunter ihre Ersparnisse und die ihrer Freunde und Verwandten zusammen, um überhaupt eine Schau stemmen zu können. Und da hilft es ihnen nun einmal nicht weiter, wenn dann am Laufsteg in der ersten Reihe irgendwelche Darsteller aus Vorabendserien sitzen, die das alles gar nicht wirklich interessiert. Das fördert doch nur den Eindruck, dass Kreative hier vor den PR-Karren gespannt werden für große Marken. Sie sind die Hofnarren, die für den Spaß sorgen. Und am Ende wird das Buffet abgebaut, und sie stehen traurig vor den Resten.
Immerhin gibt es in Deutschland aber große Textilunternehmen – tun die nicht genug für den Nachwuchs?
Nein, tun sie nicht. Sie könnten ja jungen Kreativen eine Chance geben, indem sie sie für sich arbeiten und sie nebenbei noch ihre eigenen Projekte verwirklichen ließen. Das geschieht aber nicht. Stattdessen hat man den Eindruck, dass diese Unternehmen gar keine Designer wollen, sondern eher Produktmanager, die immer noch mehr vom gleichen herstellen. Das wird aber in Zukunft nicht mehr reichen, um sich vom Wettbewerb abzusetzen. Und der wird immer härter.
Wie oft kommt es denn bei Ihnen vor, dass sich ein Kunde tatsächlich für die Hose von der unbekannten Marke entscheidet?
Das stimmt schon – auch der Kunde, der 400 Euro für eine Hose ausgeben kann oder 2000 Euro für einen Blazer wird sich in den meisten Fällen wohl eher für die bekanntere Marke entscheiden. Gerade in Deutschland spüren Kunden doch noch immer den Druck, sich rechtfertigen zu müssen, wenn sie für so etwas scheinbar Vergängliches wie Mode Geld ausgeben. Das steckt bei den meisten leider so drin. Und wenn jemand schon Geld ausgibt, dann will er auch auf Nummer sicher gehen und kauft zumindest den Distinktionsgewinn mit ein.
Fällt es bei anderen Dingen denn leichter?
Ja klar, bei Uhren oder Autos ist das anders. Hier gibt es einen rationalen Grund, hier liefert beispielsweise neue Technologie das Argument, mit dem der Kunde die Anschaffung auch vor sich selbst rechtfertigen kann. Bei Autos und Küchen wird selten über den Preis diskutiert. Bei Mode schon. Dabei haben die deutschen Verbraucher ausreichend Geld gespart – sie bringen es nur so ungern in Umlauf.