Problematisch wird es besonders dann, wenn die nachträglichen Änderungen durch bessere Planung vermeidbar gewesen wären. „Die Ursachen für die aktuellen Rüstungsprobleme stammen aus einer Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges, in der es offenbar egal war, wie lange etwas dauert“, sagte SPD-Sicherheitsexperte und Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels im Interview mit WirtschaftsWoche Online. Das wird sich in Zukunft keine Regierung Europas mehr leisten können – gerade nicht auf dem sich schnell entwickelnden Drohnen-Markt.
4. Verzichtet auf nationale Extrawünsche
Braucht die Bundeswehr mehr Geld?
Die Bundesregierung hat bisher nicht vor, die Finanzmittel für die Bundeswehr wesentlich aufzustocken. Im Haushaltsplan für 2015 gehört der Verteidigungsetat zu den wenigen Posten, bei denen gekürzt wurde - wenn auch nur um 0,5 Prozent. Bis 2018 ist eine leichte Steigerung von 32,3 auf 36,86 Milliarden Euro vorgesehen. Angesichts der Ausrüstungslücken bei der Bundeswehr wird jetzt der Ruf nach einer deutlich stärkeren Erhöhung lauter. Was spricht dafür und was dagegen?
Quelle: dpa
Deutschland will mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Bei den Verteidigungsausgaben liegt es aber weit hinter den wichtigsten Nato-Partnern zurück. Während der Bundesregierung Armee und Ausrüstung nur 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wert sind, investieren die USA 4,4 Prozent in ihr Militär, Großbritannien 2,4 Prozent und Frankreich 1,9 Prozent. Erklärtes Nato-Ziel ist es, zwei Prozent des BIP für die Verteidigung auszugeben. Das bekräftigte das Bündnis auch bei seinem Gipfeltreffen in Wales Anfang September - mit dem Einverständnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Zumindest bei der Beschaffung von Ersatzteilen gibt es eine Finanzlücke. Die Mittel dafür wurden 2010 gekürzt. Militärs beklagen, dass die Bundeswehr heute noch darunter zu leiden hat.
Auf die Bundeswehr kommen immer wieder neue Aufgaben hinzu. Die Nato will ihre Reaktionsfähigkeit im Krisenfall verbessern. Der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus wird möglicherweise noch Jahre dauern. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat den Vereinten Nationen auch ein stärkeres Engagement Deutschlands bei Blauhelmeinsätzen in Aussicht gestellt. Das alles geht nicht ohne modernes, robustes und gut gepflegtes Material.
Die Bundeswehrreform wurde nach dem Prinzip „Breite vor Tiefe“ entworfen. Das heißt: Die Truppe soll alles können und braucht dafür in jedem Bereich die entsprechende Ausrüstung. Das kostet. Bleibt man bei diesem Prinzip, muss auch Geld dafür zur Verfügung gestellt werden.
Das Rüstungsproblem der Bundeswehr ist nicht in erster Linie ein finanzielles Problem, sondern ein Managementproblem. Das macht sich schon daran bemerkbar, dass im vergangenen Jahr insgesamt 1,5 Milliarden Euro des Verteidigungsetats gar nicht ausgeschöpft wurden.
Das Prinzip „Breite vor Tiefe“ widerspricht den Bestrebungen von Nato und EU, innerhalb der Bündnisse Aufgaben zu teilen. Diese Bemühungen kommen bisher allerdings nur schleppend voran. Man könnte sich stärker dafür einsetzen, um zu einem effizienteren Rüstungssektor zu kommen.
Je mehr verschiedene Militärgeräte es gibt und je geringer die Stückzahlen, desto größer ist auch der Wartungs-, Instandhaltungs- und Ausbildungsaufwand. Deswegen könnte eine stärkere Spezialisierung der Bundeswehr Kosten sparen.
Bei der Beschaffung neuer Rüstungsgüter kommt es regelmäßig zu Verzögerungen und Kostensteigerungen, denen man durch ein besseres Vertragsmanagement entgegenwirken kann. Nur einige Beispiele: Der Kampfhubschrauber „Tiger“ sollte im Dezember 2002 ausgeliefert werden. Daraus wurde Juli 2010. Auf den Transporthubschrauber NH90 musste die Bundeswehr sogar neun Jahre länger warten als ursprünglich vorgesehen. Die Kosten für die Fregatte 125 haben sich im Laufe der Entwicklung von 656 Millionen auf 758 Millionen Euro erhöht. Der Preis für ein Transportflugzeug A400M stieg wegen einer nachträglichen Reduzierung der Stückzahl von 124,79 auf 175,31 Millionen Euro.
Alle großen Rüstungsaufträge der vergangenen Jahre waren europäische Gemeinschaftsprojekte. Das ist sinnvoll: Entwicklungskosten können geteilt werden, für das fertige Gerät stehen gleich mehrere Abnehmer parat. Häufig haben die Regierungen aber eigene Interessen. Sie wollen die Gerätschaften für ein bestimmtes Einsatzszenario aufrüsten oder verlangen Nachbesserung, die für die Partnerländer wenig relevant sind. So unterscheiden sich etwa die deutsche und die französische Variante des Eurocopter Tiger bei der Bewaffnung.
Sicherheitsexperten empfehlen daher, sich bei einem Gemeinschaftsprojekt von vornherein auf eine Basis-Variante zu einigen und deren Entwicklung gemeinsam voranzutreiben. Anpassungen an nationale Anforderungen müsste der jeweilige Staat dann aus eigener Tasche zahlen.
5. Lasst Leute verhandeln, die etwas von der Materie verstehen
Was klingt wie eine Binsenweisheit, ist die vielleicht bitterste Lektion aus den vergangenen Rüstungsdebakeln. Als externe Prüfer der Unternehmensberatung KPMG im vergangenen Jahr ihren Prüfbericht zu den großen Rüstungsprojekten der Bundeswehr vorlegten, stellten sie der Industrie, aber vor allem den Bundeswehroberen und der Regierung ein vernichtendes Urteil aus.
„Dem Bund gelingt es häufig nicht, seine Kosten‐, Termin‐ und Leistungsziele gegenüber dem Auftragnehmer durchzusetzen“, heißt es wörtlich in dem Bericht. Diese würden häufig bereits bei Vertragsschluss nicht ausreichend verankert. Und weiter: „Der derzeitige Vertragsgestaltungsprozess lässt die parallele Verwendung zahlreicher, nur geringfügig angepasster, hierarchisch aufgebauter und aufeinander bezogener Musterverträge selbst bei großvolumigen und hochkomplexen Großprojekten zu. Dazu kommt der Verzicht auf die von Beginn an kontinuierliche Begleitung solcher Projekte durch erfahrene Juristen.“
Im Klartext: Die mächtige Rüstungsindustrie übervorteilt die staatlichen Auftraggeber, weil deren Vertreter unerfahren und in Detailfragen nicht sattelfest genug sind.