Bewaffnete Drohne für Europa Fünf Lektionen für eine brauchbare Euro-Drohne

Deutschland treibt mit anderen EU-Staaten die Entwicklung einer waffenfähigen Drohne voran. Was das Fluggerät leisten soll, wo die Fallstricke liegen und welche Lehren sich aus den Pannen der Vergangenheit ziehen lassen.

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Die US-Drohne Predator Quelle: imago images

Der Beschluss steht: Europa bekommt eine eigene bewaffnete Aufklärungsdrohne. Sie wird im Auftrag von Deutschland, Frankreich und Italien entwickelt. „Ziel der Eurodrohne ist, dass wir europäisch selber entscheiden, was wir aufklären, wo wir die Eurodrohne einsetzen und wie wir die Eurodrohne einsetzen“, sagte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Montag zur Unterzeichnung einer Absichtserklärung in Brüssel.

Damit ist der Startschuss für eines der wichtigsten, aber auch umstrittensten europäischen Rüstungsprojekte der kommenden Jahre gefallen. An der Entwicklung des unbemannten Fluggeräts werden unter der Führung von Airbus wohl auch die Unternehmen Dassault und Alenia Aermacchi beteiligt sein. Eine erste Studie soll bis Ende 2017 die grundsätzlichen Anforderungen an die Drohne ausloten. Die Kosten von rund 60 Millionen Euro wollen sich die drei Initiatoren teilen.

Insgesamt werden sich die Entwicklungskosten wohl auf mehr als eine Milliarde Euro belaufen, schätzen Experten. Dafür werden vergleichsweise schnell Ergebnisse erwartet: Spätestens 2025 soll die Drohne der Bundeswehr einsatzbereit zur Verfügung stehen - angeblich.

Die heißen Eisen unter den Rüstungsprojekten der Bundeswehr

Mit Blick auf die jüngsten Rüstungsprojekte ist Skepsis angesagt. Egal ob Panzer, Helikopter oder Flugzeug: Kaum etwas kam wie bestellt, das meiste viel zu spät und alles wurde deutlich teurer. Das lag nicht allein an den Versäumnissen der beteiligten Rüstungsunternehmen, sondern auch an den auftraggebenden Nationen. Fünf Lektionen, die die Regierung aus den Fehlern der Vergangenheit lernen kann:

1.      Überlegt gut, ob wirklich alles neu entwickelt werden muss

Die Entscheidung für eine eigene europäische Drohne ist eine bewusste. Davon, dass ein Industriekonsortium unter Führung von Airbus das Fluggerät neu entwickelt, versprechen sich die Auftraggeber nicht nur militärische Vorteile und einzigartige Fähigkeiten.

Drohnen gelten als die Zukunftstechnologie schlechthin – auch in der zivilen Wirtschaft. Längst testen Logistikkonzerne wie die Post und Händler wie Amazon die Auslieferung mit unbemannten Flugobjekten. Selbst in der Landwirtschaft greifen Bauern auf die Luftunterstützung zurück. Experten rechnen mit einem gigantischen Wachstumsmarkt, von dem Europa bislang kaum profitiert. Die Vereinigten Staaten und auch Israel haben einen jahrelangen Entwicklungsvorsprung. Im "Handelsblatt" sagte Wirtschaftsstaatssekretärin Brigitte Zypries deshalb gar, die Entwicklung einer neuen europäischen Drohne soll auch mit Geld aus zivilen deutschen Fördertöpfen unterstützt werden.

Welche Länder die meisten Drohnen verkaufen

Kritiker geißeln die Förderung der Drohnen als reine Industriepolitik. Längst würden in Amerika und Israel schließlich Modelle hergestellt, die den Anforderungen genügen und zu denen es bereits Erfahrungswerte gibt.

Unabhängig von der Diskussion, ob sich die Millioneninvestitionen später wirtschaftlich auszahlen, birgt die Neuentwicklung auch erhebliches Fehlerpotenzial: Beim Transportflugzeug A400M von Airbus hatte ausgerechnet der Anspruch der europäischen Nationen, die komplexen Turboprop-Triebwerke ohne Vorkenntnisse selbst entwickeln zu lassen, für die größten Probleme gesorgt.

Ähnliches könnte sich im schlimmsten Falle bei der Drohne wiederholen: Zwar sind mit Airbus, Dassault und Alenia luftfahrterfahrene und technisch versierte Unternehmen am Werk, im Drohnen-Segment aber sind die Erfahrungen bislang überschaubar. Airbus' erster Versuch, ein der neuen Drohne vergleichbares Projekt namens Talarion aufzulegen, war 2012 gescheitert. Das Aus des Euro Hawk verpasste den Drohnen-Träumen von Airbus einen weiteren Dämpfer und verhinderte, dass der Konzern weitere Expertise aufbauen konnte.

Anforderungen und Nachbesserungen

Schon die bereits bekannten Anforderungen an die neue Drohne dürften ihre Bauer zudem ins Schwitzen bringen. So muss der unbemannte Flieger selbstständig und problemlos Kollisionen ausweichen können, wenn er die dringend erforderliche Zulassung für den zivilen Luftraum erhalten soll. Die Entwicklung dieser „Sense and Avoid“ genannten Fähigkeit ist für das Projekt entscheidend, aber auch hoch komplex. Zumindest einfacher wäre es, auf Technik aus dem Ausland zurückzugreifen: In den USA wird sie bereits seit Längerem in der Reaper-Drohne getestet.

2.      Überlegt, was die Drohne können soll

Zumindest im Kern ist die eigentliche Aufgabe für die neue Europa-Drohne klar: Sie soll aufklären. Das neue Fluggerät wird zur sogenannten MALE-Klasse (kurz für Medium Altitude, Long Endurance) gehören. Mehr als 24 Stunden soll die Drohne in der Luft bleiben und aus einer Höhe von 5000 bis 15.000 Metern Daten eines überwachten Gebiets an die Bodenstation senden. Im Idealfall ist sie gleichermaßen im Kampf gegen Terroristen wie auch in Katastrophengebieten und bei der Überwachung von Grenzen und Küsten einsetzbar.

Armee mit Schrott
Helme der Bundeswehr Quelle: dpa
Der Puma-Panzer ist nicht zu bremsen Quelle: dpa
Eine Rekrutin der Bundeswehr sichert auf einem Truppenübungsplatz eine Patrouille. Quelle: dpa
Mitte September 2014 sorgte diese Panne für Aufsehen und lenkte die öffentliche Aufmerksamkeit nach längerer Zeit wieder auf die Ausrüstungsmängel bei der deutschen Bundeswehr: Weil die Transall-Maschinen der Bundeswehr technische Defekte aufwiesen, konnten die Ausbilder, die kurdische Peschmerga-Kämpfer bei ihrer Arbeit gegen den radikal islamischen IS im Irak vorerst nicht zu ihrer Mission aufbrechen. Sie mussten die Maschinen auf dem Militärflugplatz Hohn wieder verlassen. Es ist die jüngste, aber bei weitem nicht die erste Blamage in Sachen Bundeswehrausrüstung. Quelle: AP
Wie jetzt durch einen Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ bekannt wurde, gab es auch bei den Bordhubschraubern vom Typ Sea Lynx der Marine erhebliche Ausfälle. Von 22 Maschinen sei keine einzige einsatzbereit, so das Blatt, was sich nach dem der „SZ“ vorliegenden internen Dokument 2014 auch nicht mehr ändern werde. Im Juni wurde demnach in einem Modell einer Fregatte ein 20 Zentimeter langer Riss entdeckt, woraufhin der komplette Betrieb mit dem Modell zunächst eingestellt wurde. Wohl zu Recht: Danach wurden an drei weiteren Hubschraubern ähnliche Schäden gefunden. Quelle: dpa
Bereits im August gab es Berichte über nur bedingt einsatzfähiges Bundeswehrmaterial. So meldete das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ unter Berufung auf ein internes Dokument des Verteidigungsministeriums, von den hier Schau fliegenden Kampfjets des Typs Eurofighter seien nur acht von 109 Maschinen voll einsatzbereit. Von 67 CH-53-Transporthubschraubern konnten demnach im August ebenfalls nur sieben in die Lüfte gehen. Quelle: dpa
Und auch die Bundeswehrhubschrauber vom Typ NH-90 glänzten nicht gerade mit Bereitschaft: Laut „Spiegel“ waren im Sommer nur fünf von 33 voll intakt, während unter den Transall-Maschinen des Typs C-160 auch damals nur 21 flugtüchtig waren. Quelle: dpa

Zudem soll die Drohne aber auch Raketen abschießen können. Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder beschrieb das Projekt zuletzt als Aufklärungsdrohne, "die optional bewaffnet werden kann". Der Satz zeichnet nicht nur den Kritikern von Kampfdrohnen Sorgenfalten ins Gesicht, die einen „militärischen Tabubruch“ befürchten.

Die bislang noch wenig konkreten Anforderungen wecken auch die Sorge, dass die neue Europa-Drohne eine Art eierlegende Wollmilchsau sein soll. Die extrem hohen Anforderungen und unterschiedlichste Einsatzszenarien hatten unter anderem die Entwicklung des Transportfliegers A400M zum Millionengrab werden lassen. Trotzdem erfüllen die ersten ausgelieferten Flieger bis heute nicht alle früheren Versprechungen.

Schon jetzt ist immerhin klar, dass die Europa-Drohne mit hochgerüsteten Kampfdrohnen, die etwa in den USA entwickelt werden und die selbst schwere Bomben mit großer Zerstörungskraft transportieren können, gar nicht erst mithalten muss. Eine solche Killermaschine wäre politisch kaum durchsetzbar.

Die Drohnen-Projekte der Bundeswehr

Welche Art von Bewaffnung für die Europa-Drohnen möglich – oder überhaupt ratsam ist, ist nicht ganz klar. Fest steht: zusätzliche Bewaffnung wird zu Lasten von Reichweite, Flugzeiten und vermutlich auch der Bewegungsfähigkeit gehen. Allein die Option, Raketen anzubringen, wird die Konstrukteure vor Herausforderungen stellen und zu Kompromissen zwingen.

Um die richtig einordnen zu können, ist entscheidend, wie die Drohne eingesetzt werden soll: Die Einsatzszenarien müssen deshalb schon während der Entwicklung der ersten Studie bis Ende 2017 so weit nur irgend möglich definiert werden. Nicht nur für aktuelle Konflikte, sondern insbesondere mit Blick auf die Zeit nach 2025.

3.      Verzichtet auf permanente Nachbesserungswünsche

Eine klare Definition der Leistungsforderungen könnte auch eindämmen, was die Rüstungsindustrie seit Langem zur Verzweiflung bringt: Regierungen bestellen ein Projekt  - und schrauben im Nachhinein an den Anforderungen.

Das kann gute Gründe haben: Im Laufe der jahrelangen Entwicklung ändert sich die Weltlage, die Technik entwickelt sich weiter. Also müssten bestellte Fahrzeuge, Flieger und eben auch Drohnen den Neuerungen entsprechend angepasst werden. Das ist alles andere als leicht. Die Systeme sind nicht modular aufgebaut, müssen aber perfekt zusammenspielen. Schon eine kleinere Änderung wie ein neuer Adapter, ein neuer Anschluss oder eine verbesserte Software kann große Probleme nach sich ziehen. Das kostet Zeit und Geld.

Extrawünsche und Verhandlungen

Problematisch wird es besonders dann, wenn die nachträglichen Änderungen durch bessere Planung vermeidbar gewesen wären. „Die Ursachen für die aktuellen Rüstungsprobleme stammen aus einer Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges, in der es offenbar egal war, wie lange etwas dauert“, sagte SPD-Sicherheitsexperte und Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels im Interview mit WirtschaftsWoche Online. Das wird sich in Zukunft keine Regierung Europas mehr leisten können – gerade nicht auf dem sich schnell entwickelnden Drohnen-Markt.

4.      Verzichtet auf nationale Extrawünsche

Mit Airbus, Dassault und Alenia werden nicht nur voraussichtlich drei europäische Unternehmen an dem Drohnen-Projekt beteiligt sein. Die Auftraggeber-Nationen sind nach derzeitigem Stand auch zu dritt. Deutschland, Italien und Frankreich machen sich für das Projekt stark.

Braucht die Bundeswehr mehr Geld?

Alle großen Rüstungsaufträge der vergangenen Jahre waren europäische Gemeinschaftsprojekte. Das ist sinnvoll: Entwicklungskosten können geteilt werden, für das fertige Gerät stehen gleich mehrere Abnehmer parat. Häufig haben die Regierungen aber eigene Interessen. Sie wollen die Gerätschaften für ein bestimmtes Einsatzszenario aufrüsten oder verlangen Nachbesserung, die für die Partnerländer wenig relevant sind. So unterscheiden sich etwa die deutsche und die französische Variante des Eurocopter Tiger bei der Bewaffnung.

Sicherheitsexperten empfehlen daher, sich bei einem Gemeinschaftsprojekt von vornherein auf eine Basis-Variante zu einigen und deren Entwicklung gemeinsam voranzutreiben. Anpassungen an nationale Anforderungen müsste der jeweilige Staat dann aus eigener Tasche zahlen.

5.      Lasst Leute verhandeln, die etwas von der Materie verstehen

Was klingt wie eine Binsenweisheit, ist die vielleicht bitterste Lektion aus den vergangenen Rüstungsdebakeln. Als externe Prüfer der Unternehmensberatung KPMG im vergangenen Jahr ihren Prüfbericht zu den großen Rüstungsprojekten der Bundeswehr vorlegten, stellten sie der Industrie, aber vor allem den Bundeswehroberen und der Regierung ein vernichtendes Urteil aus.

„Dem Bund gelingt es häufig nicht, seine Kosten‐, Termin‐ und Leistungsziele gegenüber dem Auftragnehmer durchzusetzen“, heißt es wörtlich in dem Bericht. Diese würden häufig bereits bei Vertragsschluss nicht ausreichend verankert. Und weiter:  „Der derzeitige Vertragsgestaltungsprozess lässt die parallele Verwendung zahlreicher, nur geringfügig angepasster, hierarchisch aufgebauter und aufeinander bezogener Musterverträge selbst bei großvolumigen und hochkomplexen Großprojekten zu. Dazu kommt der Verzicht auf die von Beginn an kontinuierliche Begleitung solcher Projekte durch erfahrene Juristen.“

Im Klartext: Die mächtige Rüstungsindustrie übervorteilt die staatlichen Auftraggeber, weil deren Vertreter unerfahren und in Detailfragen nicht sattelfest genug sind.

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