BMW baut Elektroproduktion aus Stromstöße in Niederbayern

BMW stellt seine großen Werke auf Elektroautos um. Nach dem „I3“ in Leipzig soll im niederbayerischen Dingolfing der „INext“ gebaut werden. Das Auto soll mehr können als nur elektrisch fahren.

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Vor vier Jahren begann BMW mit dem „i3“ in Leipzig mit dem Bau von Elektroautos. Quelle: dpa

Dingolfing Ilka Horstmeier führt die Besucher zum „schönsten Lockenwickler Dingolfings“. Ein wenig ist die Leiterin der Motorenproduktion auf ihren Wickelroboter für Elektromotoren im Werk 2.2. Kunstvoll zwirbelt die Maschine rund 3,5 Kilometer Kupferkabel zu einem handlichen Motor in Melonengröße, der demnächst in einem BMW Hybridmotor arbeiten wird. 115 Kilowatt kommen aus der kleinen Kraftmaschine, „so etwas können Sie in der Industrie nicht kaufen“, sagt Horstmeier.

Deshalb hätten sich die Bayerischen Motorenwerke entschlossen, ihre E-Maschinen auch selbst zu bauen und nicht von Zulieferern zu kaufen. „Wir wollen schnell am Markt und technologisch führend sein“, betont die Managerin beim Gang durch die Produktion von Elektromotoren und Hochvoltspeichern. „Das geht nur, wenn wir alles für die Elektromobilität unter einem Dach haben.“

Dingolfing werde das „Kompetenzzentrum“ für Elektrokomponenten. Das Werk in Niederbayern soll künftig der Schrittmacher für alle Elektromotoren und Batterien sein. Bereits heute beliefert man acht Produktionswerke mit Motoren und Batterien, von South Carolina bis Thailand, wo der Geländewagen X5 auch als Plug-in-Hybrid montiert wird.

Vor vier Jahren begann BMW mit dem „i3“ in Leipzig mit dem Bau von Elektroautos. Viel Geld hat der Konzern in das Projekt gesteckt, dass die Erwartungen bislang nicht erfüllen konnte. 2016 verkaufte BMW keine 30.000 Elektroautos, bei einem Gesamtabsatz von 2,3 Millionen Stück im Konzern. In Deutschland war die Nachfrage trotz Kaufprämie besonders schwach.

Das soll sich jetzt ändern. 2017 will man immerhin auf 100.000 Elektro- und Hybridautos kommen, auch weil der Gesetzgeber keine andere Möglichkeit mehr lässt. Es gilt zunehmend Benzin- und Dieselmotoren zu ersetzen, die entweder zu viel Kohlendioxid oder zu viel Stickoxid produzieren. 2025 könnte jeder vierte BMW einen Elektroantrieb haben, das wären auf das heutige Produktionsvolumen bezogen rund 600.000 Stück. Man ahnt die Größe der Aufgabe, vor der BMW in den kommenden Jahren steht.

Dazu werden bei BMW nach und nach alle Werke so umgerüstet, dass sie sowohl Autos mit Verbrennungsmotoren als auch mit Hybrid oder Elektroantrieb bauen können. Das Konzept der „i3“ und „i8“-Produktion in Leipzig, wo BMW ein „Werk im Werk“ gebaut hat, soll der Vergangenheit angehören. Elektroautos müssen künftig voll in die herkömmliche Fertigungsstruktur integriert sein, fordert Produktionsvorstand Oliver Zipse.

Dingolfing bekommt eine Sonderrolle. Hier sollen nicht nur die Komponenten für die Elektroautos gebaut werden, hier soll 2021 auch der „Inext“ vom Band laufen, das nächste große Prestigeprojekt des Konzerns. Der „Inext“ soll nicht nur elektrisch, sondern auch autonom fahren können. Das heißt „der Fahrer kann sich mit Nebentätigkeiten beschäftigen“, sagt Zipse. Auch die Fähigkeit zur Stufe 4 des autonomen Fahrens soll in dem zukünftigen Elektroauto angelegt sein. „Das heißt: der Fahrer könnte auch schlafen“, erklärt Zipse. Da in Dingolfing traditionell die großen Limousinen der 5er, 6er und 7er-Reihe gebaut werden, soll auch der „Inext“ eine Oberklassen-Limousine werden. #


„Das Auto der Zukunft entsteht nicht im Silicon Valley“

Für die bayerische Politik ist die Entscheidung eine Genugtuung. Die CSU lebt von Niederbayern und Niederbayern lebt von BMW. Groß ist die Sorge, dass langfristig mit dem Bedeutungsverlust des Verbrennungsmotors auch die bayerischen Autostandorte in Schwierigkeiten kommen könnten. Im 100 Kilometer entfernten München drohen Fahrverbote für Dieselautos, weil die Stickoxidwerte zu hoch sind. Mit über 70 Prozent hat BMW den höchsten Dieselanteil aller europäischen Autobauer.

Umgekehrt hat der Landkreis Dingolfing die „niedrigste Arbeitslosigkeit Europas“ lobt Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, die eigens für den Termin angereist ist. Gut 20.000 Menschen leben in dem Ort, 18.000 arbeiten im Autowerk, Zulieferer im Umkreis nicht mitgerechnet. Mit den benachbarten BMW-Werken in Landshut und Regensburg hängt eine ganze Region an dem Konzern, ansonsten betreibt man hier Landwirtschaft. Die Arbeitskräfte sind mittlerweile so knapp, dass jeden morgen eine eigene Buslinie die Menschen aus Orten an der Grenze zu Tschechien nach Dingolfing bringt.

Das soll auch so bleiben. Dass BMW sein erstes Elektroauto nicht in Bayern, sondern in Leipzig gebaut hat, sorgte in der Staatsregierung in München für Zähneknirschen. Dass nun mit dem „Inext“ und dem „Kompetenzzentrum“ für Elektrokomponenten nach Bayern kommen, stärkt das Selbstbewusstsein der Ministerin. „Das Auto der Zukunft entsteht nicht im Silicon Valley, sondern in Bayern“, sagt Aigner. BMW hat sie nicht ausdrücklich genannt. In Ingolstadt arbeitet auch noch ein anderer bayerischer Autobauer an elektrischen und selbstfahrenden Autos. Bayern hat zwei Pferde im Rennen.

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