Boehringer Der Pharmakonzern steht vor einer Zäsur

Deutschlands zweitgrößter Pharmakonzern – nach Bayer – scheint sich nach schwierigen Jahren zu berappeln. Der Umsatz steigt wieder leicht. Nun steht der Konzern vor einem Umbruch.

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Boehringer Ingelheim ist Deutschlands zweitgrößter Pharmakonzern Quelle: dpa

Es waren schwierige Jahre für Boehringer, das Familienunternehmen aus dem rheinland-pfälzischen Ingelheim.

Das hoffnungsvoll gestartete Mittel Pradaxa zur Verhinderung von Schlaganfällen lief nicht wie erhofft. In den USA klagten Tausende Patienten über unerwünschte Blutungen – ein entsprechender Vergleich kostete  Boehringer knapp eine halbe Milliarde Euro. Am Hauptstandort in Ingelheim fielen Mängel bei der Medikamenten-Herstellung auf, die US-Zulassungsbehörde FDA ermittelte. Und dann gab es noch Ärger mit einer heruntergekommenen Fabrik in Ohio – dort hatten die Prüfer haarsträubende Hygienemängel entdeckt.

Inzwischen ist der Vergleich geschlossen, die Produktionsmängel beseitigt, das Werk in Ohio geschlossen. Boehringer, so scheint es, berappelt sich wieder. Im abgelaufenen Geschäftsjahr konnte der Konzern seinen Umsatz wieder leicht steigern. Wie Unternehmenschef Andreas Barner am Dienstag bekannt gab, setzte Boehringer vier Prozent mehr um (14,8 Milliarden Euro) und konnte das Betriebsergebnis um sechs Prozent auf 2,3 Milliarden Euro steigern.

Mittlerweile häufen sich auch wieder positive Nachrichten aus der Medikamenten-Entwicklung: In den vergangenen Jahren brachte Boehringer zwei neue Krebs- und zwei neue Diabetesmittel durch die Zulassung – im Vergleich zu vielen Konkurrenten ein beachtlicher Wert. Das Diabetes-Mittel Jardiance berechtigt zu Hoffnungen, da es laut einer Studie nicht nur den Blutzucker, sondern auch die Risiken für Herz und Kreislauf senkt.

Ein Boehringer-Mittel gegen die Hauterkrankung Schuppenflechte, brachte so überzeugende Testresultate, dass der US-Konzern Abbvie 540 Millionen Euro zahlte, um von den weiteren Ergebnissen sowie denen eines weiteren Medikamenten-Kandidaten zu profitieren.

Auf Barner folgt im Juni von Baumbach

Für Unternehmenschef Andreas Barner ist dies ein versöhnlicher Abschluss seiner Amtszeit – Ende Juni gibt der promovierte Mathematiker und Mediziner die Führung an Hubertus von Baumbach ab. Der amtierende Finanzvorstand von Baumbach entstammt einer der beiden Boehringer-Eigentümerfamilien. Damit übernimmt nach gut 25 Jahren wieder ein Vertreter der Familie die Spitze des Unternehmens.

Die wichtigste Aufgabe des studierten Juristen von Baumbach besteht darin, das Portfolio neu aufzustellen. Die Ingelheimer verhandeln mit dem französischen Konzern Sanofi über ein Tauschgeschäft. Boehringer übernimmt von den Franzosen das Geschäft mit der Tiermedizin und steigt dadurch von Rang sechs zur weltweiten Nummer zwei im Veterinärmarkt auf – hinter dem US-Konzern Zoetis.

Dafür verleibt sich Sanofi die rezeptfreien Marken von Boehringer ein, wozu auch bekannte Namen wie die Schmerztablette Thomapyrin oder das Erkältungsmittel Mucosolvan gehören. Weil die rezeptfreien Medikamente jedoch weniger wert sind als die Tierarzneien bietet Boehringer den Franzosen zusätzlich 4,7 Milliarden Euro.  Für Boehringer ist es der größte Deal in seiner über 125-Jährigen Unternehmensgeschichte.

Und sinnvoll noch dazu, weil Boehringer bei rezeptfreien Medikamenten nicht mehr gegen große Konkurrenten wie Bayer oder den US-Konzern Johnson & Johnson mithalten konnte. Der künftige Chef von Baumbach war bereits maßgeblich daran beteiligt, dieses Geschäft einzufädeln. Die Umsetzung liegt jetzt vor allem bei ihm.

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