New York Die Boeing 747 war bei ihrem Debüt bei Pan-Am im Jahr 1970 das Symbol für luxuriöses Reisen schlechthin. Doch der Jumbo-Jet der Zukunft wird vermutlich keine Fluggäste mehr befördern. Aufgrund der nachlassenden Nachfrage nach großen vierstrahligen Passagierflugzeugen soll er stattdessen übergroßes Material, wie zum Beispiel Ausrüstung für Öl-Bohrungen, transportieren.
Hersteller Boeing hat dabei einen Plan, um seine berühmten, aber derzeit wenig beliebten Jumbo zu retten: Das Unternehmen kauft seine eigenen Flugzeuge und verleast sie anschließend an Transportunternehmen.
Mit der Schließung der Export-Import Bank durch den US-Kongress – die Bank hatte traditionell Fluglinien aus Übersee beim Kauf von Flugzeugen geholfen – verliert Boeing ein Schlüsselelement seines Vertriebs. Zudem sind Leasing-Firmen zurückhaltender geworden, wenn es um die Finanzierung von Flugzeugen mit schwindender Käuferschicht geht.
Also vermietet Boeing nun die riesigen 747-Jumbos an Fracht-Fluglinien in Ländern wie Russland oder Aserbaidschan. Aber damit wird das Unternehmen anfälliger bei einem Anstieg der Zahlungsausfälle.
Bis zum Ende des vergangenen Jahres hatte Boeing über die Tochtergesellschaft Boeing Capital ein Finanzierungsvolumen von 1,26 Milliarden US-Dollar mit 747-Kunden aufgebaut, zeigen Meldungen an die Finanzaufsicht. Das entspricht ungefähr dem fünffachen Wert gegenüber Ende 2012. Tatsächlich machen Kredite und operative Leasingverträge im Zusammenhang mit der 747 inzwischen mehr als ein Viertel des Kreditportfolios aus.
Wenn sich der Luftfrachtmarkt erholt, mag die Rechnung für Boeing aufgehen. Das Unternehmen hat erst kürzlich eine wichtige 747-Bestellung vom Logistikriesen UPS erhalten, die der Schlüssel zur weiteren Zukunft des Langstreckenfliegers sein könnte. „Wir glauben, dass es langfristig eine Nachfrage für dieses Flugzeug gibt", sagt George Dimitroff, Chef der Bewertungsabteilung von Flight Ascend Consultancy. „So lange sie keine Überproduktion erzeugen – was Boeing derzeit nicht tut – glauben wir, dass es eine langfristige Nachfrage geben wird".
Boeing häufte in den Jahren 2015 und 2016 mit der neusten Version der 747-8 über 2,1 Milliarden Dollar Verlust an. Das Unternehmen musste die Produktion drosseln, um auf die sinkende Nachfrage zu reagieren. Im vergangenen Jahr profitierte Boeing von der UPS-Bestellung über 14 Jumbo-Jets und der Option, den Auftrag auf das Doppelte zu erhöhen. Laut seiner Website landete Boeing damit den größten Auftrag seit dem Re-Design der 747 im November 2007.
Flut an Leasingverträgen
Es ist ungewöhnlich und riskant für einen Flugzeughersteller, im größeren Maße seine eigenen Flugzeuge zu kaufen und dann zu verleasen. Sollte die Frachtgesellschaft in die Insolvenz gehen oder den Leasing-Vertrag nicht verlängern, dann wäre es an Boeing Capital, andere Kunden zu finden. Und das könnte in diesem Nischenmarkt zur Herausforderung werden. Wenn die Werthaltigkeit des Flugzeugs stärker abnimmt als angenommen, dann könnten Boeings Gewinne und Liquiditätssituation laut einer Mitteilung „materiell nachteilig beeinträchtigt“ werden.
Dies ist auch eine Veränderung für Boeing Capital, die ursprünglich ihr Kreditportfolio von 12,2 Milliarden Dollar im Jahr 2004 um zwei Drittel reduziert hatte, als sich das Unternehmen von den Ambitionen verabschiedete, Boeings Antwort auf GE Capital zu werden. Seit dem Verkauf eines gewerblichen Kreditportfolios über 2 Milliarden Dollar an die Tochter von General Electric im Jahr 2004 hatte sich Boeing Capital darauf konzentriert, den Flugzeugabsatz bei Boeing zu unterstützen und dabei primär ein Portfolio von Krediten und Leasingverträgen verwaltet, das auf Flugzeugen basierte, die nicht weiter produziert wurden.
Die derzeitige Flut an Leasingverträge für den 747-Jumbo sei dabei kein Wechsel in der Strategie, sagt Timothy Myers, Präsident von Boeing Capital, in einem Interview mit Bloomberg. Seine Sparte springt ein, um einen 747-Deal zum Abschluss zu bringen, wenn ein Finanzier Schwierigkeiten mit dem Eigenkapital hat, sagt Myers. Mit steigendem Frachtverkehr erwartet er, Käufer für diese Flugzeuge zu finden. „Wir sind derzeit mitten im Prozess, einige der Transaktionen abzuschließen, die wir in der Vergangenheit getätigt haben“, sagt Myers. „Dieses Jahr wird es wohl mehrere Parteien geben, die diese Aktiva übernehmen.“
Die Export-Import Bank war auch unter dem Spitznamen „Bank of Boeing“ bekannt, da das Institut regelmäßig Flugzeugkäufer mit Finanzierungen half, die keinen Zugang zum regulären Kreditmarkt hatten. Aber derzeit ist der Bank nicht gestattet, Kreditgarantien von mehr als 10 Millionen Dollar zu gewähren, da ein Verwaltungsratsmitglied fehlt, dessen Nominierung seit 2015 in einem Senats-Komitee festhängt. Konservative Republikaner stehen der Aufgabe des Instituts skeptisch gegenüber.
„Wir werden womöglich bei einigen weiteren Auslieferungen einspringen müssen“, sagt Myers. „Aber wir versuchen derzeit auch vermehrt, Dritte als Finanzierer zu gewinnen.“
Der Jumbo leidet unter Absatzproblemen
Unsicherheiten im Hinblick auf die globale Wirtschaft und die Nachfrage nach Frachtfliegern verkomplizieren das Vorhaben. Nippon Yusen KK, die Muttergesellschaft von Nippon Cargo Airlines, hatte am 24. März die letzten beiden Bestellungen über je 387,5 Millionen Dollar für 747-Frachttransporter storniert. Obwohl Käufer in der Regel ordentliche Rabatte aushandeln, war dies einfach „zu groß und zu teuer“, wie Neel Jones Shah sagt, ein Berater, der früher die Frachtsparte von Delta Airlines führte.
Während die vierstrahlige 747 eines der am meisten verkauften Düsenflugzeuge in der Geschichte von Boeing bleibt, hat die neueste Version des Flugzeugs Absatzprobleme. Viele Fluggesellschaften sind dazu übergegangen, effizientere zweistrahlige Düsenjets für Langstreckenflüge einzusetzen. Der Flugzeugbauer hatte per Ende Februar einen Auftragsbestand von lediglich 26 offenen Bestellungen – 19 davon für das Frachtmodell, während für dieses Jahr zwei Stornierungen zu Buche schlagen. Ferner gibt es fünf sogenannte „White Tails“, ein Spitzname für Jets, die zwar gebaut wurden, aber ohne einen Käufer derzeit verpackt auf Lager liegen.
Für Branchenanalyst George Hamlin ist der UPS-Auftrag ein Zeichen für mögliche weitere Deals – sofern es nicht zu einer globalen Rezession oder Marktverwerfungen kommt. Allein dieses Geschäft könnte Boeings 747-Produktion für weiter vier Jahre am Leben erhalten.
Eine ganze Generation älterer Transportflugzeuge muss bald in Rente geschickt werden, und die Boeing verfügt über eine ausgezeichnete Technologie, angefangen von den Verbrauchs-effizienten Triebwerken bis hin zu einer nach oben aufklappbaren Nase, um übergroße Fracht zu laden, wie der Präsident von Hamlin Transportation Consulting erläutert. „UPS ist ein Vorreiter oder ein Leithammel, welche Bezeichnung auch immer man bevorzugt“, sagt Hamlin, ehemals Manager bei Airbus. „In der Zeit während UPS die Lücke schließt, ist es möglich, dass sich weitere Aufträge materialisieren.“
Das globale Luftfrachtvolumen stieg im Januar um 6,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dies ist zwar weniger als die zehn Prozent vom Dezember, liegt aber noch immer deutlich über dem jährlichen Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre von drei Prozent, laut dem Luftfahrt-Weltverband Iata.
„Die Zukunft der 747-8 ist eng mit dem Frachtmarkt verbunden und wir werden dieses Segment sehr genau im Blick behalten, solange es sich weiter verbessert“, sagt Randy Tinseth, Vize-Präsident Marketing bei Boeing.