Beim Umbau des Schienenfahrzeug-Herstellers Bombardier Transportation in Deutschland soll der Aufsichtsrat an diesem Donnerstag Pflöcke einschlagen. Das Management will dem Kontrollgremium in Hennigsdorf bei Berlin Eckpunkte für die Neuausrichtung vorlegen, es dürfte ein Teil der bundesweit 8500 Stellen auf dem Spiel stehen. Geschäftsführung und Arbeitnehmervertreter hatten vereinbart, Lösungen für den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen zu suchen. Die größten Standorte sind neben Hennigsdorf Görlitz und Bautzen.
Im sächsischen Bautzen will Bombardier in den nächsten zwei Jahren 20 Millionen Euro investieren, erst vor zwei Wochen legte dort der Deutschland-Chef des kanadischen Konzerns, Michael Fohrer, den Grundstein für eine neue Endmontagehalle. Er sieht Bautzen als „Taktgeber für die digitale Produktion im Unternehmen“. Der Standort mit 1000 Beschäftigten soll ein Kompetenzzentrum für die Serienfertigung von S- und U-Bahnen sowie Regional- und Fernverkehrszügen werden.
Wie viel vom ursprünglichen Konzept des Managements übrig bleibt, wird sich am Donnerstag zeigen. „Es sind noch viele Fragen offen und es wird bis zur letzten Minute verhandelt“, sagte Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) laut einer Sprecherin.
Die wichtigsten Antworten zur möglichen Zug-Fusion
Nach Problemen in den vergangenen Jahren, etwa durch die verspätete Auslieferung von ICE-Zügen an die Deutsche Bahn, ist das Zuggeschäft von Siemens inzwischen wieder in der Spur. Heute kommt die Sparte mit Standorten unter anderem in Krefeld, Erlangen, Berlin, München und Wien auf einen Jahresumsatz von fast acht Milliarden Euro und eine Rendite von knapp 9 Prozent.
Die Bahnsparte des kanadischen Anbieters, der auch Flugzeuge baut, ist zwar ähnlich groß. Aber der Konzern steckt in den roten Zahlen und hatte im Bahngeschäft den Abbau von weltweit rund 5000 Jobs angekündigt. Unklar ist, wie stark dies die deutschen Standorte mit 8500 Beschäftigten treffen wird, darunter Hennigsdorf, Görlitz, Bautzen, Kassel, Mannheim, Braunschweig und Siegen. Das Management will seine Pläne im Juli vorstellen. Bombardier hatte erst vergangenes Jahr 1430 Arbeitsplätze in Deutschland gestrichen, um die Standorte profitabel zu machen.
Angeblich soll ein Gemeinschaftsunternehmen im Gespräch sein, das den Bau von Zügen und die Signaltechnik umfassen würde. Analysten sehen größere Synergie- und Einsparpotenziale etwa durch gemeinsame Forschung und Entwicklung sowie Lieferketten und die Zusammenführung der Produkte. Schon jetzt arbeiten die Zughersteller bei verschiedenen Projekten zusammen, so beim ICE 4, der neuesten Generation des Hochgeschwindigkeitszuges.
Ja. Schon beim Übernahmepoker um Alstom hatte Siemens versucht, seine Zugsparte mit der des französischen Konkurrenten zusammenzubringen. Und Mitte 2015 wurde auch schon einmal über eine Fusion der Zugsparten von Siemens und Bombardier spekuliert, doch die Kanadier hatten damals Verhandlungen dementiert.
Die europäischen Hersteller zittern vor allem vor der Konkurrenz aus China. Dort haben sich die beiden größten Zughersteller zum neuen Giganten CRRC zusammengetan, der alleine größer ist als die Sparten von Siemens, Bombardier und Alstom zusammen. Das sieht auch die Deutsche Bahn mit Interesse, die vor etwa eineinhalb Jahren demonstrativ ein Einkaufsbüro in China eröffnete, darüber Produkte der Bahntechnikhersteller aus der Volksrepublik sondiert und so den Druck auf die europäischen Hersteller erhöhte. „Wir suchen weltweit nach Lieferanten mit innovativen und qualitativ hochwertigen Produkten“, ließ Bahn-Chef-Einkäufer Uwe Günther damals wissen.
Vor allem das Kartellrecht gilt als Hindernis für eine Zug-Allianz in Europa. Denn mit Siemens, Bombardier und Alstom beherrschen nur drei Anbieter den Markt. Schlössen sich zwei von ihnen zusammen, könnte das gravierende Folgen für Kunden wie die Deutsche Bahn haben, sodass hohe Auflagen zu erwarten wären. Siemens macht keinen Hehl daraus, dass man diese Spielregeln für nicht mehr zeitgemäß hält. „Eine weitere Konsolidierung des Marktes wird seit langem erwartet und sollte auch kartellrechtlich mit einer globalen Sicht auf die Veränderungen betrachtet werden“, sagte Siemens-Finanzchef Ralf Thomas.
Bei Arbeitnehmervertretern in Deutschland dürfte eine Allianz wohl nur auf Zustimmung stoßen, wenn Siemens die Oberhand im zusammengeschlossenen Unternehmen behielte. Wie sich eine Fusion auf die Jobs auswirken würde, bliebe abzuwarten. Von offenem Widerstand der Arbeitnehmervertreter jedenfalls war in den vergangenen Wochen nichts zu spüren - was auch daran liegen dürfte, dass ein weiteres Erstarken der Chinesen deutlich schlimmere Folgen für die Belegschaft haben könnte als eine mögliche Allianz von Siemens und Bombardier.
Fohrer hatte beispielsweise vorgeschlagen, in Hennigsdorf Züge zu entwickeln und nur noch Prototypen und Testfahrzeuge zu bauen. Dort arbeiten noch 2300 Beschäftigte. Die Serienfertigung würde demnach nach Bautzen gehen, Görlitz würde sich auf Aluminium-Wagenkästen spezialisieren. Der Görlitzer Betriebsrat warnte vor einem „Tod auf Raten“ für das Werk mit 1900 Beschäftigten.
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Aufsichtsrat müsse beide sächsischen Standorte absichern. „Wir lassen uns nicht auseinandertreiben“, sagte Dulig. „Es geht um Görlitz und um Bautzen. Und es geht auch um Hennigsdorf.“
Bei Bombardier Transportation waren erst im vergangenen Jahr 1430 Arbeitsplätze in Deutschland weggefallen, darunter viele von Leiharbeitern. Die Zugsparte macht insgesamt zwar Gewinn, bleibt hierzulande aber hinter den eigenen Erwartungen zurück.
Bombardier hat auch Standorte in Westdeutschland. Nach dem ursprünglichen Konzept des Vorstands soll Kassel zum weltweiten Produktionszentrum für Loks werden, entwickelt werden sie in Mannheim. In Braunschweig soll weiter Signal- und Steuerungstechnik entstehen, in Siegen Drehgestelle.