Für Siemens ist es der endgültige Abschied aus dem Konsumentengeschäft, für Bosch die zweite Hilfestellung bei einer Übernahme binnen einer Woche: Der Stuttgarter Technologiekonzern übernimmt von dem Münchner Mischkonzern die restlichen Anteile am gemeinsamen Hausgerätekonzern BSH. Bosch zahlt drei Milliarden Euro für den 50-prozentigen Siemens-Anteil. BSH passe von seiner strategischen Ausrichtung sehr gut zur Bosch-Gruppe, begründete Bosch-Chef Volkmar Denner am Montag den Schritt, über den schon seit Monaten spekuliert worden war.
Der Konzern, der gleichzeitig einer der größten Autozulieferer weltweit ist, will sich mehr und mehr auf das sogenannte „Internet der Dinge“ konzentrieren. Darunter versteht man Hausgeräte wie Waschmaschinen oder Kühlschränke, die technisch in der Lage sind, mit dem Internet zu kommunizieren und die mit Smartphones zu steuern sind. Auf den bekannten Markennamen Siemens muss Bosch bei seinen Haushaltsgeräten aber nicht verzichten: Beide Konzerne haben sich darauf geeinigt, dass Bosch den Markennamen „langfristig“ weiter nutzen kann.
Die weltweit größten Autozulieferer
Faurecia (Frankreich)
Umsatz 2016: 18,711 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 18,770 Milliarden Euro
Veränderung: -0,3 Prozent
Hauptprodukte: Sitze und Innenausstattung
Quelle: Berylls Strategy Advisors, Stand: Juni 2017
Michelin (Frankreich)
Umsatz 2016: 20,907 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 21,199 Milliarden Euro
Veränderung: -1,4 Prozent
Hauptprodukte: Reifen
Bridgestone-Firestone (Japan)
Umsatz 2016: 22,485 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 24,094 Milliarden Euro
Veränderung: -6,7 Prozent
Hauptprodukte: Reifen
Aisin (Japan)
Umsatz 2016: 27,977 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 24,133 Milliarden Euro
Veränderung: +15,9 Prozent
Hauptprodukte: Getriebe, Bremssysteme, Karosserie- und Motorenteile
Hyundai Mobis (Südkorea)
Umsatz 2016: 30,227 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 28,096 Milliarden Euro
Veränderung: +7,6 Prozent
Hauptprodukte: Cockpit-, Frontend- und Chassismodule
ZF Friedrichshafen (Deutschland)
Umsatz 2016: 32,353 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 27,113 Milliarden Euro
Veränderung: +19,3 Prozent
Hauptprodukte: Fahrwerks- und Antriebssysteme, Elektronik/Software
Magna (Kanada)
Umsatz 2016: 34,587 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 29,408 Milliarden Euro
Veränderung: +17,6 Prozent
Hauptprodukte: Karosserie & Fahrwerksysteme, Exterieur-Ausstattungen
Denso (Japan)
Umsatz 2016: 36,301 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 34,299 Milliarden Euro
Veränderung: +5,8 Prozent
Hauptprodukte: Klimasysteme, Motorsteuerung, Human-Machine-Interface
Continental (Deutschland)
Umsatz 2016: 40,550 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 39,232 Milliarden Euro
Veränderung: +3,4 Prozent
Hauptprodukte: Brems-, Fahrwerk- und Sicherheitssysteme, Reifen
Bosch (Deutschland)
Umsatz 2016: 43.936 Milliarden Euro
Umsatz 2015: 41,657 Milliarden Euro
Veränderung: +5,5 Prozent
Hauptprodukte: Antriebs-, Sicherheits- und Komfortsysteme
Nach Daten des Marktforschers Strategy Analytics wurden bereits im vergangenen Jahr weltweit rund 23 Milliarden Euro mit vernetzten Geräten und dazugehörigen Dienstleistungen umgesetzt. Bis 2017 soll sich dieser Markt auf mehr als 50 Milliarden Euro verdoppeln.
Der Bereich Haushaltsgeräte werde rund ein Viertel zum Gesamtumsatz von zuletzt 46 Milliarden Euro beitragen, sagte Denner. Beziehe man die jüngste Komplettübernahme ZF Lenksysteme mit ein, werde der Anteil der Kfz-Technik auf unter 60 Prozent sinken. Bosch erklärtes Ziel ist es, unabhängiger vom konjunkturabhängigen Autogeschäft zu werden und den Anteil des Kfz-Geschäfts langfristig auf die Hälfte zu senken.
Bosch plant weitere Zukäufe
Das Unternehmen könne sich angesichts seiner Liquidität auch weitere große Zukäufe problemlos leisten, erklärte Bosch-Chef Denner. „Es wird weitere Akquisitionen geben, wenn sie uns opportun erscheinen in allen Unternehmensbereichen“, ergänzte er. Insbesondere die Energie- und Gebäudetechnik sei hier interessant.
Bosch Siemens Hausgeräte kam 2013 mit seinen rund 50.000 Mitarbeitern auf rund 10,5 Milliarden Euro Jahresumsatz und hatte sich jüngst zum Ziel gesetzt seine Erlöse bis 2025 zu verdoppeln – auch außerhalb Europas. Die Mittelschicht als potenzielle Käuferschicht werde in vielen Ländern weiter wachsen, sagte BSH-Geschäftsführer Uwe Raschke.
Um in den Industrieländern Kunden zu gewinnen, will Bosch seine Hausgeräte mit Sensoren und Elektronik ausstatten, einem Feld, auf dem der Konzern als Autozulieferer Experte ist. So hatte der Konzern auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) kürzlich einen Backofen vorgestellt, der mit einer Sonde ausgestattet ist, die die Feuchtigkeit misst und damit die notwendige Backdauer der Nahrungsmittel ermittelt. Außerdem feilt Bosch an einer App, mit deren Hilfe Geräte verschiedener Hersteller gesteuert werden können.
In der Verbindung der verschiedensten Geräten liegt auch eine potenzielle Sicherheitslücke. Die Vernetzung von Milliarden Geräten wird das Risiko von Hacker-Angriffen im Alltag, nach Einschätzung eines Cyber-Sicherheitsexperten, rapide erhöhen. „Die Angriffsfläche für Online-Kriminelle weitet sich damit dramatisch aus“, betonte Raj Samani vom Antiviren-Spezialisten McAfee. „Man muss davon ausgehen, dass alles, was vernetzt ist, angegriffen werden kann und wird – bis hin zu ihrer Zahnbürste.“ Verbraucher müssten dazu übergehen, die Anbieter nicht nur nach Funktionen oder technischen Fähigkeiten der Geräte zu bewerten, sondern auch danach, wie viel sie für die Sicherheit der Systeme und der Nutzerdaten tun. „Bei mancher Technik wie Autos kann das überlebenswichtig sein“, betonte der McAfee-Manager, der für die technische Entwicklung in Europa, Afrika und dem Mittleren Osten zuständig ist.
Finanziert werde die Übernahme aus vorhandenen Mitteln, sagte Denner. Bosch verfüge derzeit über eine bilanzielle Liquidität von 14 Milliarden Euro. Vor Vollzug der Transaktion sollen zudem jeweils 250 Millionen Euro an Siemens und Bosch als vorgezogene Dividendenzahlung ausgeschüttet werden. Den Namen Siemens darf Bosch weiter für seine Hausgeräte verwenden. Die Komplettübernahme soll nach Zustimmung der Kartellbehörden voraussichtlich im ersten Halbjahr 2015 abgeschlossen werden. Zuletzt beschäftigte Bosch rund 281.000 Mitarbeiter (Stand 2013).
Mit dem Verkauf der 50-prozentigen Anteile an BSH triebt Siemens-Chef Joe Kaeser seinen Konzernumbau weiter voran. Der Analyst Jasko Terzic von der DZ Bank bewertet den Verkauf des Nicht-Kerngeschäfts BSH als positiv. Damit folgt Kaeser einem Trend, den ausgerechnet der große Siemens-Konkurrenz General Electrics eingeschlagen hat: Der US-Rivale hat sich jüngst von seiner Haushaltsgeräte-Sparte getrennt und für umgerechnet 2,55 Milliarden Euro an den schwedischen Konzern Electrolux verkauft.