BP, Shell, Exxon Big Oil – ein Geschäftsmodell schmiert ab

Gewinneinbruch, Umsatzschwund, Stellenabbau: Die Ölmultis kommen nicht aus der Krise. Doch wer alleine den niedrigen Ölpreis für die Misere von BP, Shell und Co. verantwortlich macht, irrt. Die Probleme liegen tiefer.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Branche kommt nicht aus der Krise. Quelle: dpa

Düsseldorf Jahrelang waren die internationalen Ölkonzerne ein Garant für Superrenditen. Doch seit 2014 produziert die Branche nichts als schlechte Nachrichten. Ein schleichender Niedergang hat begonnen. Er lässt sich im Drei-Monats-Rhythmus anschaulich verfolgen– immer dann, wenn die Multis ihre Quartalszahlen vorlegen. Diese Woche wurden dabei die ohnehin geringen Erwartungen wieder einmal vielfach unterboten.

Beim britisch-niederländischen Ölkonzern Royal Dutch Shell zerbröselte der Gewinn. Unter dem Strich erzielte der Konzern nur mehr einen Ertrag von rund einer Milliarde Euro. Das ist ein Minus von gut 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. British Petroleum (BP) schreibt 2,2 Milliarden Verlust und kämpft auch sechs Jahre nach der verheerenden Umweltkatastrophe „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko noch mit den Folgekosten.Anderswo sieht es auch nicht besser aus.

Die Geschäftslage bei Statoil ist miserabel. Erstmals seit 2008 meldet der norwegische Konzern wieder einen Quartalsverlust mit 28 Millionen Dollar. Der US-Riese Exxon, der ganz Amerika mit Öl versorgt, musste einen Gewinneinbruch um 59 Prozent auf 1,7 Milliarden Dollar hinnehmen, die Ölproduktion ging um 0,6 Prozent auf 3,9 Millionen Barrel pro Tag zurück. Und Konkurrent Chevron muss mit einem Verlust von 1,47 Milliarden Dollar das größte Minus in einem Vierteljahr seit 2001 verkünden. Noch vor Jahresfrist hatte das Unternehmen 571 Millionen Dollar Gewinn erwirtschaftet.

„Niedrige Ölpreise sind weiterhin eine große Herausforderung“, erklärte BP-Chef Ben van Beurden stellvertretend für die gesamte Branche. Seit zwei Jahren leiden die Ölmultis unter dem Preisverfall bei dem wichtigsten Rohstoff der Welt. Im Juli 2014 kostete das Barrel Rohöl (159) Liter noch 115 Dollar. Heute ist es nicht einmal mehr die Hälfte.

Die Personalberater von Swift Worldwide Resources schätzen, dass alleine im vergangenen Jahr in Folge des Preisverfalls weltweit 230.000 Arbeitsplätze im Ölsektor verloren gingen. Weil kaum Besserung in Sicht ist, sehen die Restrukturierungsexperten von Alix Partner die globale Öl- und Gasindustrie in einer der heftigsten Abschwungphasen in den vergangenen 30 Jahren.

Die Konzerne reagieren darauf, indem sie ihre Budgets für die Suche nach Öl kürzen, Investitionen streichen und geplante Projekte stoppen. Unternehmensteile abseits des Kerngeschäfts werden abgestoßen und Tausende Stellen gestrichen. Doch weil selbst solch aggressive Kostensenkungsmaßnahmen nicht immer den gewünschten Effekt erzielen, hält A.T. Kearney einen grundsätzlichen Strategiewechsel bei vielen Unternehmen für unvermeidlich. Angesichts stetig steigender Schulden sehen die Unternehmensberater die Ölbranche in einer „Ära grundsätzlicher Marktbereinigung“. Heißt: Mehr Pleiten, mehr Übernahmen.


Ein Schub nach oben ist nicht in Sicht

In der Vergangenheit begegneten die Ölkonzerne bilanziellen Dürreperioden stets mit der gleichen Taktik: Abwarten bis die Preise wieder anziehen. Doch diese Überlebensstrategie gerät nun an ihre Grenzen. Die internationale Energieagentur (IEA) rechnet zwar schon Ende 2016 mit einem steigenden Ölpreis, weil sich Angebot und Nachfrage wieder stärker ausbalancieren. Aber ein Schub nach oben ist nicht in Sicht. Vielmehr dürfte sich der Ölpreis auf niedrigem Niveau stabilisieren.

Paul Stevens ist ohnehin davon überzeugt, dass sich die missliche Lage vieler Ölkonzerne nur zum Teil auf den Preisverfall zurückführen lässt. „Deren Probleme sind vielschichtiger, wurzeln tiefer und reichen weiter zurück“, schreibt der Energieökonom in einer Analyse für den Londoner Think-Tank Chatham House. Stevens sieht das alte Geschäftsmodell von BP, Chevron, Exxon und Co. „allmählich sterben“. Die Zukunft der großen internationalen Ölkonzerne sei fraglich.

Im Kern basiere das Geschäftsmodell der Konzerne noch immer auf der Annahme, die Nachfrage nach Öl wachse stetig während der Rohstoff nur spärlich verfügbar sei und daher nichts wichtiger für die Konzerne ist, als sich frühzeitig so viele Reserven wie möglich zu sichern. Doch diese Annahmen „verlieren zunehmend an Gültigkeit“, meint Stevens. Technologische Revolutionen innerhalb der Branche wie Fracking und der Vormarsch an Erneuerbaren Energien verändern die Rahmenbedingungen.

Stevens glaubt, die ganze Unternehmenskultur der Ölkonzerne müsse sich radikal wandeln. Wer langfristig überleben will, dürfte nur in jenen Bereichen aktiv sein, in denen auch eine akzeptable Rendite erwirtschaftet werden kann. Ein Weiter so wie bisher sei keine Option. Stevens Prognose: Konzerne, die sich auf den Wandel einstellen und aus jenen Regionen zurückziehen, die nicht profitabel genug sind, werden fortbestehen. Aber in einem „viel kleineren Maßstab“ als bisher.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%