Branche im Umbruch Wie Amazon zum Vorbild für Stahlkonzerne wird

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Der Stahlhandel geht online

Mit der geopolitischen Situation in Europa ist selbstredend die Ukraine-Krise gemeint. Der Großteil der ukrainischen Stahlindustrie ist in der umkämpften Donbass-Region angesiedelt. Der größte ukrainische Stahlkonzern, Metinvest, gab Anfang August bekannt, nicht länger neue Aufträge anzunehmen.

Seine Werke seien in Folge der Krise zu Produktionskürzungen gezwungen. Die ukrainische Jahresproduktion von rund 33 Millionen Tonnen ging bislang größtenteils nach Russland. Was damit in Zukunft passiert, ist unklar. „Sollten Teile der Ukraine langfristig besetzt bleiben, wird das Auswirkungen auf den europäischen Stahlmarkt haben“, sagt Kepler-Analyst Brauneiser.

Die großen Krupp-Krisen
Gussstahlfabrik Fried. Krupp in Essen um 1905 Quelle: dpa
Arndt von Bohlen und Halbach, sein Vater Alfried Krupp und der Generalbevollmächtigte Berthold Beitz posieren vor der Villa Hügel in Essen Quelle: dpa
Der Schah von Persien, Retter von Krupp: Im Herbst 1976 schlitterte Krupp in eine bedrohliche Liquiditätskrise. Der Konzern litt unter gigantischen Überkapazitäten in der europäischen Stahlproduktion. Krupp-Generalbevollmächtigter Beitz fand in den märchenhaft reichen Schah von Persien einen neuen Investor, 25 Prozent von Krupp übernahm und eine Milliarde Dollar in den wankenden Konzern pumpte. Außerdem winkten Krupp Großaufträge des Kaisers aus Teheran. Es war mal wieder ein Kaiser, von dem sich Krupp abhängig machte. Im 19. Jahrhundert war dies der deutsche Herrscher Wilhelm II, der Krupp mit Kanonenaufträgen versorgte. Im Bild: Berthold Beitz Quelle: dpa
Gerhard Cromme Quelle: dpa
 Ekkehard Schulz Quelle: dapd

Auf solche Probleme reagiert die Branche meist mit Stellenstreichungen. Auch der Stahlhändler Klöckner & Co musste sich in der Stahlkrise ein strenges Sparprogramm verordnen und 2300 Mitarbeiter entlassen. Um künftig auf politische und konjunkturelle Schwankungen besser reagieren zu können, hat Konzernboss Gisbert Rühl einen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen: Er stellt sein Vertriebsmodell um.

Statt telefonischer Bestellung oder Anfrage per Fax setzt Rühl auf das Internet. Das klingt in Zeiten von eCommerce-Größen wie Amazon nicht gerade ungewöhnlich, ist in der Stahlbranche mit seinem seit Jahrzehnten etablierten Vertrieb eine Zäsur. Bislang ist der Online-Vertrieb bei KlöCo nicht der Rede wert, in fünf Jahren will aber Rühl mehr als die Hälfte seines Stahls im Internet umsetzen.

Von Duisburg nach Berlin – vorübergehend

Um mehr über die New Economy und die darin steckenden Chancen für sein alteingesessenes Unternehmen zu lernen, hat der 55-Jährige vorübergehend sein Büro verlegt. Weg vom Konzernsitz in der europäischen Stahlmetropole Duisburg, in das Betahaus in Berlin-Kreuzberg, quasi der Ground Zero der Startup-Szene. „Wir wollen in Berlin von der Silicon-Valley-Atmosphäre profitieren“, sagt Rühl.

Die Idee kam dem Konzernboss bei einem Besuch in Kalifornien vor zwei Jahren, der branchenübergreifende Austausch im echten Silicon Valley hat ihn inspiriert. Ein Beispiel: Die Tochter eines Klöckner-Mitarbeiters in Los Angeles kauft bei einem Modeportal im Internet ein, das in einer morgendlichen Mail Ware aus Restbeständen zum Schnäppchenpreis anbietet. Inzwischen gibt es auch Stahl-Angebote um kurz nach acht per E-Mail – von Klöckner.

Vom Online-Handel erwartet sich Rühl mehr Effizienz und Vorhersehbarkeit in der Logistik. „Wenn man einen Stahlträger drei- oder viermal anpackt, bevor man in weiterverkauft, dann kann man ihn aus betriebswirtschaftlicher Sicht gleich zum Schrott fahren“, sagt der KlöCo-Chef.

Bestellt der Kunde kurzfristig im Internet, können die Stahlträger ohne Zwischenlager direkt zum Kunden gebracht werden. Ende 2015 soll dann der Stahlhandel bei Klöckner flächendeckend online sein.

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