Carlos Ghosn Millionengehalt für Renault-Chef wird zur Staatsaffäre

Automanager Ghosn erhielt im vorigen Jahr 7,2 Millionen Euro von Renault. Nissan legt noch einmal rund 8 Millionen Euro drauf. Frankreichs Wirtschaftsminister Macron ist das zuviel – und will die Gesetze ändern.

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Verdient der Renault-Nissan-Chefs zuviel Geld? Quelle: AP

Paris Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, 38, greift den 62-jährigen Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn an. Vor dem Parlament drohte Macron dem mächtigen Automanager: „Wir werden ein neues Gesetz erlassen, sollte die Vergütung von Ghosn nicht korrigiert werden!“ Ghosn erhielt im vergangenen Jahr 7,2 Millionen Euro von Renault. Nissan legt noch einmal rund 8 Millionen Euro drauf.

Zum Vergleich: Carlos Tavares, der Peugeot-Citroën führt und dort für einen eindrucksvollen Turnaround gesorgt hat, bringt es gerade einmal auf 5,2 Millionen Euro. Die Empörung über Ghosns fürstliche Bezüge in Frankreich ist also nachvollziehbar.

Doch ist das öffentliche Gestikulieren des Wirtschaftsministers und politischen Hoffnungsträgers Macron ernst zu nehmen? Die Aktionärsschützer der französischen Proxinvest werfen dem französischen Staat vor, in Wirklichkeit passiv zu sein. Unter Macron hat er im vergangenen Jahr seine Beteiligung von 15 auf fast 20 Prozent gesteigert und sich gleichzeitig doppelte Stimmrechte gesichert. Eigentlich wollte die staatliche Beteiligungsagentur die neuen Anteile schon wieder verkauft haben, doch die Kursentwicklung spricht dagegen: es wäre ein Verlustgeschäft.

Proxinvest wirft den Staatsvertretern vor, auf der Hauptversammlung von Renault am vergangenen Freitag, die sich mehrheitlich gegen Ghosns Vergütung aussprach, nicht richtig reagiert zu haben. Der Staat habe nämlich vor dem Votum akzeotiert, seine doppelten Stimmrechte in diesem Falle nicht anzuwenden. Ob das viel geändert hätte, ist fraglich, da die Resolution der HV zu Ghosn nur konsultativen Charakter hat. Schon fast eine Provokation ist allerdings, dass der Verwaltungsrat sich sofort nach der Abstimmung traf und Ghosns Millionen-Gehalt bestätigte.

Bislang also hat die Regierung trotz der hohen Beteiligung bemerkenswert wenig Einfluss gehabt. Jeder Vergleich hinkt, aber sieht man sich an, dass das Land Niedersachsen im Zusammenspiel mit den Arbeitnehmervertretern wenigstens ein Kürzung der Boni für die Vorstandsmitglieder erreicht hat, fragt man sich, weshalb der französische Staat so wenig Schlagkraft entwickelt. Sicher, Ghosn hat keine Affäre zu verantworten wie die von VW. Doch hat auch er keine reine Weste: Das Pariser Umweltministerium veranlasste Tests von Dieselfahrzeugen unter realen Bedingungen. Größte Schmutzschleudern: die Autos mit Renault-Motoren.

Der Renault-Nissan-Chef begründet seine hohen Bezüge damit, dass er ja gleich zwei Unternehmen leite und weltweite Verantwortung trage. Das Argument kann man allerdings auch rumdrehen: Ghosn ist der bestbezahlte Teilzeitarbeiter der Welt. Pro Monat hält er sich maximal zwei Wochen in Frankreich auf. Den Rest der Zeit kümmert er sich um Nissan in Japan. Einen starken Stellvertreter, der eines der beiden Unternehmen der Allianz führen könnte, hat Ghosn stets abgelehnt.


Vergütung als öffentliches Spektakel

Die öffentlich ausgetragene Kontroverse um Ghosns Bezüge wirkt wie ein Rauchvorhang. Renault hat angekündigt, man werde sich Struktur und Kriterien von Ghosns einzelnen Vergütungs-Bestandteilen ansehen und gegebenenfalls ändern. Das sollte Macron abwarten, bevor er schon mit einem neuen Gesetz droht.

Ein weiterer Aspekt kommt hinzu. Viel wichtiger als der Streit um die Millionen ist eine Veränderung der Unternehmensführung, der die staatlichen Vertreter auf der Hauptversammlung zugestimmt haben. Renault verpflichtet sich damit, „nicht für eine Resolution zu stimmen oder eine Resolution vorzulegen, die der Verwaltungsrat von Nissan nicht gutgeheißen hat.“

Diese Formulierung bedeutet nichts anderes, als dass der Schwanz mit dem Hund wackelt. Renault hält 43 Prozent an Nissan, beugt sich aber nun vorab den Richtlinien, die aus Japan kommen. Ein Zufall ist das nicht. Denn Chef von Nissan ist eben Ghosn. Mit den neuen Regeln hat er seinen Zugriff auf das Unternehmen verstärkt. Eine stramme Leistung: Denn im vergangenen Jahr hatte sich Macron monatelang mit Ghosn über die eigenwilligen Machtstrukturen in der Nissan-Renault-Allianz gestritten. Macron störte, dass die Governance der Allianz völlig auf Ghosn zugeschnitten ist.

Der Streit endete mit einer gütlichen Einigung. Bei der Formulierung der Einzelheiten aber hat der Staat sich offenbar übers Ohr hauen lassen. Der Sieger heißt Ghosn. Und Macron erweckt den unschönen Eindruck, nun bei dessen Vergütung ein öffentliches Spektakel zu veranstalten, um über eigene Versäumnisse in den viel wichtigeren Fragen der Governance hinwegzutäuschen.

Macron werden Ambitionen nachgesagt, 2017 bei der Präsidentschaftswahl kandidieren zu wollen

Man muss zugeben: Macron ist derzeit ein viel beschäftigter Mann. Er ist am neuen Arbeitsgesetz beteiligt, bemüht sich um die deutsch-französische Initiative für die digitale Wirtschaft, muss sich um den skandalgebeutelten Nuklearkonzern Areva kümmern und dafür sorgen, dass der nicht den staatlichen Versorger EDF mit in den Abgrund reißt. Und nebenher gründet er eine neue politische Bewegung, „En marche!“, die ihn viel Kraft kostet.

Macron werden Ambitionen nachgesagt, 2017 zur Präsidentschaftswahl zu kandidieren. Leistet er sich aber noch mehr Ausrutscher wie jetzt bei Renault, könnten die sich rasch von selber erledigen.

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