Chefsache Nordamerika Rorsted nimmt sich Henkels Problemzone vor

Henkel-Chef Kasper Rorsted will die Wende im schwachen US-Markt herbeiführen. Neue Manager und alte Marken wie Persil und Schwarzkopf sollen das Düsseldorfer Unternehmen nach vorn bringen.

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Henkel-CEO Rorstedt vor Werbespruch Quelle: dpa Picture-Alliance

Wenn es um die öffentliche Analyse von Problemen im Unternehmen geht, nutzt Henkel-Chef Kasper Rorsted gewöhnlich eher Weichspüler als Scheuersand. Seine Worte wählt er vorsichtig.

Selten redet sich der Däne an der Spitze des Düsseldorfer Herstellers und damit Herr über Marken wie Persil, Bref, Pril oder Vernel so in Rage wie bei der Vorstellung der Konzernzahlen aus 2014: „Wenn man langfristig nicht erfolgreich führt, kann man bei Henkel nicht im Spiel bleiben. So einfach ist das.“ Unzufrieden sei er, er habe personelle Konsequenzen gezogen. Und: „Wir hatten keine guten Innovationen und keine guten Preise im Markt.“

Henkel-Umsatz nach Regionen Quelle: Unternehmen

Rorsteds harsche Diagnose gilt dem Nordamerika-Geschäft. In Kanada, aber vor allem in den USA – Henkels größtem Einzelmarkt – war im vergangenen Jahr nicht nur der um Währungseffekte und Zukäufe bereinigte Umsatz um fast drei Prozent auf 2,9 Milliarden Euro geschrumpft. Auch das operative Ergebnis brach um 15 Prozent ein. Die Umsatzrendite sank in der Region von 17 auf 14,6 Prozent. Damit war Nordamerika, das 18 Prozent zum Konzernerlös beisteuert, im weltweiten Henkel-Reich die einzige Region mit einer Umsatzeinbuße.

Häufiger denn je war Rorsted in den vergangenen Monaten in das US-Headquarter nach Scottsdale im Bundesstaat Arizona geflogen, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Jetzt steht die Marschroute: Mit neuem Personal, Innovationen und jüngst zugekauften Unternehmen will Rorstedt das Desaster in den Griff bekommen.

Kosmetikriesen: Henkel und Procter & Gamble im Vergleich

Eine besondere Rolle sollen dabei das Waschmittel Persil und die Kosmetikmarke Schwarzkopf spielen. Beide Top-Marken wurden kürzlich erstmals in die Regale von US-Einzelhändlern gebracht. „Wir haben einen Plan, den wir diszipliniert umsetzen. Wir müssen in Nordamerika zurück zu nachhaltigem Wachstum kommen“, so Rorsteds Appell.

Ärgerlicher Makel im US-Geschäft

Der Makel im US-Geschäft ärgert Rorsted. Solche Ausreißer nach unten nimmt er persönlich – und kümmert sich auch persönlich. Schließlich hat Rorsted den behäbigen Familienkonzern in den vergangenen sieben Jahren auf Vordermann gebracht. Als er 2008 die Nachfolge von Ulrich Lehner antrat, dümpelte die Umsatzrendite bei zehn Prozent. Heute liegt der Wert bei knapp 16 Prozent und damit auf dem Niveau großer Wettbewerber wie Unilever oder L’Oréal.

Zwar bezeichnet Rorsted den Ergebniseinbruch in Nordamerika als hausgemacht, gleichzeitig aber auch als unerwartet. Beobachter sehen das anders: „Das US-Geschäft lief vorher schon schlecht, da bahnte sich etwas an“, sagt ein früherer Henkel-Manager. Fakt ist: Schon 2013 waren die Erlöse in der Region um 3,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr geschrumpft. Seinerzeit schlug das aber noch nicht auf das Ergebnis durch.

Zudem sei mit Norbert Koll der falsche Mann Regionalchef geworden, kritisiert der Ex-Henkelaner. Koll, der mittlerweile gehen musste, sei kein Turnaround-Manager gewesen. „Auf diesem Hierarchie- und Umsatzniveau ist die richtige Personalpolitik aber entscheidend.“

Waschen, pflegen, kleben - die Henkel-Welt
Von Düsseldorf aus in die ganze Welt: Die Henkel-Zentrale von oben. Persil kennt in Deutscher praktisch jeder. Doch zu dem Dax-Konzern gehört noch viel mehr ... Quelle: Handelsblatt Online
Der Konzern gliedert sich in drei Unternehmensbereiche: Wasch- und Reinigungsmittel, Kosmetik und Körperpflege sowie Klebstoff-Technologien. Während die Wasch- und Reinigungssparte Henkels Traditionsfeld ist, macht der Konzern den Löwenanteil seines Umsatzes mittlerweile mit seinen Klebstoffen. Quelle: Handelsblatt Online
Die bekanntesten Waschmittel von Henkel: Persil, Perwoll, Weißer Riese und Spee. Die Traditionsmarke Persil ist eines der Aushängeschilder des Unternehmens und landet bei Verbraucher- und Markenauszeichnungen der Konsumgüterbranche regelmäßig auf Spitzenplätzen. Quelle: Handelsblatt Online
Die Spülmittel aus dem Hause Henkel heißen Pril und Somat. 2008 kam die Spül- und Reinigungsserie Terra Activ dazu, dessen Einführung mit einer groß angelegten Werbekampagne begleitet wurde. Mit dem als Öko-Spülmittel positionierten Produkt will Henkel den Trend zum gesundheits- und umweltbewussten Verbraucher aufgreifen und für sich nutzen. Quelle: Handelsblatt Online
Auch die Putzmittel-Klassiker Ata, Biff, Der General, Sidolin, WC Frisch und WC Ente stammen vom Düsseldorfer Konzern. Im Geschäftsfeld Wasch- und Reinigungsmittel bietet Henkel wie auch in seinen anderen Sparten eine unüberschaubare Fülle von Marken an. Geht es nach Henkel-Chef Kasper Rorsted, wird sich das in Zukunft ändern: "Wir wollen die Markenvielfalt in den nächsten Jahren weiter verringern", sagte der Vorstandschef schon Ende 2008. Er könne auf Anhieb 50 Marken nennen, die so unbedeutend seien, dass Henkel sich von ihnen nach und nach verabschieden könne - jetzt legt er nach und aus der Ankündigung wird Realität. Quelle: Handelsblatt Online
Der zweite Geschäftsbereich umfasst Kosmetik und Körperpflegeprodukte. Die Dauerbrenner in diesem Bereich: Haarpflegeprodukte von Schwarzkopf, mit den Submarken Gliss Kur, Poly Kur und Taft sowie Schauma. Quelle: Handelsblatt Online
Was den Bereich Körper- und Hautpflege angeht, ist Henkel in den Drogerieregalen mit dem Deo Bac, dem Duschgel Fa, den Hautpflegeserien Aok und Diadermine sowie der Zahncreme Theramed gut vertreten. Seit dreieinhalb Jahren wächst der Bereich Kosmetik und Körperpflege kontinuierlich wie kein anderer Bereich des Konzerns. Henkel hat seiner Kosmetiksparte in den letzten Jahren eine kräftige Kur verpasst: Die Hälfte der 16 Fabriken weltweit wurden geschlossen, das Marketing-Volumen enorm gesteigert und das Portfolio bereinigt. Quelle: Handelsblatt Online

Platzhirsch P&G

Auslöser der Misere ist der Preiskampf mit den großen Rivalen Procter & Gamble (Mr. Proper, Head & Shoulders), Unilever (Dove) und Reckitt Benckiser (Calgon, Cillit Bang). Allen voran Konsumgüterriese Procter & Gamble (P&G) drückt über Preis- und Coupon-Aktionen immer wieder Produkte in die Regale mit dem Ziel, um jeden Preis Marktanteile zu gewinnen.

Henkel ist mit Marken wie Persil, Weißer Riese und Spee im europäischen Waschmittelmarkt zwar die Nummer eins vor Unilever und Procter. Doch jenseits des Atlantiks, in den Regalen von Supermarktketten wie Wal-Mart, Kroger und Safeway, zählt das nicht. Dort kommt Platzhirsch P&G mit seinem Verkaufsschlager Tide auf einen Marktanteil von fast 40 Prozent, rechnet man noch andere Waschmittel wie Gain und Dreft dazu, dominiert der US-Multi rund 60 Prozent des Marktes.

Wie sehr Rorsted der Einbruch in Nordamerika gewurmt hat, bekam zunächst Nordamerika-Chef Koll zu spüren, der Knall auf Fall gehen musste. Der 58-Jährige, seit 2005 bei Henkel und zuvor in Diensten von Gillette, Wella und P&G, sei im Dezember 2014 in den Ruhestand getreten, teilt Henkel auf Anfrage die offizielle Version mit. Auch unterhalb von Koll wurden wichtige Positionen im Marketing und im Vertrieb neu besetzt. Nachfolger an der Spitze in Nordamerika ist seit Jahresbeginn der 51-jährige Jens-Martin Schwärzler, ein Eigengewächs mit knapp 25 Jahren Henkel-Erfahrung.

Henkels Produkte sind in den USA bekannt, Henkel selber nicht

Obwohl damit wieder ein Deutscher auf dem Chefsessel Platz nimmt, fordert Rorsted mehr Amerikaner in verantwortlichen Positionen. Sie würden den Markt und dessen Bedürfnisse besser kennen als Expats, die aus anderen Ländern in die USA gehen. Gleichzeitig räumt er ein, dass es in den Vereinigten Staaten schwierig sei, der Konkurrenz Top-Manager abzujagen. Zwar sind die Produkte von Henkel in den USA bekannt, nicht aber das Unternehmen Henkel. Damit tauchen die Düsseldorfer auf so gut wie keiner Liste der bevorzugten Arbeitgeber auf.

Kurzerhand veranlasste Rorsted daher eine Art Selbsthilfeprogramm, in dessen Rahmen gut zwei Dutzend US-Mitarbeiter mit Karrierepotenzial nach Düsseldorf geholt wurden, um die Abläufe im Konzern und wichtige Ansprechpartner in Marketing, Vertrieb und Forschung kennenzulernen.

Wissenswertes zu Henkel

Fähiges Personal ist das eine. Produkte, die vom Verbraucher goutiert werden, das andere. Auch hier drängt der bisweilen ungeduldige Konzernchef auf schnelle Resultate. Erstmals wurde daher Persil im amerikanischen Einzelhandel eingeführt. Seit Anfang März steht die US-Version des Waschmittels – vorerst noch exklusiv – in den Regalen der fast 4000 US-Läden des Einzelhandelsgiganten Wal-Mart. Bisher gab es Persil nicht im US-Handel. Henkel ist erst seit 2003, nach der Übernahme des US-Herstellers Dial und von dessen Marke Purex, im dortigen Waschmittelmarkt aktiv. Persil wurde bisher nur über das US-Vertriebsnetz des deutschen Küchenherstellers Miele aus Bielefeld oder in Online-Shops verkauft.

Mit Persil sucht Henkel die direkte Konfrontation mit P&G. Denn im Premiumsegment, also bei den höherpreisigen Waschmitteln, gab es bisher keine Alternative zu Tide von P&G. Henkel war nur im mittelpreisigen Segment mit Purex aktiv. Gerade hier gibt es immer wieder Aktionspreise und Rabattaktionen. Um hier künftig nicht mehr mitmachen zu müssen, muss Henkel den US-Konsumenten einen Zusatznutzen bieten, sprich mit Innovationen auftrumpfen. Auch hier sei viel zu wenig geschehen, hatte Rorsted im März bei der Bilanzvorlage moniert.

Ohne Geklecker

Prompt reagierte das neue US-Management und brachte mit Purex Power Shot ein Flüssigwaschmittel mit automatischer Dosiertechnik auf den Markt. Dabei muss der Kunde die Verschlusskappe nicht abschrauben, sondern kann das Waschmittel ohne Geklecker fertig dosiert in die Maschine schütten.

Die zweite Top-Marke, die Rorsted ins Rennen schickt, ist Schwarzkopf, mit rund zwei Milliarden Euro die umsatzstärkste Einzelmarke im Konzern. Schwarzkopf war bisher nur in amerikanischen Friseurgeschäften präsent. Nun sind die von Top-Model Claudia Schiffer beworbenen und angeblich auch von ihr mitentwickelten Shampoos und Spülungen der Produktserie Schwarzkopf Essence Ultime auch im US-Einzelhandel erhältlich.

Einen Umsatzsprung wird es in Henkels gesamtem Nordamerika-Geschäft in jedem Fall geben. Denn 2014 hatte Henkel dort den Klebstoffhersteller Bergquist sowie die drei Unternehmen Sexy Hair, Kenra und Alterna im Friseurgeschäft übernommen. Diese Zukäufe sind in erster Linie für den Umsatzzuwachs in Nordamerika von 670 auf 885 Millionen Euro verantwortlich, den Henkel für das erste Quartal 2015 präsentierte.

P&G wird dem Herausforderer Henkel nicht Regale und Kunden überlassen

Offenbar greifen Rorsteds Sofortmaßnahmen. Organisch, also währungsbereinigt und ohne Übernahmen, legte der Nordamerika-Umsatz immerhin wieder um 2,4 Prozent zu. „Wir haben im Auftaktquartal erste Erfolge gesehen. Es gilt nun, diese Entwicklung fortzusetzen. Wir wissen, dass hier noch ein gutes Stück Arbeit vor uns liegt“, sagte Rorsted in der vergangenen Woche der WirtschaftsWoche. Zudem forderte er, die Ergebnismarge im Nordamerika-Geschäft müsse mindestens wieder auf Konzernniveau steigen, also auf rund 16 Prozent.

Ob der Aufschwung von Dauer ist, steht allerdings nicht fest. Ohne Gegenwehr wird P&G dem deutschen Herausforderer nicht Regale und Kunden überlassen. Erst recht nicht, wenn der Riese aus Cincinnati im US-Staat Ohio Ballast abgeworfen haben wird.

P&G-Chef Alan Lafley hat angekündigt, sich bis spätestens Ende dieses Jahres von rund 100 Marken zu trennen. Nur die wachstumsstärksten 60 Marken dürfen bleiben. Dazu zählen Massenschlager wie Pantene und Head & Shoulders. Nach dem großen Ausverkauf könnte P&G schlagkräftiger und angriffslustiger sein als je zuvor.

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