Chemiebranche Covestro hat Milliarden in der Kasse – die Aktionäre freut's

Der Kunststoffkonzern profitiert vom Branchenboom, bei den Anlegern kommt das Ergebnis bestens an. Was Covestro mit seiner vollen Kasse vorhat.

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Covestro: Was der Konzern mit seinen Milliarden vorhat Quelle: dpa

Köln Zum Schluss gab Covestro-Chef Patrick Thomas seinem Nachfolger noch eine Botschaft mit auf den Weg: „Nächstes Jahr wird Markus Steilemann als CEO an dieser Stelle stehen“, sagte Thomas bei der Präsentation der Covestro-Jahreszahlen in Köln. „Dann wird er hoffentlich von einem weiteren Rekordergebnis berichten können.“

Die Rede von Thomas klang am Dienstag an vielen Stellen nach Abschied – er wird spätestens im September die Spitze des Leverkusener Kunststoffherstellers verlassen und an Vorstandsmitglied Steilemann übergeben. Es war die letzte Bilanzpressekonferenz des Briten, der die ehemalige Bayer-Tochter vor drei Jahren an die Börse geführt und zu einem Highflyer in der Chemie gemacht hat.

In der Branche wird fest damit gerechnet, dass Thomas das Zepter schon früher abgeben wird. Ein geeigneter Termin dafür wäre die Hauptversammlung Mitte April. Sein Nachfolger Steilemann wird jedenfalls der CEO sein, mit dem Covestro im Herbst voraussichtlich in den Dax aufsteigen wird. Bayer hält nur noch rund 14 Prozent an der Firma, der Streubesitz ist also ausreichend hoch für den Dax, die Börsenkapitalisierung von mehr als 18 Milliarden Euro ohnehin.

Bei der Bilanzpräsentation durfte Steilemann bereits alles beantworten, was sich um die Zukunft des künftigen Dax-Konzerns dreht. Spannend sind vor allem zwei Fragen: Wir lange wird der von einer einmaligen Branchenkonstellation getriebene Boom noch halten? Und was macht Covestro mit den gut gefüllten Kassen?

Wie stark die Leverkusener derzeit sind zeigt der Jahresabschluss: Der Betriebsgewinn (Ebitda) schnellte um 71 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro, der Umsatz stieg um 20 Prozent auf 14,1 Milliarden Euro, die konzernweite operative Gewinnspanne erreichte 25 Prozent. Mit diesen Werten hatten selbst einige Analysten nicht gerechnet, obwohl sie die Erwartungen zuletzt immer weiter hochgeschraubt hatten.

Entsprechend war die Reaktion an der Börse. Um drei Prozent auf 93 Euro schnellte der zuletzt schon stark gestiegene Covestro-Kurs hoch. Die Investoren lockte vor allem der starke Ausblick an: Der Konzern erwartet für dieses Jahr einen Betriebsgewinn auf gleicher Höhe wie 2017. Schon das wäre ein großer Erfolg – gingen doch die meisten Experten davon aus, dass die einmalige Sonderkonjunktur für Covestro bald ein Ende finden würde.

Doch das ist nicht absehbar. „Covestro dürfte noch länger als gedacht vom weltweiten Versorgungs-Engpass beim Kunststoff-Vorprodukt TDI profitieren“, kommentiert Analyst Michael Schäfer von der Commerzbank. Das Management selbst schraubt die Erwartungen keinesfalls herunter. In den Prognosen seien mögliche Veränderungen auf der Angebotsseite bereits berücksichtigt – und zwar eher konservativ, wie der künftige Vorstandschef Steilemann unterstreicht.

Gemeint ist damit, dass in nächster Zeit neue Kapazitäten bei den Kunststoff-Vorprodukten kommen könnten. Derzeit herrscht in der Branche regelrecht Not: Die Nachfrage von Automobilherstellern, Bau-Ausrüstern und Elektronikfirmen ist anhaltend hoch. Covestro als Weltmarktführer produziert an der Kapazitätsgrenze und kann die Preise kräftig erhöhen. Im vierten Quartal lagen sie 17 Prozent über Vorjahr.

Die Knappheit liegt auch daran, dass Wettbewerber patzen: BASF kann seine riesige neue TDI-Anlage in Ludwigshafen wegen technischer Probleme noch immer nicht voll fahren. Das dürfte sich noch bis zum zweiten Quartal 2018 hinziehen. Gelingt dies wird BASF zugleich aber dann eine ältere Anlage in Ostdeutschland nach und nach abschalten. Noch weiter zurück liegen die Konkurrenten Saudi-Aramco und Dow in Saudi-Arabien: Ihre Großanlage für Kunststoff-Vorprodukte kommt erst gegen Ende des Jahres in Fahrt.

Es ist also nicht absehbar, dass sich der Markt entspannt. Und selbst wenn spürbar neue Kapazitäten auf den Markt kämen, soll das Covestro nicht beeinträchtigen. Laut Steilemann ist die Nachfrage auf absehbare Zeit so hoch, dass die zusätzliche Menge nicht für Preisdruck sorgen würde.

Der Optimismus der Covestro-Führung baut zudem auf der Expertise bei Technologie und Innovation. Der Konzern verschiebt sein Portfolio immer mehr zu höherwertigen Produkten, die eng mit den Kunden entwickelt werden. Damit sollen Wettbewerber auf Distanz gehalten werden. Vor allem in China setzt Covestro voll auf den dortigen Trend zu mehr Nachhaltigkeit, etwa bei der Isolierung von Gebäuden mit Schäumen und dem Bau von leichten Elektroautos aus Kunststoffen.

Wie stark die finanzielle Lage des Konzerns ist, zeigt eine Zahl besonders: Der Free Operating Cashflow (FOCF) stieg 2017 auf 1,8 Milliarden Euro. Der Wert zeigt an, wie viel Geld Covestro zur freien Verfügung hat - Investitionen, Schuldentilgung und sämtliche Ausgaben sind da schon abgezogen. Das Ziel eines kumulierten FOCF von fünf Milliarden Euro binnen fünf Jahren wird der Konzern wohl schon 2019 statt wie geplant 2022 erreichen.

Die Covestro-Führung hat grob gesehen drei Möglichkeiten, das Geld sinnvoll auszugeben: Weitere Investitionen, Übernahmen und Wohltaten für die Aktionäre. All dies steht auf dem Plan des Vorstands.

Steilemann kündigte am Donnerstag an, die Investitionen hochzufahren, nannte aber keine exakten Zahlen. Dabei wird sich Covestro auf den Ausbau und die Stärkung der bestehenden Produktionsanlagen konzentrieren, etwa um dadurch weitere Produktionsengpässe zu vermeiden. Der Bau komplett neuer Anlagen ist nicht vorgesehen.

Zukäufe sind für Covestro ein schwieriges Thema. In den beiden Kerngeschäften Polyurethan (Schäume für Fassaden, Sitze und Möbel) und Polycarbonat (transparenter Kunststoff für Medizin oder Sportartikel) ist der Konzern so stark, dass die Übernahme eines Konkurrenten kartellrechtlich nicht möglich ist. Der Kauf ergänzender Technologien und Produkte steht aber auf der Agenda des Vorstands.

Größere Übernahmen wären im dritten Covestro-Segment möglich: in der CAS-Sparte, die Zusätze für Lacke und Kleber herstellt. Sie entwickelte sich im vergangenen Jahr deutlich weniger stark als die beiden Hauptgeschäfte, kam aber immer noch auf eine operative Marge von 22 Prozent. Doch Übernahmeziele in der Chemie sind begehrt und teuer. Vor den derzeit geforderten Preisen schreckt Covestro zurück. „Wir kaufen nur zu, wenn wir dadurch Wert schaffen“, sagt Steilemann.

Bliebe der dritte Weg: Wohltaten für die Aktionäre. Schon in diesem Jahr wird die Dividende um 60 Prozent auf 2,25 Euro erhöht. In den kommenden Jahren soll dieser Wert weiter steigen, mindestens aber konstant gehalten werden. Derzeit läuft das angekündigte Aktien-Rückkaufprogramm: Für bis zu 1,5 Milliarden Euro nimmt der Konzern eigene Aktien vom Markt. Das treibt den Kurs ebenfalls an.

Bis ungefähr Mitte kommenden Jahres darf Covestro keine weiteren Aktienrückkäufe ankündigen und umsetzen. Dann aber hätte der Vorstand dafür wohl wieder freie Hand. Der künftige CEO Steilemann macht am Donnerstag deutlich, dass man einem solchen Schritt dann durchaus prüfen werde.

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