Chemieindustrie Gewerkschaft befürchtet Kurzarbeit

Deutschlands Chemiebranche blieb von der Eurokrise bisher weitgehend verschont. Doch nun trüben sich laut der Gewerkschaft IGBCE auch dort die Aussichten ein. Gewerkschaftschef Vassiliadis warnt vor „nackter Ausbeutung“.

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Mitarbeiter der Firma AMTC in Dresden. Quelle: ap

Hannover Die Gewerkschaft IG BCE warnt vor einer spürbaren Abkühlung in der deutschen Chemieindustrie im Wahljahr 2013 und drängt die Politik zur Hilfe. Noch sei die Lage zwar relativ stabil, sagte der Vorsitzende Michael Vassiliadis am Montagabend in Hannover. Vor allem Autozulieferer gerieten aber zunehmend unter Druck. „Wir sind der Meinung, dass man die Instrumente zur Kurzarbeit scharf schalten sollte“, empfahl der Gewerkschaftschef.

Anders als 2008/09 sei „kein Big Bang“ zu befürchten. Doch die Auswirkungen der nachlassenden Nachfrage in Süd- und Westeuropa könnten Exporteure nicht auf die leichte Schulter nehmen. Echte Gefahr drohe, „wenn Unternehmen in Schwierigkeiten geraten, aber die Wahrnehmungsschwelle nicht überschritten wird“, warnte Vassiliadis mit Blick auf neue Diskussionen um die Zahlung von Kurzarbeitergeld: „Ich glaube, das ist ein Risiko - gerade in einem Wahlkampfjahr.“

Die IG-BCE-Spitze verlangt außerdem klare Regeln, um Fälle „nackter Ausbeutung“ zu unterbinden. Das Betriebsverfassungsgesetz solle so reformiert werden, dass Firmen den Einsatz von Zeitarbeitern oder Werkverträgen stets begründen müssen. Nach Gewerkschaftsangaben treffen solche Arbeitsverhältnisse in der Branche derzeit auf 4,5 Prozent des Gesamtpersonals zu, in einigen Werken sogar auf bis zu ein Fünftel der Belegschaft. Viele Betriebe hielten sich an faire Standards - es gebe jedoch auch zahlreiche Gegenbeispiele, in denen befristete und schlecht bezahlte Jobs zum Geschäftsmodell würden.

Die „Neuordnung der Arbeit“ stehe 2013 daher an oberster Stelle der Gewerkschaftsarbeit, sagte Vassiliadis. Wenn sich ein zwingendes Mitspracherecht der Betriebsräte bei Leiharbeit in Tarifverhandlungen nicht durchsetzen lasse, müsse es gesetzliche Regelungen geben.

Für die stockende Umsetzung der Energiewende dürften nicht allein die Bürger belastet werden, betonte der Gewerkschafter. Die Akzeptanz für das Projekt drohe zu schwinden, wenn - wie bei den Haftungsregeln für den verzögerten Netzanschluss von Offshore-Windparks - am Ende der Stromkunde die Zeche zahle. Das Kompetenz-Wirrwarr in der Energiepolitik halte an: „Es ist kein Masterplan, keine Roadmap da.“

Bei den umstrittenen Probebohrungen nach gebundenem Erdgas zeigt sich die IG BCE offen für kritische Studien. Nötig seien weitere Analysen zur Frage, ob das sogenannte Fracking der Umwelt schaden könne. „Das müssen wir mit aller Konsequenz angehen“, meinte Vassiliadis. Man dürfe die Methode nicht vorschnell ablehnen.

Den Mitgliederschwund voriger Jahre glaubt die IG BCE endgültig überwunden zu haben. Nach Angaben von Vorstand Edeltraud Glänzer stieg die Zahl der erwerbstätigen Mitglieder bis Ende November im Vergleich zum Vorjahr leicht um 0,1 Prozent. „Es gibt gegenwärtig circa 392.000 Menschen in den Betrieben. Ich hoffe, dass wir am Ende des Jahres noch einmal 1000 obendrauf haben“, sagte sie. Betrachtet man die Gesamtentwicklung der Mitglieder mit Rentnern, Arbeitslosen, Branchenwechslern und Sterbefällen, ist die Bilanz jedoch negativ.

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