Chemieriese vor dem Umbruch Wie BASF den Ruf des "Unantastbaren" verliert

BASF gilt als deutscher Vorzeigekonzern. Ausruhen darf sich der weltgrößte Chemieriese aber nicht: Der niedrige Ölpreis, ein neuer Megakonkurrent und eigene Versäumnisse bedrohen den Nimbus aus Ludwigshafen.

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BASF-Werk in der Dämmerung. Quelle: AP

Jahrzehntelang schien es, als könnten all die Erschütterungen in der Chemieindustrie dem Branchenprimus BASF nie etwas anhaben. Der Hoechst-Konzern in Frankfurt wurde zerschlagen, ein Opfer rigoroser Shareholder-Value-Ideologie, die kurzfristig das Maximale für die Aktionäre herausholen will. Degussa ging im Essener Spezialchemiekonzern Evonik unter. Und Bayer verstieß seine Chemiesparte als Lanxess und Covestro aus dem Konzern. Nur in Ludwigshafen am Rhein, bei der 150 Jahre alten BASF, blieb alles ruhig. Umsatz und Gewinn stiegen meist, die Aktie galt als sicherer Hafen.

Damit ist es erst mal vorbei. Der noch weltgrößte Chemiekonzern mit rund 70 Milliarden Euro Jahresumsatz und weltweit 113.000 Mitarbeitern ist dabei, den Ruf des Unantastbaren zu verlieren. Während Konkurrenten wie Evonik und der jüngste Bayer-Ableger Covestro prosperieren, schwächelt BASF. Im Gesamtjahr 2015 sackte der Umsatz um fünf Prozent und der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) um 18 Prozent ab. Die BASF-Aktie befindet sich seit dem Frühjahr auf Talfahrt. Nähere Angaben zur Bilanz macht der Konzern am 26. Februar.

Das haben die einzelnen BASF-Sparten 2015 erwirtschaftet

Der Gigant aus Ludwigshafen leidet unter dem Ölpreisverfall, der Chinakrise und eigenen Fehlern. Konzernchef Bock hat gegen absehbare Widrigkeiten nicht rechtzeitig gegengesteuert und auf Trends nicht ausreichend reagiert. Derweil haben die US-Konkurrenten Dow Chemical, unter anderem Erfinder des Plastik-Gefrierbeutels, und DuPont (Teflon, Nylon, Neopren) angekündigt, dieses Jahr zu einem Riesen mit etwa 90 Milliarden Dollar Umsatz zu fusionieren. In einem zweiten Schritt sollen sich aus diesem heraus je ein selbstständiger Pflanzenschutz-, Kunststoff- und Spezialchemiehersteller bilden.

Das BASF-Rohstoffgeschäft leidet

„Jeder dieser Teilkonzerne zielt auch auf die BASF“, sagt Oliver Schwarz, Analyst beim Bankhaus Warburg, „jedes der neuen Unternehmen ist schlagkräftiger als zuvor DuPont und Dow Chemical alleine.“ BASF-Chef Bock hat die Zeit des billigen Geldes nicht genutzt, um sich durch Zukäufe zu stärken. Nun muss er reagieren, statt agieren zu können.

Die größten Chemiekonzerne der Welt
Platz 10 - PPG Industries (USA) Quelle: AP
Linde Quelle: dpa
Platz 8: Air Liquide (Frankreich) Die Erfindung von flüssiger Luft legte den Grundstein für einen Weltkonzern. Im vergangenen Jahr kam der französische Chemieriese auf einen Umsatz von 19,08 Milliarden Dollar. Quelle: obs
Platz 7: Henkel (Deutschland)Weltweit ist der Düsseldorfer Konzern bekannt für seine Marken Persil, Pril oder Pritt. Mit einem Umsatz von 19,69 Milliarden Dollar spielt der Dax-Konzern auch unter den internationalen Chemieriesen vorne mit. Quelle: dpa
Platz 6: Dupont (USA)Der komplette Name des amerikanischen Chemieriesens lautet „E I Du Pont de Nemours“. Das geht zurück auf die französischen Gründer, die in die USA emigriert waren und dort 1802 begannen, Sprengstoffe zu produzieren. Heute macht das Unternehmen in über 80 Ländern weltweit einen Umsatz von insgesamt 24,6 Milliarden Dollar. 2017 erfolgte die Fusion mit dem Rivalen Dow Chemical zum größten Chemiekonzern der Welt. Quelle: dpa
LyondellBasell Industries (Niederlande) Quelle: REUTERS
Platz 4 - Saudi Basic Industries (Saudi-Arabien) Quelle: SABIC

Ausgerechnet mit Blick auf die US-Attacke präsentiert sich der amtierende Weltmeister in schwacher Verfassung. Besonders das Rohstoffgeschäft der Ludwigshafener leidet. „Mineralwasser ist derzeit teurer als Rohöl“, sagt Mario Mehren, Chef der BASF-Tochter Wintershall, die im Konzern für die Öl- und Gasförderung zuständig ist und jeweils gut ein Fünftel zum Jahresumsatz und -gewinn beiträgt. Ein Barrel Öl (159 Liter) ist am Weltmarkt für gut 30 Dollar zu haben – damit hat sich der Ölpreis gegenüber dem schwachen Vorjahr noch einmal halbiert.

Lange hatten die BASF-Manager mit Ölpreisen von 60 bis 70 Dollar je Barrel kalkuliert. Inzwischen haben sie entsprechende Wertberichtigungen vorgenommen – vor allem deswegen sinkt nun im Konzern das Ebit für 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 18 Prozent auf 6,2 Milliarden Euro. Besserung ist nicht in Sicht; 2016 sollen die Ölpreise weiter niedrig bleiben.

Auch die Chinakrise trifft BASF mit Wucht. Hunderte Millionen Euro hat der Konzern in den vergangenen Jahren etwa an den Standorten Nanjing in Ost- und Chongqing in Zentralchina investiert. Im dritten Quartal stürzte das Ebit in der Region Asien – im Wesentlichen China – jedoch um 60 Prozent von 173 auf nur noch 70 Millionen Euro. Den Gewinnabsturz muss sich Konzernchef Bock, der seit 2011 am Ruder ist, mit anrechnen lassen. BASF habe im Reich der Mitte zu wenig auf Konsumgüter gesetzt, kritisierte kürzlich BASF-Vorstand Sanjeev Gandhi, der seit gut einem Jahr für die Region zuständig ist. „Wir müssen ein möglichst breites Spektrum von Produkten im Portfolio haben und schneller in der Lage sein, unsere Schwerpunkte zu verlagern“, fordert Gandhi.

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