China Gute Geschäfte, sehr schlechte Aussichten

Smog in Shanghai. Quelle: imago images

Deutsche Firmen verdienen weiter gutes Geld in China. Aber sie blicken zunehmend negativ in die Zukunft. Es wird immer schwieriger, langfristig am Wachstum teilhaben zu können.

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Verliert ein Unternehmen in China den Mut, muss es zur Auslandshandelskammer (AHK) gehen. Im 29. Stock eines Hochhauses im Norden Shanghais, wo die deutsche Handelskammer sitzt, gibt man sich stets optimistisch. Wo Unternehmen Gängelungen beklagen, spricht die Kammer von Herausforderungen. Wo viele einen beschränkten Marktzugang bemängeln, sieht man dort Raum für Reformen. Die Handelskammer in China könnte noch die staatliche Enteignung der gesamten deutschen Industrie als Umverteilung loben.

Manchmal fragt man sich, für wen die deutsche Interessensvertretung eigentlich Lobbyismus betreibt. Denn die Situation ist alles andere als rosig. Diesen Freitag hat die Kammer ihren jährlichen Business Confidence Survey vorgestellt, in dem sie ihre Mitgliedsunternehmen zu ihrem Chinageschäft befragt. Und wie bereits in den vergangenen Jahren hat es der Bericht in sich. Langsames und beschränktes Internet, unzureichende Rechtssicherheit, fehlende Fachkräfte, grenzüberschreitende Kapitalverkehrskontrollen, ausbleibende Reformen und ein mangelnder Schutz geistigen Eigentums: Die Liste der Probleme ist lang. Wirtschaftlich geht es den meisten Unternehmen zwar gut. Doch kaum eines der 423 Unternehmen, die an der Umfrage teilgenommen haben, glaubt noch, dass es so bleibt.

Die Probleme, mit denen die Firmen in China kämpfen, sind so alt wie das Chinageschäft selbst. Rechtliche und regulatorische Hindernisse, vor allem Zollangelegenheiten, die Lizenzierung von Produkten und Dienstleistungen sowie den Schutz geistigen Eigentums machen den Unternehmen dabei besonders Sorgen. Manchmal dürfen Unternehmen plötzlich bestimmte Lebensmittel nicht mehr einführen, dann ändern sich die Sicherheitsbestimmungen für produzierende Firmen, dann gibt es mal gar keine Erklärung, warum eine Genehmigung nicht durchgeht.

Eines der größten Probleme für Firmen aktuell sind die Internetgeschwindigkeit und der beschränkte Zugang auf ausländische Internetseiten. Während Seiten wie Google, Facebook und Youtube komplett gesperrt sind, öffnen sich ausländische Webseiten sehr viel langsamer im Vergleich zu in China gehosteten Seiten. Zwei Drittel der befragten Unternehmen bewerten das inzwischen als massive unternehmerische Hürde.

Internet-Beschränkungen sind ein Problem für Industrie 4.0

Besonders Sorge dürfte den Firmen der noch unbestätigte Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg machen, ab Februar 2018 VPNs komplett zu verbieten. Die kleinen Programme helfen dabei, die Internetblockade zu umgehen. Fast ausnahmslos alle Firmen nutzen die Software, um Kontakt mit den Mutterunternehmen zu halten sowie zu recherchieren und mit dem Ausland zu kommunizieren. Ganz davon zu schweigen, dass mit der Verbindung in Sachen Industrie 4.0 in China gar nichts geht.

Besonders problematisch ist auch das neue chinesische Internetsicherheitsgesetz, das Anfang Juni in Kraft getreten ist. Dieses zwingt ausländische Unternehmen die Daten ihrer Kunden in China zu speichern, räumt den Behörden aber auch weitreichende Zugriffsrechte auf die IT-Infrastruktur von Unternehmen ein, so dass viele Firmen um ihre Betriebsgeheimnisse fürchten. Erst diese Woche hat Amazon bekannt gegeben, seine Hardware für seinen Clouddienst an seinen chinesischen Partner zu verkaufen. Das Gesetz fordert neue Genehmigungen von ausländischen Firmen, wenn sie IT-Infrastruktur in China anbieten wollen. Amazon sah für sich wohl keine Chance mehr in dem Geschäft.

Das Paradoxe ist: Die Unternehmen bewerten die aktuelle wirtschaftliche Situation und ihre Geschäftstätigkeit in China grundsätzlich positiver als noch im Vorjahr. Fast zwei Drittel der befragten Unternehmen erwarten im laufenden Jahr ihre Geschäftsziele zu erreichen oder sogar zu übertreffen, 75 Prozent der Unternehmen rechnen mit weiteren Umsatz- und Gewinnsteigerungen in 2018. Das heißt: Die Nachfrage ist da, die chinesische Wirtschaft wächst. Nur scheinen die Firmen nicht mehr das Gefühl zu haben, langfristig am Wachstum teilnehmen zu können.

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