Salsa-Quark von Milram, WM-Kartoffelsalat von Homann, Würstchen in Schwarz-Rot-Gold von Eberswalder oder Salsa-de-Brasil-Chips von Chipsfrisch – die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien kurbelt den Absatz in deutschen Supermarktketten an. Produkte mit einem WM-Bezug gehen weg wie warme Semmeln. Nur eben die Semmeln nicht.
Denn die Tiefkühltruhen bei Kaufland in Düsseldorf, in denen eigentlich die Brötchen im Fußball-Design von Coppenrath & Wiese liegen sollten, sind am Samstagvormittag schon so leer wie Bierkästen nach dem grandiosen Auftaktsieg von Jogis Jungs gegen Portugal. Die gleiche Tristesse bietet sich nebenan. Weizenbrötchen: leer. Mehrkornbrötchen: leer. Baguettebrötchen: leer. Ganze drei Tüten mit Dinkelbrötchen finden sich in den mehrere Meter langen Truhen, die für Coppenrath & Wiese reserviert sind.
Das Familienunternehmen aus Osnabrück hat allerdings keinen WM-bedingten Lieferengpass, es hat ein grundlegendes Problem. Seit mehr als einem Jahr liegt den beiden familienfremden Geschäftsführern ein Investitionsplan vor, der jedoch von den Gesellschaftern noch nicht bewilligt ist. Darin aufgelistet sind wichtige Projekte zur Ausweitung der Kapazitäten, insbesondere bei den boomenden Tiefkühlbrötchen. Zudem halten sich seit Monaten hartnäckig Gerüchte, Coppenrath & Wiese stehe zum Verkauf.
Jetzt herrscht Klarheit: Die Erben des verstorbenen Mitgründers und Inhabers Aloys Coppenrath trennen sich, kaum anderthalb Jahre nach dessen Tod, von ihrem kerngesunden Unternehmen. Das beschloss die Gesellschafterversammlung am Dienstagabend vergangener Woche in der Hauptverwaltung in Osnabrück. Am Mittwochmorgen wurden die rund 2200 Mitarbeiter informiert. Letztlich waren die Scheu der Erben vor finanziellen Risiken sowie die familieninternen Unstimmigkeiten größer als die Familienbande und die Loyalität zur Lebensleistung des Vaters und den Mitarbeitern.
Der Verkauf soll nun schnell über die Bühne gehen. Es werde nur mit einem kleinen Kreis möglicher Käufer verhandelt, teilt das Unternehmen mit. Als wahrscheinlichster Investor gilt der Schweizer Nestlé-Konzern, mit dem es nach Informationen der WirtschaftsWoche schon Gespräche gegeben hat. Ein Nestlé-Sprecher wollte dies nicht kommentieren.
Zweiter Kandidat dürfte die Oetker-Gruppe aus der Nachbarstadt Bielefeld sein. Sie soll schon in Osnabrück angefragt haben, Gespräche hätten jedoch noch nicht stattgefunden, heißt es aus dem Unternehmensumfeld. Oetker hatte vergangene Woche im Rahmen der Bilanzpressekonferenz ein grundsätzliches Interesse an Coppenrath & Wiese signalisiert.
Ebenfalls in der engeren Auswahl sollen laut Informationen aus dem Unternehmensumfeld zwei Finanzinvestoren sein. Dabei soll es sich um die Peter Möhrle-Holding aus Hamburg handeln sowie das Private-Equity-Unternehmen Cinven aus London. Beide Unternehmen wollten dazu keine Stellung nehmen.
Fehlende Beziehung zum väterlichen Unternehmen
Damit findet die Geschichte eines der erfolgreichsten und innovativsten deutschen Familienunternehmen kurz vor dem 40. Jubiläum ein jähes Ende. Dabei hatte sich in Osnabrück zunächst sogar eine familieninterne Lösung angedeutet. Die drei Kinder Anne-Caroline Ramm, Jens und Rolf Coppenrath hatten zunächst signalisiert, am väterlichen Erbe festhalten zu wollen und sogar als Beiräte in die unternehmerische Verantwortung zu gehen. Ihre Mutter Brigitte Coppenrath pochte ohnehin auf das Vermächtnis ihres Mannes, der zusammen mit seinem Vetter Josef Wiese das Unternehmen 1975 gegründet hatte. Die drei Kinder halten über eine Beteiligungsgesellschaft 89 Prozent am Tiefkühltortenprimus.
Doch schon wenige Monate nach dem Tod von Aloys Coppenrath geistern erste Verkaufsgerüchte durch die Branche. Sie kommen keinesfalls überraschend. Eine echte Bindung, einen emotionalen Bezug zum väterlichen Unternehmen hat es bei den Coppenrath-Kindern nie gegeben. Im Gegenteil: Sie haben sich weiter distanziert.
Jens Coppenrath, der als einziger der Erben am Dienstag nicht an der Gesellschafterversammlung teilnahm, lebt seit mehr als 15 Jahren mit seiner Frau Karle, einer Hochzeitsplanerin, und seinen drei Kindern in Port Townsend bei Seattle im US-Staat Washington. Dem 48-Jährigen gehört ein Unternehmen namens Diethelm, mit dem er Immobilien und Vermögen verwaltet.
Seine Schwester Anne-Caroline Ramm wohnt mit ihrem zweiten Ehemann Hans-Christian in einer Villa in Berlin-Dahlem. Die Ramms haben eine Tochter und zwei Söhne. Die 52-Jährige hatte sich schon zur Jahreswende ausstiegswillig gezeigt und soll auf die Auszahlung ihres Anteils von knapp 30 Prozent gedrängt haben. Den taxierten Banken seinerzeit auf rund 150 Millionen Euro.
Dritter im Erben-Bund ist Rolf Coppenrath, dem gemeinsam mit seiner Frau Anne der kleine Hamburger Life! Verlag mit Titeln wie „Food and Travel“ und „Das Karibik-Magazin“ gehört. Seit 2002 führt der 51-jährige Volkswirt den Verlag, zuvor sammelte er als Verlagsleiter und Verleger unter anderem bei „Auto-Bild“, „Sport-Bild“, „Familie & Co“ und dem Finanzen Verlag Erfahrungen.
Im Mai noch hatte Coppenrath & Wiese-Betriebsratschef Karl-Heinz Hukriede die Mitarbeiter beruhigt. Sie müssten sich keine Sorgen machen, das hätte ihm Rolf Coppenrath in einem längeren Telefonat versichert. Anne-Caroline Ramm und Jens Coppenrath sind hingegen selbst bei lang gedienten Cowis gänzlich unbekannt.
Finanzielle Altlasten schreckten die Erben ab
Die Kinder haben sich in der Vergangenheit nicht nur gemeinsam vom Unternehmen entfernt, sondern sich auch intern über die Fortführung entzweit. Daraus soll jedenfalls der Anwalt eines Gesellschafters keinen Hehl gemacht haben, als er den Beschluss der Gesellschafterversammlung in einem kleinen Kreis von Mitarbeitern kommentierte, berichtet einer, der dabei war.
Neben den fehlenden emotionalen Bindungen und den familieninternen Zwistigkeiten dürfte auch ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko die Coppenrath-Erben abgeschreckt haben. Zwar ist Coppenrath & Wiese Europas größter Hersteller von tiefgekühlten Torten, Kuchen und Backwaren. Das Familienunternehmen erzielte zuletzt rund 380 Millionen Euro Umsatz, ein Viertel davon im Export. Und es gilt als hochprofitabel, die Rede ist von einer zweistelligen Umsatzrendite.
Doch der Marktführer knabbert seit fast zehn Jahren an Altlasten. 2005 hatte Aloys Coppenrath die 50-prozentige Beteiligung seines langjährigen Mitstreiters Wiese übernommen. Zur Finanzierung holte er sich die Düsseldorfer WestLB mit einem Kapitalanteil von 26,9 Prozent ins Haus. Diese zeitlich begrenzte Beteiligung der Bank kaufte er im Sommer 2008 zurück. Dafür wiederum erhielt Coppenrath von einem Bankenkonsortium ein Darlehen in nicht bekannter Höhe. Seitdem gehört das Unternehmen zu 100 Prozent der Familie.
In den vergangenen Jahren investierte Coppenrath dreistellige Millionenbeträge in modernste Produktionslinien. Zuletzt wurden vier Millionen Euro in ein neues Besucherzentrum gesteckt.
Doch auch die neuen Linien sind Lieferantenkreisen zufolge schon wieder voll ausgelastet. Es müssten weitere 50 bis 100 Millionen Euro investiert werden, heißt es. Vor allem bei den Anlagen zur Herstellung von Tiefkühlbrötchen, die 15 Prozent zum Umsatz beisteuern, seien Kapazitätserweiterungen dringend nötig, sagt ein großer Zulieferer.
Immerhin hat der neue Eigentümer nun fast vier Jahre Zeit, damit bis zur kommenden WM in Russland reichlich Fußball-Brötchen in den Tiefkühltruhen des Handels landen.