Daimler mit Rekorden Die erfolgreiche Operation des Dr. Z

Viele hatten Daimler schon abgeschrieben. Doch mit dem Rekordgewinn präsentieren sich die Schwaben so stark wie nie – und wollen nun die Krone zurück. Für Konzernchef Zetsche ist das eine späte Genugtuung. Ein Kommentar.

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Der Mann mit markanten Walrossbart schafft mit Daimler gleich drei Rekorde. Quelle: dpa

Jetzt bloß nicht in Euphorie verfallen. Daimler-Chef Dieter Zetsche versucht es mit ein bisschen Zurückhaltung: „Erfolge muss man sich immer wieder neu erarbeiten“, erklärt er. Dabei hat er gerade das beste Ergebnis in der langen Geschichte des schwäbischen Autobauers präsentiert. Gleich drei neue Rekorde hat Daimler im Geschäftsjahr 2015 aufgestellt: Noch nie hat der Premiumriese so viele Autos verkauft, noch nie hat der Konzern damit so viel Umsatz erzielt, noch nie haben die Schwaben damit so viel Gewinn erzielt – insgesamt 13,8 Milliarden Euro.

Daimler ist noch stärker als in Zeiten, in denen die Krone der Premiumhersteller wie selbstverständlich nach Stuttgart ging. Wer hätte das gedacht?

Noch vor wenigen Jahren wirkte die Marke mit dem Stern wirkte wie ein Superstar, der in die Jahre gekommen war. Die Schwaben hatten etliche Trends verschlafen. Während BMW mit seinen SUV-Modellen immer neue Rekorde einfuhr und Audi in China Verkaufsrekord um Verkaufsrekord vorlegte, mühte sich Daimler mit einer veralteten Modellpalette ab. Die Stuttgarter versuchten, mit der agilen Konkurrenz mitzuhalten – und wurden überholt. Erst von BMW, dann von Audi.

Und auch Zetsche galt als angeschlagen: „Einsame Spitze“ titelte damals das „Süddeutsche Magazin“ mit dem mutmaßlich einsamen Konzernlenker auf dem Cover. Ein Titel, der die Gemütslage traf. Tatsächlich war es damals einsam geworden um Zetsche. Die Aktionäre beklagten die maue Entwicklung des Aktienkurses. Die Arbeitnehmer setzten sich gar dafür ein, den Vertrag des Vorstandsvorsitzenden nur um drei Jahre zu verlängern – und Zetsche damit nur auf Bewährung an der Spitze zu lassen. Viele rechneten gar mit einem vorzeitigen Abgang.

Doch Zetsche bewies Nehmerqualitäten. Heute erklärt er seine Geduld im Interview mit der „Welt am Sonntag“ so: „Natürlich haben wir damals gewusst, welche Fahrzeuge wir in der Pipeline haben und dass uns das enormen Schub geben wird“. Doch ehrlicherweise rechneten nur wenige damit, dass der Abstand zu Audi und BMW so schnell schrumpfen würde.

Zetsche stritt eher mit der eigenen Belegschaft – um Sparprogramme und einen Umbau der Produktion. Im Werk Sindelfingen kam es zu Warnstreiks. In puncto Rendite hechelten die Schwaben hinterher. Daimler schien für Außenstehende vor allem mit sich selbst beschäftigt zu sein. Doch mittlerweile zeigt sich: Die komplizierte Operation des Dr Z. scheint gelungen.


E-Klasse muss ein Erfolg werden

Umso mehr ist das Rekordjahr 2015 ein persönlicher Erfolg für den Vorstandsvorsitzenden. Seine Kritiker sind mittlerweile verstummt, sein Vertrag soll noch einmal um zwei weitere Jahre verlängert werden. Dividende und Mitarbeiterprämien steigen weiter. Einsam ist Zetsche längst nicht mehr. Und trotzdem tritt der Chef auf die Euphoriebremse.

Denn auch Zetsche weiß, dass der Gewinnsprung von Daimler auch den günstigen Umständen geschuldet ist – vor allem dem Erfolg der S-Klasse. Daimlers Spitzenmodell ist bei den Schwaben schon immer eine absolute Gewinnmaschine: Mit jeder verkauften S-Klasse soll Daimler 30.000 Euro einnehmen – Gewinn, nicht Umsatz. 2015 hatte die Konkurrenz im Spitzensegment nur veraltete Modelle entgegenzusetzen. Dieses Jahr dürften BMW und Audi versuchen, den Schwaben das lukrative Segment mit neuen Spitzenmodellen streitig zu machen. Auch deswegen ist Daimlers Gewinnausblick für das neue Jahr verhaltener.

Und auch der große Erfolg in China wird sich nicht ohne weiteres wiederholen lassen. Um 41 Prozent konnte Daimler im vergangenen Jahr beim Absatz zulegen. Die Aufholjagd in Fernost lief außerordentlich gut. Dieses Jahr dürfte es langsamer vorangehen.

Darum bremst Zetsche schon mal vorab die Euphorie – zum Ärger der Anleger. Das große Ziel, bis 2020 die Krone der Premiumhersteller zurück nach Stuttgart zu holen, hat Daimler noch nicht erreicht. An Audi ist man mittlerweile wieder vorbeigezogen, dieses Jahr soll BMW überholt werden. Damit das gelingt, muss die neue E-Klasse zum Erfolg werden. Und auch die runderneuerte SUV-Modellpalette könnte ihren Teil dazu beitragen. Für Zetsche wäre es wohl die größte Genugtuung, auf dem Zenit seines Erfolges abzutreten.

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