David Robertson Wie Lego scheiterte und sich wieder entdeckte

Lego stand 2003 kurz vor der Insolvenz. Der Klötzchenproduzent hat zurück zum Markenkern gefunden und steht nun stärker da denn je – auch dank der digitalen Spielewelt. Wie das kam, erklärt Lego-Experte David Robertson.

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Die Metamorphose von Lego Quelle: Marcel Stahn

Herr Robertson, wann haben Sie zuletzt mit Lego gespielt?

David Robertson: Ich baue viel Lego mit meinem Sohn – aber ich selbst beschäftige mich vor allem mit dem Unternehmen. Ich bin 54 Jahre alt, als ich das letzte Mal alleine Lego gebaut habe, gab es noch keine Minifiguren, nur einen Haufen Steine.

Zur Person

Viele von denen, die früher mit diesem Haufen spielten, sind heute noch begeistert von Lego. Was ist das Besondere an der Marke Lego?

Lego hat ein gigantisches Spielsystem geschaffen. Jedes Set, das sich die Kinder oder Erwachsenen kaufen, vervielfacht die Möglichkeiten des Bauens. Legos großer Leistung war es, Standards einzuführen, die fast jedes Set miteinander kompatibel machten.

Die Geschichte Legos

Von dieser Strategie ist Lego allerdings eine Zeit lang abgekommen – als die Verkaufszahlen erstmals stark nachließen.

In den späten Neunzigern und Anfang der 2000er Jahre, ja. Lego fuhr bis 1993 unglaubliche Wachstumsraten ein – über 15 Jahre lang wuchs das Unternehmen jedes Jahr um 14 Prozent. Alle fünf Jahre hatte sich seine Größe verdoppelt. Als dann die Verkäufe abflauten, probierte Lego einiges Neues aus.

Unter anderem haben sie die Zahl der Sets, die neu auf den Markt kamen, deutlich erhöht.

Ja, die Zahl hat sich verdreifacht – jedes Jahr. Die Verkäufe stimulierte das allerdings nicht, dafür stiegen die Produktionskosten für Lego. Die Folge: Der Umsatz ließ nach und 1998 musste Lego große Verluste hinnehmen.

Also hat sich Lego auf neuen Pfaden versucht.

Die Unternehmensführung wollte die Marke neu erfinden – das versuchten sie bis 2002. Sie glaubten, die Bauklötze seien passé – die Kinder wollten heutzutage digitales Spielzeug. Also experimentierte Lego mit vielen verschiedenen Geschäftsideen: Sie verkauften Uhren, Klamotten, investierten in ihre Themenparks, produzierten Computerspiele. Das Ganze brach 2003 zusammen und hätte Lego beinahe in die Pleite geführt – besonders Lego Star Wars.

David C. Robertsons „Das Imperium der Steine“ erschien Anfang 2014 im Campus Verlag.

Die erste Episode der zweiten Star-Wars-Trilogie erschien 1999 und Lego veröffentlichte Produktlinien zum Film. Als ich ein Junge war, wollte jeder in dem Alter Lego-Star-Wars. Wie sollte das Lego aus dem Geschäft werfen?

Lego zahlte viel Geld für die Lizenzen. Zum Filmstart waren die Regale wie leer gefegt. Im Folgejahr brachte Lego deswegen neue Sets heraus – aber es erschien kein Star-Wars-Film und damit war die Nachfrage sehr gering. Lego hatte viel zu viel produziert. 2001 erschien der Harry-Potter-Film – die dazugehörigen Lego-Sets verkauften sich sehr gut. Im Jahr darauf gab es einen Star-Wars- und einen Harry-Potter-Film und die Verkaufszahlen gingen durch die Decke.

Aber?

Nun, als 2003 und Anfang 2004 kein Film mehr erschien, hatte Lego zu wenig verkauft, um die Kosten hereinzuholen – das brachte Lego an den Rand des Bankrotts.

Der Umschwung

Ende dieses Jahres erscheint ein neuer Star-Wars-Film und bis heute, 16 Jahre nach dem ersten Lego-Star-Wars-Set, gibt es immer wieder neue Produkte.

Mittlerweile ist das Geschäft hochprofitabel für beide Seiten, weil Lego seine Produktion auf die Filme abstimmt – dadurch ist es eine der besten Partnerschaften der Crossbranding-Geschichte geworden.

Lego versuchte also erst das alte Erfolgsrezept auszuweiten – das klappte nicht. Und dann weitete Lego sein Geschäftsfeld aus – das hätte letztendlich fast in die Insolvenz geführt. Was bleibt der Unternehmensführung in so einer Situation?

Zuerst ging die Unternehmensführung.

Gewinn der Lego Group weltweit

2004 kam der damals gerade einmal 36-jährige Jørgen Vig Knudstorp. Es war das erste Mal, dass die Eigentümerfamilie einem Außenstehenden ihr Vertrauen schenkte.

Das war ein sehr wichtiger Schritt. Man sieht ja das Ergebnis: Von einem Unternehmen kurz vor dem, Bankrott hat sich Lego innerhalb von zehn Jahren zu einem der erfolgreichsten Spielzeugproduzenten der Welt gemausert.

Hätten Sie vor zehn Jahren gedacht, dass ein vermeintlicher Zahlenmensch wie Knudstorp, der vorher bei McKinsey tätig war, der richtige für den Lego-Umschwung ist?

Wie kommen Sie darauf, dass Knudstorp ein Zahlenmensch ist? Er verfügt über eine emotionale Intelligenz, die ich vorher noch bei niemandem angetroffen habe. Der Zahlenmensch, der hinter dem Umschwung steckte, war Jesper Ovesen, der Finanzchef. Beide haben sich sehr gut ergänzt und so den Umschwung möglich gemacht.

Was war entscheidend dafür?

Nun, auf gewisse Weise hatte die Unternehmensführung 1999 schon recht, als sie feststellten: Wenn alles, was die Marke ausmacht, Bauklötze sind, sind sie zum Scheitern verurteilt. Jeder kann ein Plastikspielzeug produzieren, das sich zusammenklicken lässt. Was Lego unter Knudstorp gelernt hat, ist, dass die Kiste mit den Bauklötzchen mit Geschichten kombiniert werden muss. Die Produkte werden um diese Geschichte herum entworfen, dann wird noch ein kleines Computerspiel dazu programmiert. Das sind keine großen Innovationen, nichts allzu Neues. Immer wenn sie das versucht haben, sind sie gescheitert – zum Beispiel mit Lego Universe, einem Online-Multiplayer-Game oder Lego Fusion. Legos größte Innovation ist es, viele kleine Ideen zusammenzupacken, zu einer einmaligen Spielerfahrung.

Anzahl der Mitarbeiter der Lego Group

Also baut Lego eine Welt um das Spielzeug herum auf.

Lego ist im Kern immer noch eine Kiste mit Steinen. Aber seit 2003 liefert das Unternehmen lebendige Charaktere, die die Sets zu mehr als nur Spielzeug machen. Es gibt Bücher, Computer-Spiele, Online-Spiele, Spielzeug, Merchandise, Filme – alles, um die kleinen Klötzchen präsenter und lebendiger wirken zu lassen. Das macht Lego unwiderstehlich für Kinder.

Das beste Beispiel für solche Geschichten um die Klötze ist „The Lego Movie“. Nach Veröffentlichung des Films stiegen Umsatz und Gewinn um über zehn Prozent.

Das war ein sehr interessantes Experiment von Lego und Warner Brothers. Ich mag das Ergebnis. Es ist ein guter Kinderfilm – nichts Besonderes, es gibt bessere und jede Menge schlechtere. Er hatte den typischen Lego-Humor und eine gute Geschichte, die Kinder mitzieht.

Die Zukunft Legos

In einer Geschichte der Wochenzeitung Die Zeit heißt es, Lego verdiene nur ein Prozent des Umsatzes über das Lizenzgeschäft – 99 Prozent verdient Lego immer noch über den Verkauf der Steine.

Über die finanzielle Seite darf ich nicht reden – das war Teil meines Vertrags mit Lego. Aber die Frage ist interessant. Betrachten wir beispielsweise „The Lego Movie“: Extra Produkte zum Film zu herauszubringen, war ein starker Zug von Lego. Die Kinder wollten sie, um die unterschiedlichen Geschichten daheim nachspielen zu können. Aus dem Erfolg des Films resultierten die guten Verkaufszahlen.

Letztendlich geht es Lego mittlerweile wieder um die Bauklötze.

Marktanteil der Lego GmbH in ausgewählten Ländern

Es hat einiges an Courage erfordert, wieder zurück zum Kern der Marke zu gehen. Dieser Schritt hat die Fans zurück gebracht. Die Menschen vermissten das wirkliche Lego. Besonders die Deutschen. Sie waren Jahre lang Legos beste Kunden. Wissen Sie, was für Amerikaner eine Mischehe in Deutschland ist?

Verraten Sie es mir.

Eine Mischehe in Deutschland ist, wenn ein Kind, das Lego gespielt hat, ein Kind, das Playmobil gespielt hat, heiratet.

Apropos Ehen – in Deutschland wie in anderen westlichen Ländern kommen immer weniger Kinder zur Welt. Hat Lego noch eine Zukunft?

Ich schätze, den Erfolg der letzten sieben Jahre wird Lego so schnell nicht wiederholen können. Wachstumsraten von 20 Prozent gehören wohl der Vergangenheit an. Andererseits sehe ich auch nicht, dass es noch Raum gibt, für einen Konkurrenten der Plastiksteine herstellt. Ich würde drauf wetten, dass es Lego auch weiterhin gut gehen wird.

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Aber dürfte es nicht immer schwerer werden, etwas vermeintlich Langweiliges wie Plastikklötze in die Kinderzimmer zu bringen, wenn dort bereits die Playstation, das Smartphone und der Computer warten?

Die Eltern haben einen großen Einfluss darauf, dass Lego nach wie vor beliebt ist. Die meisten Kinder dürfen nicht den ganzen Tag an ihren Konsolen spielen – und dann kommt die Zeit für Lego. Diese Erfahrung mit Lego zu bauen, eine eigene Welt zu schaffen, das ist etwas, was Kinder wie Eltern fasziniert. Und gerade an diesem Punkt spielt das Digitale Lego sogar in die Hände.

Inwiefern?

Lego hat mit der Zeit verstanden, dass das Digitale die analogen Legoklötze nicht verdrängt. Wenn sich die Kinder im Internet kleine Lego-Cartoons ansehen oder die Lego-Spiele spielen, sorgt das eher dafür, dass sie mehr Lego kaufen, um die Geschichten nachbauen und nachspielen zu können.

Was meinen Sie, wohin wird sich Lego in den nächsten Jahren entwickeln?

Ich denke, das Geschäft mit Lizenzrechten wie etwa bei Star Wars wird auch in Zukunft ein wichtiger und profitabler Teil für das Geschäft von Lego bleiben. Allerdings dürften die selbstkreierten Charaktere und Geschichten eine immer größere Rolle spielen – etwa Ninjago, Bionicle, Friends oder die Charaktere aus dem Lego-Film.

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