Debatte um G36 Was unsere Bundeswehr künftig können muss

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Ran an die Gewehre!

Doch generell können sich die Europäer in ihrer Wohlfühl-Oase auch nicht länger auf den Weltpolizisten aus Amerika verlassen. Denn auch dort sinkt die Unterstützung für Militäreinsätze unaufhörlich – wenigstens ihre eigene Nachbarschaft, so die Meinung in Washington, sollen die Europäer selbst in Ordnung halten.

So gesehen müsste die Devise lauten: Ran an die Gewehre! Auch die Deutschen müssen wieder lernen, Geopolitik mitzugestalten. Sie müssen wehrfähig sein und willens, Sicherheitspolitik zu gestalten.

Die heißen Eisen unter den Rüstungsprojekten der Bundeswehr

Tatsächlich verspricht Ministerin von der Leyen „mehr Verantwortung“ der Deutschen in der Welt: Im Gleichklang mit Bundespräsident Joachim Gauck und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) orchestrierte sie dieses Versprechen auf der Münchner Sicherheitskonferenz des Jahres 2014 – unter großem Beifall gerade westlicher Außen- und Sicherheitspolitiker wie etwa Polens Parlamentspräsident und künftiger starker Mann Radoslaw Sikorski, die das schon seit Jahren fordern.

Inhalte des "Weißbuches" bisher immer sehr schwammig

Nur ist bis heute unklar, was „Verantwortung“ in der Praxis bedeuten soll und wie sich die Bundeswehr auch bei der Beschaffung darauf einstellen kann. Erst seit Mitte Februar tagt unter von der Leyen eine Arbeitsgruppe, die unter Einbeziehung von externen Experten bis 2016 ein neues „Weißbuch“ erstellen soll: eine Selbstbeschreibung der Bundeswehr und ihrer Aufgaben.

Braucht die Bundeswehr mehr Geld?

Bisherige Weißbücher wie jenes von Vor-Vor-Vor-Vorgänger Rudolf Scharping (SPD) krankten stets daran, dass die Inhalte bewusst schwammig formuliert waren: „Die deutsche Politik scheut sich, die Interessen des Landes klar zu definieren“, sagt ein Insider, „denn so schaffen sich Politiker mehr Spielraum, um sich je nach Wähler-Stimmung der internationalen Verantwortung zu entziehen.“ Es spricht nichts dafür, dass die Autoren in der Stauffenbergstraße diesmal klar Position beziehen.

Beschaffungen widersprechen Aufgaben

Dabei gäbe es wahrlich eine Menge zu tun. Denn wenn es um ihre Aufgaben und Fähigkeiten geht, steckt die deutsche Armee voller Widersprüche – wie sich insbesondere anhand der vogelwilden Beschaffungspolitik der vergangenen Jahre zeigt: Die Luftwaffe sollte im Nato-Verbund zuletzt nie kämpfen, sondern eher aufklären und transportieren.

Doch statt bei der Beschaffung von Drohnen und Transportern aufs Tempo zu drücken, bestellte man Hunderte „Eurofighter“, einen klassischen Bomber. Die Marine sieht die Sicherung von Lieferwegen als Kernaufgabe, doch zwei der vier U-Booten sind mangels Personal nicht einsatzbereit.

Und das Heer soll sich künftig fernhalten von Kampfeinsätzen mit schweren Gefechten, doch ausgerechnet nach dem Ende des Afghanistan-Mandats entbrennt die Debatte um die Anschaffung eines Gewehrs, das stundenlangen Belastungen besser standhalten soll als das sonst erprobte G36. Verkehrte Welt.

Statt eine klare Marschrichtung festzulegen, neigt von der Leyen zum Aktionismus. Die Anschaffung von Radpanzern des Typs „Boxer“ und neuen Kampfpanzern der Reihe „Leopard II“ verkündigt die Behörde – lange bevor das „Weißbuch“ steht und klar ist, wozu sie gebraucht werden.

„Offensichtlich treibt die Tagespolitik das Verteidigungsministerium so sehr vor sich her, dass man sich immer häufiger zu Schnellschüssen genötigt fühlt“, sagt Christian Mölling, Verteidigungsexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Dabei ändere sich die sicherheitspolitische Lage im Moment so rasch, dass man lieber die Inhalte des Weißbuchs abwarten – und daraus die nötigen Schlüsse für die Beschaffungspolitik ziehen sollte.

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