Demografie Alternde Gesellschaft: Wer gewinnt, wer verliert

Die Deutschen altern schneller als andere Gesellschaften. Unter dem Deckmantel des Komforts für jedermann entwickeln Unternehmen Produkte und Dienstleistungen für Senioren, die Exportschlager werden könnten. Aber viele Branchen verschlafen ihre Chance.

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Quelle: dpa

Für Frauen und Männer hinterm Steuer, die noch den Käfer von VW und die Ente von Citroën kennen, klingt es wie eine Drohung. Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) will ältere Autofahrer aus Sicherheitsgründen zu regelmäßigen Gesundheitsprüfungen zwingen. Schließlich, so die Begründung, seien im vergangenen Jahr 62 Prozent aller Autounfälle in der Hansestadt mit Senioren-Beteiligung von ihnen selbst verursacht worden.

Die Ingenieure beim Stuttgarter Automobilzulieferer Bosch können über Neumanns Vorschlag vor einigen Wochen nur lächeln. Sie arbeiten schon länger mit Verve an Elektronik, die dem Fahrer hilft, genug Abstand zu halten, beulenfrei einzuparken oder gefahrlos die Spur zu halten.

Nur: Das alles mit Senioren zu verbinden traut sich keiner der Tüftler. Hilfe für Ältere ist für Marketingprofis das absolute No-Go. „Wir sprechen von Assistenzsystemen als Beitrag zu mehr Sicherheit“, sagt ein Bosch-Manager, „würden dabei aber niemals die Worte Senioren oder 50 plus in den Mund nehmen. Aber wir haben natürlich genau diese Zielgruppe im Blick, denn sie profitiert am meisten.“ Die US-Marktforscher Strategy Analytics erwarten, dass sich der weltweite Umsatz mit Auto-Assistenten von knapp 800 Millionen Dollar im Jahr 2010 auf 3,2 Milliarden Dollar im Jahr 2014 vervierfachen wird.

Was junge Trendsetter wollen, interessiert in den Chefetagen vieler deutscher Unternehmen immer weniger. Der Fokus richtet sich vermehrt auf die Generation Silberlocke, Golden Agers und Woopies (Well off older people).

„Ohne die Älteren und deren erhebliches Einkommensvolumen im Blick zu haben, werden Unternehmen in Deutschland nicht mehr wachsen können“, sagt Martin Sonnenschein, Zentraleuropachef der Unternehmensberatung A. T. Kearney. „In 20 Jahren wird es in Deutschland mehr über 60-Jährige als unter 15-Jährige geben. Deshalb muss es viel mehr gute Geschäftsideen für diese Zielgruppe geben.“

Labor Deutschland

Weil Deutschland besonders schnell altert, sind die Unternehmen hier Teil eines Zukunftslabors, in dem sie schon heute Angebote von morgen an der eigenen Bevölkerung testen können. Was sich im größten Markt Europas bewährt, wird früher oder später überall gefragt sein.

Denn ob in Großbritannien, Skandinavien, Italien, in China oder Indien – die Kundschaft altert weltweit überproportional. Und zugleich deren Konsumfreudigkeit. Der Easy Rider von gestern reist schon heute nicht mehr mit Rheumadecke, sondern röhrt mit eingebauter Sitzheizung auf seiner Harley-Davidson über die Landstraße. Man sieht’s nur nicht. Handys mit großen Tasten, Fahrräder mit Elektroantrieb oder gehwagenfreundliche Flusskreuzfahrten zeigen die Richtung an: Laut der Gesellschaft für Konsumforschung verfügen Deutschlands Rentner schon jetzt mit rund 400 Milliarden Euro über ein gutes Drittel der gesamten Kaufkraft. Schlägt der demografische Wandel in ein paar Jahren zu, wird das Geschäft weltweit gigantisch.

Drei Beispiele: Im nächsten Jahr werden die Deutschen geschätzte 300 Milliarden Euro für ihre Gesundheit ausgeben, davon 64 Milliarden Euro aus der eigenen Tasche. Dieser Markt wächst jährlich um vier bis fünf Prozent, und das nicht nur in Deutschland. Der Weltluftfahrtverband IATA wiederum erwartet einen weltweiten Umsatzanstieg bei den über 60-Jährigen von derzeit 42 Milliarden auf 121 Milliarden Dollar schon 2016. Und allein das Volumen zur Altersvorsorge schätzt die Allianz auf weltweit 36 Billionen Euro – schon 2020.

Aber noch immer schieben Firmen das Geschäft mit den künftigen Alten auf die lange Bank oder kämpfen gegen juristische Hürden. Dabei geht es auch anders.

Facebook für Faltige

Platinnetz Quelle: Screenshot

Auch wenn sie nicht zu den Native Usern zählen, also zu denjenigen, die von Geburt an mit dem Internet aufgewachsen sind: Die künftigen Alten sind wie geschaffen für soziale Netzwerke, weil sie sich häufiger als heutige Rentner im Netz tummeln werden.

Davon ist Karl-Friedrich Fischbach aus Merzhausen nahe Freiburg überzeugt. Er gründete deshalb schon 1998 die private, nur durch Bannerwerbung finanzierte Web-Seite „Seniorentreff.de“ und baute sie zu einem der erfolgreichsten deutschsprachigen Netzwerke für Ältere aus.

Noch sind die Nutzerzahlen überschaubar. Die rund 10 000 aktiven Mitglieder rufen im Monat rund 1,5 Millionen Seiten auf. Privatier Fischbach ist von der großen Zukunft seines Netzwerks überzeugt. „Das Internet ist optimal zur Erhaltung und Neuknüpfung sozialer Kontakte geeignet“, sagt der 63-jährige emeritierte Biologie-Professor. „Gerade ältere Menschen verlieren ihre Kontakte durch Ausscheiden aus dem Arbeitsleben, beim Wegzug der Kinder oder dem Verlust von Freunden.“

Im Platinnetz

Investoren wie Holtzbrinck Ventures oder die Samwer-Brüder mit ihrem European Founders Fund basteln daraus längst ein neues Geschäftsmodell. Sie hoffen, damit zunächst in Deutschland, später auch international viel Geld zu verdienen.

Diagramm: Mehr Ältere, die länger leben Quelle: United Nations

So sind Holtzbrinck und der Samwer-Fund zusammen mit dem Versandhaus Klingel 2011 bei platinnetz.de eingestiegen. Das Kölner Netzwerk mit seinen 170 000 Mitgliedern versteht sich als Plattform „für Junggebliebene der Generation 40 plus mit einem positiven Lebensgefühl“, sagt Geschäftsführer Stefan Vosskötter im besten Marketing-Sprech.

Tatsächlich will Platinnetz bieten, was Facebook und Co. bislang kaum schaffen: reale statt virtuelle Kontakte, regionale Gruppen organisieren statt global kommunizieren, etwa Menschen für gemeinsame Weinfeste, Kegelabende oder Reisen zusammenbringen. Solche Angebote erhöhen die emotionale Bindung der Nutzer und damit die Attraktivität der Portale gegenüber Anzeigenkunden. Denn statt auf Mitgliedsbeiträge setzen die Portale auf die Finanzierung durch maßgeschneiderte Online-Werbung für Grauhaarige.

Die Idee scheint reif für den Export. „In Österreich und der Schweiz gibt es von uns schon Regionalgruppen“, sagt Alexander Wild, Gründer der Frankfurter Feierabend Online Dienste für Senioren. Um ins fremdsprachige Ausland zu expandieren, braucht es nach Meinung der Senioren-Netzbetreiber wenig mehr als die Übersetzung des existierenden Portals.

Neues altersgerechtes Wohnen

Frau mit Rollator Quelle: obs

Noch sind die geburtenstarken Jahrgänge der heute 40- bis 50-Jährigen fit. Aber in 10, spätestens in 15 Jahren sinkt die Spannkraft. Aber wie sollen sie zugleich bei der immer höheren Schlagzahl im Job bis zum Renteneintritt mit 67 mental und körperlich leistungsfähig bleiben?

Der Stuttgarter Prüf- und Dienstleistungskonzern Dekra hat das Geschäftspotenzial erkannt, das in der Frage schlummert – und auch den möglichen Exportschlager. Deshalb positioniert sich die Tochterfirma Dekra Akademie seit Jahren als externer Anbieter für berufliche Weiterbildung, erst im In- und dann auch im Ausland. Rund 150 Millionen Euro setzte das Unternehmen 2011 um, davon 30 Millionen jenseits der Grenzen. Gerade erst kaufte die Dekra Akademie den dänischen Bildungsdienstleister TUC als Einstieg in den skandinavischen Markt.

„Das Geschäft verschiebt sich von der klassischen Weiterbildung zunehmend hin zur Qualifizierungsberatung älterer Mitarbeiter. Darin liegt ein enormes Potenzial im Kampf gegen den Facharbeitermangel“, sagt Dekra-Vorstand Jörg Mannsperger. Nicht nur um die Einnahmen zu steigern, bietet Dekra Akademie Unternehmen clever auch gleich an, staatliche Fördertöpfe für die neue, ältere Klientel aufzustöbern. Der schöne Nebeneffekt: Je mehr Expertise in der Heimat, desto besser der Ruf im Ausland. Mannsperger nutzt ihn schon: „Wir bauen die Erwachsenenbildung international aus. Das Geschäft in Osteuropa wächst seit Jahren, Projekte in Frankreich und den Niederlanden sind geplant.“

Diagramm: Handeln tut not Quelle: IfM

Universelle Unterkünfte

Eckhard Feddersen aus Berlin hat konkrete Vorstellungen, wie er im Alter wohnen möchte. Statt der Villa mit Garten in Dahlem soll es eine 100 Quadratmeter große Wohnung mit Fahrstuhl bis in die Tiefgarage sein – barrierefrei, mit großer Terrasse, geräumigem Bad, offener Küche und Gästezimmer für die Enkel. Rampen oder Haltegriffe sind stets ästhetisch integriert.

Feddersen ist kein Träumer, er baut solche Wohnanlagen. Seine Firma Feddersenarchitekten gehört zu den wenigen in Deutschland, die aus der Not des demografischen Wandels schon eine unternehmerische Tugend machen. Für die Konzeption seniorenadäquater Wohnformen sind die Berliner Architekten international gefragt. Die 35 Mitarbeiter planen für Aufträge aus Russland, Polen, Österreich und der Schweiz. Feddersens Standardwerk „Entwurfsatlas Wohnen im Alter“ erschien gerade in chinesischer Übersetzung.

Was bis vor Kurzem noch altersgerechtes Bauen hieß, kommt heute als „Universal Design“ daher. Ein kluger Zug, denn der neue Leitbegriff steht für Wohnungen, die sowohl kind- als auch behindertengerecht gebaut sind. Und es älteren Mietern oder Eigentümern ermöglicht, „bis zum Tod dort wohnen zu können“, sagt Feddersen. Der Bedarf allein in Deutschland ist riesig: Erst 500 000 Wohnungen werden dem neuen Anspruch gerecht. „1,2 Millionen müssten es jetzt schon sein“, sagt Feddersen. 2020 seien es schon zwei Millionen.

Kunden müssen deswegen nicht viel tiefer als sonst in die Tasche greifen. Experten kalkulieren die Baukosten mit einem Aufschlag von maximal fünf Prozent. Lediglich Extras wie eine Toilette mit elektrisch verstellbarer Sitzhöhe kosten dann gern zehn Mal mehr als Standardware.

Vorreiter auf dem aussichtsreichen Zukunfts- und Exportmarkt in Deutschland war Feddersens Berliner Kollege Axel Gutzeit. Dessen Architektenbüro Goodtime Development berät gerade polnische Investoren beim Bau eines Pflegeheims nahe Warschau und einen Verein in Deutschland lebender Türken, die ein Heim für ihre in Anatolien lebenden Eltern planen. Gutzeit entwickelte auch die ersten Wohnanlagen für Demenzkranke. Deren Zahl soll bis 2030 auf drei Millionen anwachsen.

Butler für Betagte

Pflege-WG Quelle: dpa

Wer älter wird, braucht zunehmend Hilfe, nicht erst am Krankenbett, sondern schon vorher beim Einkaufen, bei Arztbesuchen oder der Körperpflege. Diese Kosten trägt die Pflegeversicherung aber nicht. Deshalb fragen Betroffene derlei individuell zugeschnitten und abrechenbare Dienste auf Stundenbasis nach. In den USA sind solche Dienstleistungen anders als in Deutschland längst Big Business. Das Unternehmen Home Instead aus Omaha in Nebraska erzielte mit seinen sogenannten „Caregivers“ im vergangenen Jahr weltweit 900 Millionen Dollar Umsatz. Inzwischen offeriert Home Instead auch hierzulande seine Dienste. „In Köln beschäftigen wir nach nur drei Jahren 110 Mitarbeiter zumeist auf Stundenbasis und zu sehr flexiblen Arbeitszeiten“, sagt Jörg Veil, der die Franchiseidee 2009 nach Deutschland holte. „In 15 bis 20 Jahren ist das ein ganz großer Markt.“

Auch A. T. Kearney-Berater Sonnenschein sieht darin ein großes Zukunftsgeschäft. „Nicht nur Hilfe im Haushalt, auch medizinische Pflegeleistungen lassen sich im großen Rahmen standardisieren und exportieren.“ Allerdings passiere auf diesem Gebiet in Deutschland „noch viel zu wenig“.

Diagramm: Boombranche Pflege Quelle: Statistisches Bundesamt

Notruf per Sensor

Meist entscheidet eine simple Frage darüber, wie lange Senioren ohne Pflegeheim auskommen: nämlich wie schnell sie im Notfall Hilfe bekommen. Genau hier wittert die Deutsche Telekom das große Geschäft. „Jeder möchte möglichst selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden leben“, sagt Axel Wehmeier, Leiter des 2011 gegründeten Geschäftsfeldes Gesundheit. „Mit intelligent vernetzter Technik wollen wir ältere Menschen dabei unterstützen.“ Das Ziel ist ehrgeizig: Bis 2015 soll das neue Geschäftsfeld Einnahmen im hohen dreistelligen Millionenbereich liefern.

Beispiel: das neue Notrufsystem, das 2013 auf den Markt kommen soll. Nicht wie bisher der Meldeknopf am Körper soll ein Signal an die Notrufzentrale ermöglichen, wenn jemand stürzt oder Hilfe braucht, sondern ein in der Wohnung installiertes System von Sensoren. Die automatisch benachrichtigte Hotline, die über alle nötigen Daten ihres Kunden verfügt, bringt dann sofort Hilfe auf den Weg.

Innovativer als der neue Hausnotruf ist die automatisierte Unterstützung anfälliger Menschen auch außer Haus. So will die Telekom noch in diesem Jahr Spezialhandys mit Notknopf auf der Rückseite anbieten. Droht Diabetes-Erkrankten – und das sind zunehmend auch jüngere Menschen – eine akute Unterzuckerung, soll der Knopfdruck Alarm bei einer Hilfsorganisation auslösen. Dort sind alle Informationen des Zuckerkranken elektronisch hinterlegt. Wehmeier hat klare Vorstellungen vom digital betreuten Wohnen im Alter: „Wir sind am Ziel, wenn sich Ärzte, Kassen, Kliniken, Patienten und Pflegedienste untereinander hochsicher digital austauschen können.“

Zögernde Finanzdienstleister

Rentner in Japan Quelle: Laif

Henrik Naujoks, Experte für Finanzdienstleister bei der Unternehmensberatung Bain & Company, sieht Handlungsbedarf. „Alle haben das Thema zwar im Auge, aber fast nirgends hat es Priorität. Offenbar ist es noch zu weit weg.“ Nach Naujoks Meinung bietet die alternde Gesellschaft dem Finanzsektor jede Menge Neugeschäft. Denn nicht nur das reine Volumen, sondern auch das Spektrum für mögliche Finanzdienstleistungen für Ältere und ihre Angehörigen ist groß.

So lassen viele Banken ihre Kundschaft noch immer schon ab Mitte 50 bei Kreditwünschen auflaufen. Sie fürchten schlicht um die komplette Rückzahlung bis Laufzeitende. Dabei belegen Studien das Gegenteil, und Lebensversicherungen könnten eine Lösung des vermeintlichen Problems sein. Umso mehr, weil gerade seniorengerechte Umbaumaßnahmen ein großer Markt für Kredite werden.

Zudem bahnt sich schon in zehn Jahren die erste Welle von Rentnern an, die mangels auskömmlicher staatlicher Altersruhegelder ihre über Jahrzehnte angesparten Guthaben oder Immobilien versilbern müssen. Sie brauchen beispielsweise vermehrt sogenannte Rückwärtsdarlehen mit denen sich Häuser auf Basis einer lebenslangen Rente verkaufen lassen.

Diagramm: Vor allem Ältere werden konsumieren Quelle: Bundesfinanzministerium

Gute Geschäfte könnten Geldinstitute und Versicherungen auch mit Auszahlungsplänen machen. Dafür überweisen Kunden einen größeren Geldbetrag an die Bank, die sich im Gegenzug verpflichtet, daraus monatliche Auszahlungen samt Zinsen zu leisten. Nicht immer ist klar, welcher Geschäftspartner dabei das bessere Geschäft macht. Aber die Kunden erhoffen sich so Planungssicherheit bis ans Lebensende. Einige Angebote gibt es schon, Innovatives aber nicht.

So könnten Versicherungen die Banken als Konkurrenz ausstechen, indem sie nicht nur reine Rentenauszahlungen anbieten. Da die Assekuranzen über die Expertise von Assistenz-Versicherungen verfügen, können sie damit auch gleich noch fürsorgliche Angebote wie eine Haushaltshilfe im Krankheitsfall verknüpfen. Oder innovative Pflegepolicen anbieten, die Kinder für ihre Eltern abschließen. Geld dafür ist oft vorhanden. „Trotzdem finden in der Branche dazu nur die ersten Gedankenspiele statt“, sagt Berater Naujoks.

Ignoranz beim Check-in

Auch die deutschen Flughäfen und Airlines haben die Senioren noch nicht als das große Zukunftsgeschäft auf dem Radar. Um sie anzulocken, hat sich die hiesige Branche bisher kaum mehr einfallen lassen als die klassischen Standardzusatzleistungen für Behinderte: Rollstühle, Verzicht auf Extragebühren für medizinisch notwendigen Aufwand wie die Beförderung von Blindenhunden oder Sauerstoffflaschen sowie Rabatte für Begleitpersonen.

Die Amerikaner sind cleverer. Dort erleichtern die Flughäfen ihrer betagten – und überdurchschnittlich loyalen – Kundschaft das Reisen schon am Boden durch meist älteres Zusatzpersonal oder besonders deutliche Ausschilderung. Auf japanischen Flughäfen sind die Check-in-Automaten seit Jahren so ausgelegt, dass Ausweis, Kredit- oder Vielfliegerkarte, egal, wie sie gehalten werden, lesbar sind. Das freut alle, nicht nur Alte.

Für die Lufthansa wären solche Ideen wichtig im brutalen Wettbewerb mit den Billigfliegern. Denn der Anteil älterer Kundschaft liegt bei Europas größter Fluglinie mit zehn Prozent rund ein Viertel höher als bei Flugdiscountern wie Ryanair und Easyjet. Und diese Klientel ist nach Schätzungen des Weltluftfahrtverbandes IATA bereit, sich das Ticket einer etablierten Fluglinie bis zu einem Drittel mehr kosten zu lassen als für einen Billigflieger.

Hohe Hürden

Seniorin vorm Notebook Quelle: obs

Die Airlines fliegen freiwillig beim Thema Ältere nur in der Warteschleife. Andere Branchen würden gerne durchstarten, man lässt sie aber nicht. Pharmaunternehmen etwa müssen sich wegen der Sparzwänge der Krankenkassen auf harte juristische Auseinandersetzungen einstellen, wenn sie von den typischen Malaisen des Alterns profitieren wollen.

Das Unternehmen Mundipharma im hessischen Limburg etwa entwickelt gut verträgliche Schmerzmittel, die vor allem Kunden über 60 nutzen. Starke Schmerzen sind bei älteren Menschen häufiger als bei jüngeren. Doch Mundipharma kann sein im Vergleich zur Konkurrenz nebenwirkungsärmeres Präparat Targin nicht wie erhofft verkaufen. Und das, obwohl die zuständige Aufsichtsbehörde, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, wegen der positiven Therapieergebnisse eigens ein beschleunigtes Zulassungsverfahren für Targin bewilligt hatte.

„Die Sparpolitik der Kassen bewirkt, dass Targin kaum verschrieben wird“, schimpft Mundipharma-Geschäftsführer Gunther Niederheide. Im Herbst 2006 kam das Präparat auf den deutschen Markt, Niederheide durfte auf gute Umsatzzahlen hoffen, zumal er gegenüber den Mitbewerbern einen großen zeitlichen Vorsprung hatte.

Doch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein setzte Targin auf eine sogenannte Me-too-Liste. Die signalisiert Ärzten, dass es sich bei einem neuen Präparat nur um eine teure Scheininnovation handelt, deren Kosten die Kassen womöglich nicht übernehmen. Gebe es doch mehrere ähnlich zusammengesetzte, aber deutlich billigere Generikapräparate, argumentierte die KV. Nun muss das Sozialgericht Düsseldorf über die von Niederheide eingereichte Klage entscheiden. Aber selbst nach zwei Jahren ist noch nicht einmal ein Termin angesetzt.

Gehirnjoggin am Arbeitsplatz

Völlig am Anfang steht das Training der mentalen Elastizität vom 50. Lebensjahr an. „Leider wird in der Arbeitswelt nicht ausreichend auf die Implementierung von Bildungsangeboten geachtet, die nicht nur die körperliche Leistungsfähigkeit, sondern auch die geistige Flexibilität und Kreativität fördern“, klagt Andreas Kruse, Professor für Gerontologie in Heidelberg.

Seit Jahren weisen Altersforscher nach, dass geistiges Training schon in jüngeren Jahren nicht nur Gesundheit und Arbeitsfähigkeit fördert. Auch Demenzerkrankungen lassen sich so um viele Jahre hinauszögern. Systematisch betrieben ließen sich damit auf lange Sicht auch Milliarden Euro in den Kranken- und Pflegeversicherungen sparen. Für Kruse schlummert hier ein Reservoir möglicher Dienstleistungen.

„Dieser Bereich ist ein ausbaufähiges Geschäftsfeld“, sagt der Gerontologe. „Wenn sich Unternehmen auf die Entwicklung und Umsetzung solcher Trainingsprogramme konzentrieren und sie international individualisieren, könnten sie damit einen Exportschlager produzieren.“

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