Demografie Alternde Gesellschaft: Wer gewinnt, wer verliert

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Zögernde Finanzdienstleister

Rentner in Japan Quelle: Laif

Henrik Naujoks, Experte für Finanzdienstleister bei der Unternehmensberatung Bain & Company, sieht Handlungsbedarf. „Alle haben das Thema zwar im Auge, aber fast nirgends hat es Priorität. Offenbar ist es noch zu weit weg.“ Nach Naujoks Meinung bietet die alternde Gesellschaft dem Finanzsektor jede Menge Neugeschäft. Denn nicht nur das reine Volumen, sondern auch das Spektrum für mögliche Finanzdienstleistungen für Ältere und ihre Angehörigen ist groß.

So lassen viele Banken ihre Kundschaft noch immer schon ab Mitte 50 bei Kreditwünschen auflaufen. Sie fürchten schlicht um die komplette Rückzahlung bis Laufzeitende. Dabei belegen Studien das Gegenteil, und Lebensversicherungen könnten eine Lösung des vermeintlichen Problems sein. Umso mehr, weil gerade seniorengerechte Umbaumaßnahmen ein großer Markt für Kredite werden.

Zudem bahnt sich schon in zehn Jahren die erste Welle von Rentnern an, die mangels auskömmlicher staatlicher Altersruhegelder ihre über Jahrzehnte angesparten Guthaben oder Immobilien versilbern müssen. Sie brauchen beispielsweise vermehrt sogenannte Rückwärtsdarlehen mit denen sich Häuser auf Basis einer lebenslangen Rente verkaufen lassen.

Diagramm: Vor allem Ältere werden konsumieren Quelle: Bundesfinanzministerium

Gute Geschäfte könnten Geldinstitute und Versicherungen auch mit Auszahlungsplänen machen. Dafür überweisen Kunden einen größeren Geldbetrag an die Bank, die sich im Gegenzug verpflichtet, daraus monatliche Auszahlungen samt Zinsen zu leisten. Nicht immer ist klar, welcher Geschäftspartner dabei das bessere Geschäft macht. Aber die Kunden erhoffen sich so Planungssicherheit bis ans Lebensende. Einige Angebote gibt es schon, Innovatives aber nicht.

So könnten Versicherungen die Banken als Konkurrenz ausstechen, indem sie nicht nur reine Rentenauszahlungen anbieten. Da die Assekuranzen über die Expertise von Assistenz-Versicherungen verfügen, können sie damit auch gleich noch fürsorgliche Angebote wie eine Haushaltshilfe im Krankheitsfall verknüpfen. Oder innovative Pflegepolicen anbieten, die Kinder für ihre Eltern abschließen. Geld dafür ist oft vorhanden. „Trotzdem finden in der Branche dazu nur die ersten Gedankenspiele statt“, sagt Berater Naujoks.

Ignoranz beim Check-in

Auch die deutschen Flughäfen und Airlines haben die Senioren noch nicht als das große Zukunftsgeschäft auf dem Radar. Um sie anzulocken, hat sich die hiesige Branche bisher kaum mehr einfallen lassen als die klassischen Standardzusatzleistungen für Behinderte: Rollstühle, Verzicht auf Extragebühren für medizinisch notwendigen Aufwand wie die Beförderung von Blindenhunden oder Sauerstoffflaschen sowie Rabatte für Begleitpersonen.

Die Amerikaner sind cleverer. Dort erleichtern die Flughäfen ihrer betagten – und überdurchschnittlich loyalen – Kundschaft das Reisen schon am Boden durch meist älteres Zusatzpersonal oder besonders deutliche Ausschilderung. Auf japanischen Flughäfen sind die Check-in-Automaten seit Jahren so ausgelegt, dass Ausweis, Kredit- oder Vielfliegerkarte, egal, wie sie gehalten werden, lesbar sind. Das freut alle, nicht nur Alte.

Für die Lufthansa wären solche Ideen wichtig im brutalen Wettbewerb mit den Billigfliegern. Denn der Anteil älterer Kundschaft liegt bei Europas größter Fluglinie mit zehn Prozent rund ein Viertel höher als bei Flugdiscountern wie Ryanair und Easyjet. Und diese Klientel ist nach Schätzungen des Weltluftfahrtverbandes IATA bereit, sich das Ticket einer etablierten Fluglinie bis zu einem Drittel mehr kosten zu lassen als für einen Billigflieger.

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