Deutsche Bank, Siemens, VW Wie die Katar-Krise deutsche Konzerne trifft

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Die Katar-Krise könnte Siemens und VW treffen

  

Bei Siemens ist das Emirat über das Investmentvehikel DIC Investment mit 3,3 Prozent beteiligt. Würden die Kataris als Reaktion auf die Isolation ihren Einfluss spielen lassen, stünden für Siemens einige Aufträge im Feuer, vor allem in Saudi-Arabien und Ägypten. Ende Februar erhielten die Münchener einen Auftrag aus Saudi-Arabien für fünf Gasturbinen zur Stromerzeugung, außerdem den Auftrag für den Service der Anlagen mit einer Laufzeit von 16 Jahren. Das gesamte Auftragsvolumen liegt bei 400 Millionen Dollar. Für die Expo 2020 in Dubai soll Siemens wesentliche Teile der Gebäudetechnik für den Expo-Park liefern. Siemens vereinbarte Ende April außerdem mit dem Saudi-arabischen National Industrial Cluster Developments Program (NICDP) ein Rahmenabkommen. Dahinter könnte nach Firmenangaben die milliardenschwere Infrastruktur-Ausstattung größerer Städte in Saudi-Arabien stecken. Zudem will Siemens in dem Land verstärkt Berufsausbildung betreiben.

Kritisch für Siemens dürfte vor allem die Rolle Ägyptens sein, denn dort baut Siemens unter anderem gerade das größte Gaskraftwerk der Welt, der Auftrag gilt als der bisher größte in der Geschichte des Unternehmens.

VW

Bei keinem anderen Unternehmen in Deutschland hat Katar einen so großen Einfluss wie bei Volkswagen – ausgerechnet bei dem Unternehmen, an dem der deutsche Staat über das Land Niedersachsen mit 20 Prozent beteiligt ist. Die Qatar Holding, Investment-Sparte des Staatsfonds Qatar Investment Authority, hält 17 Prozent der Volkswagen-Aktien. Mitglied im Aufsichtsrat ist daher unter anderem seit April 2010 Hussain Ali Al-Abdulla, Staatsminister und seit 2016 die Wirtschafts- und IT-Expertin Hessa Sultan Al-Jaber. 

Nach dem verpatzten Versuch von Porsche, VW zu übernehmen, war Katar auch ein Retter für die beinahe Insolvente Holding Porsche SE: Beim Zocken mit Wetten auf den VW-Kurs hatten sich die Stuttgarter 2008 und 2009 Milliardenverluste eingebrockt – Katar half, die Löcher wieder zu stopfen und die Insolvenz abzuwenden. Die Araber übernahmen 2009 zehn Prozent der Porsche-Stammaktien, was reichlich frisches Geld ins Unternehmen pumpte. 2013 stieg Katar bei der Porsche SE wieder aus, ihre Anteile an VW aber behielten sie.

Der Familienclan der Porsches und Piechs – der VW-Mehrheitseigentümer – ist den Scheichs für die Rettungsaktion in Stuttgart bis heute dankbar. Man schätzt Katar darüber hinaus als soliden und stillen Ankeraktionär, der sich kaum ins Tagesgeschäft einmischt. Nur so ist zu erklären, warum VW in einer aktienrechtlich heiklen Aktion sich für die Herrscherfamilie in Katar ins Zeug legte: Vor fünf Jahren beendete Volkswagen die Zusammenarbeit mit dem bisherigen Generalimporteur in Katar und schanzte das lukrative Geschäft der Herrscherdynastie zu.

Die Aktion führte zu einer Schadenersatzklage, die nach Informationen der WirtschaftsWoche bis heute nicht entschieden ist. Der ehemalige Generalimporteur in Katar, Saad Buzwair Automotive, fordert 147 Millionen Euro als Ausgleich für bereits getätigte Investitionen, weil die Kündigung der Zusammenarbeit rechtswidrig gewesen sei.

Seit Juni 2012 ist Q-Auto der neue Generalimporteur in Katar. Das Unternehmen ist im Besitz von Scheikha Hanadi Nasser bin Khaled Al-Thani. Die Unternehmerin gehört zur Herrscherdynastie des Emirats, das der drittgrößte Aktionär des VW-Konzerns ist. Man müsse sich fragen, so schrieben die Anwälte des geschassten Generalimporteurs an den damaligen VW-Chef Martin Winterkorn, ob der Konzern „einigen Aktionären Sondervorteile“ gewähre.

Bei diesen Konzernen hat Katar investiert
Golf-Emirat Katar Quelle: dpa
Accor Quelle: REUTERS
Agricultural Bank of China Quelle: REUTERS
Barclays Quelle: REUTERS
BHP Billiton Quelle: REUTERS
Credit Suisse Quelle: REUTERS
Glencore Quelle: REUTERS

Mit dem Dieselskandal veränderte sich jedoch der Blick auf Katar. Die Investoren wurden angesichts der Kurssturzes nervös und gingen mitunter auf Konfrontationskurs zu einzelnen Fraktionen im VW-Aufsichtsrat, etwa der Arbeitnehmer-Seite. So gibt es inzwischen einige in Wolfsburg, die Katar lieber wieder los wären. Doch es gibt bislang keine Anzeichen für einen Ausstieg.

Die Diskussion um möglichen Ärger in der arabischen Welt durch den Großaktionär Katar könnte dieser Debatte neuen Auftrieb verleihen. Der arabische Raum erscheint auf den ersten Blick für VW nicht sehr relevant – unter 20.000 von insgesamt rund 10 Millionen Autos verkauft der VW-Konzern jedes Jahr im Nahen Osten. Doch für die Luxusmarken im Konzern – Bentley, Bugatti, Lamborghini – ist der Markt durchaus relevant. Manche von ihnen verkaufen im Nahen Osten annähernd so viele Autos wie in China. Die Chefs dieser Marken werden mit Argusaugen den Streit zwischen Katar und den übrigen arabischen Staaten verfolgen.

Mit Material von Reuters und dpa.

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