Deutsche Bank, Siemens, VW Wie die Katar-Krise deutsche Konzerne trifft

Über seinen Staatsfonds ist das Emirat wichtiger Geldgeber von deutschen Konzernen und redet bei Entscheidungen mit. Das ist riskant, sollte Katar im Zuge der Isolation Aufträge aus den anderen Golfländern unterbinden.

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Katars wichtigste Beteiligungen

Dank seiner Öl- und Gasvorkommen ist das kleine Emirat Katar eines der reichsten Länder der Welt - und entsprechend einflussreich. Als Investor ist der Staat an internationalen Unternehmen rund um den Globus beteiligt, klangvolle Namen wie VW, die Deutsche Bank, Credit Suisse oder Siemens gehören zum Portfolio der Kataris.

Katar investiert vor allem über seinen Staatsfonds, den 2005 gegründeten Qatar Investment Authority (QIA). Laut der bundeseigenen Außenwirtschaftsgesellschaft Germany Trade & Invest verwaltet der Fonds zwischen 250 und 330 Milliarden US-Dollar und gehört damit zu den zehn größten Staatsfonds der Welt. Chef ist seit 2014 Scheich Abdullah bin Mohammed bin Saud al-Thani, ein Mitglied der Herrscherfamilie.

Allein deshalb dürfte die Eskalation der Krise am Golf in deutschen Vorstandsetagen mit Sorgen zur Kenntnis genommen worden sein. Gerät das Emirat in Geldnot, könnten langfristig alle Beteiligungen hinterfragt werden, den deutschen Konzernen könnten wichtige Geldgeber abspringen. Zunächst scheint das angesichts des Reichtums zwar unwahrscheinlich. Kurzfristig viel dramatischer wäre es allerdings, wenn die Kataris ihr Mitbestimmungsrecht in den deutschen Konzernfluren nutzen würden, um Aufträge aus Saudi-Arabien, Ägypten oder anderen Golfstaaten abzublasen.

Ganz unmöglich ist derlei Einflussnahme nicht: Zwar gilt das Land als reichstes der Welt, trotzdem könnte eine langfristige Blockade die Wirtschaft zum Erliegen bringen. Denn zunächst haben Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain ihre diplomatischen Verbindungen zu Katar abgebrochen. Zudem kündigten sie an, alle Verkehrsverbindungen nach Katar einzustellen - und den Luftraum für Flugzeuge des Landes zu schließen. Schon unmittelbar drohen nun ökonomische Konsequenzen. Fluggesellschaften wie Etihad und Emirates kündigten an, alle Flüge von und nach Doha auf unbestimmte Zeit auszusetzen, die heimische Linie Qatar Airways muss große Umwege in Kauf nehmen.

Katar selbst sieht seine Wirtschaft auf den Konflikt mit den Nachbarländern vorbereitet. Die Wirtschaft des Emirats sei so stark, dass sie den Abbruch der diplomatischen Kontakte und die Schließung der Grenzen zu den Nachbarn überwinden werde, erklärte der Präsident der katarischen Handelskammer, Scheich Khalifa bin Dschasim bin Mohammed Al Thani, am Dienstag. Demnach wäre offenbar auch ein längerer Handelsstillstand kein Problem. Das Land besitze strategische Vorräte an Grundnahrungsmitteln, die für mehr als zwölf Monate reichten, sagte der Scheich weiter. Es gebe zudem zahlreiche Alternativen, um den Warenfluss weiter sicherzustellen, da der allergrößte Teil des Güterverkehrs über Luft oder See laufe. Das Leben der Menschen in Katar werde unter der Blockade nicht leiden.

Das ist Katar

Trotzdem könnte sich die Blockade langfristig auch auf die deutsche Wirtschaft auswirken. Nutzen die Kataris ihre Position an den zentralen Schaltstellen der Unternehmen, könnten sie Aufträge und Geschäfte in andere Golfstaaten künftig unterbinden.

Zwei Mitglieder der Herrscherfamilie aus Katar sind mit jeweils 3,05 Prozent an der Deutschen Bank beteiligt. Scheich Hamad bin Jassim bin Jabir al-Thani stieg 2014 für zunächst 1,75 Milliarden Euro bei Deutschlands größtem Geldinstitut ein, die Beteiligung hält er über seine Paramount Holding. 2015 übertrug er die Hälfte seiner Deutsche Bank-Anteile auf seinen Cousin, Scheich Hamad bin Khalifa al-Thani. Dieser hält die 3,05 Prozent über die auf den Cayman Islands beheimatete Beteiligungsfirma Supreme Universal Holdings.

Die Staaten mit den höchsten Pro-Kopf-Einkommen 2016

Anteilsverkäufe seitens der Kataris sind zunächst nicht zu erwarten, erst vor wenigen Wochen zog Wirtschaftsanwalt Stefan Simon auf ihren Wunsch in den Aufsichtsrat der Bank ein. Zuletzt stellte sich die Herrscherfamilie hinter das Management der Bank.

Sollten die Scheichs trotzdem ihren Einfluss geltend machen und bestimmte Geschäfte untersagen, stünde für die Bank, die selber auch ein Büro in Doha hat, vor allem Geschäft in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) auf dem Spiel. Der Schaden wäre aber verkraftbar, in beiden Ländern erwirtschaftete die Bank im vergangenen Jahr laut Geschäftsbericht 30 beziehungsweise 28 Millionen Euro Umsatz.

Die Katar-Krise könnte Siemens und VW treffen

  

Bei Siemens ist das Emirat über das Investmentvehikel DIC Investment mit 3,3 Prozent beteiligt. Würden die Kataris als Reaktion auf die Isolation ihren Einfluss spielen lassen, stünden für Siemens einige Aufträge im Feuer, vor allem in Saudi-Arabien und Ägypten. Ende Februar erhielten die Münchener einen Auftrag aus Saudi-Arabien für fünf Gasturbinen zur Stromerzeugung, außerdem den Auftrag für den Service der Anlagen mit einer Laufzeit von 16 Jahren. Das gesamte Auftragsvolumen liegt bei 400 Millionen Dollar. Für die Expo 2020 in Dubai soll Siemens wesentliche Teile der Gebäudetechnik für den Expo-Park liefern. Siemens vereinbarte Ende April außerdem mit dem Saudi-arabischen National Industrial Cluster Developments Program (NICDP) ein Rahmenabkommen. Dahinter könnte nach Firmenangaben die milliardenschwere Infrastruktur-Ausstattung größerer Städte in Saudi-Arabien stecken. Zudem will Siemens in dem Land verstärkt Berufsausbildung betreiben.

Kritisch für Siemens dürfte vor allem die Rolle Ägyptens sein, denn dort baut Siemens unter anderem gerade das größte Gaskraftwerk der Welt, der Auftrag gilt als der bisher größte in der Geschichte des Unternehmens.

VW

Bei keinem anderen Unternehmen in Deutschland hat Katar einen so großen Einfluss wie bei Volkswagen – ausgerechnet bei dem Unternehmen, an dem der deutsche Staat über das Land Niedersachsen mit 20 Prozent beteiligt ist. Die Qatar Holding, Investment-Sparte des Staatsfonds Qatar Investment Authority, hält 17 Prozent der Volkswagen-Aktien. Mitglied im Aufsichtsrat ist daher unter anderem seit April 2010 Hussain Ali Al-Abdulla, Staatsminister und seit 2016 die Wirtschafts- und IT-Expertin Hessa Sultan Al-Jaber. 

Nach dem verpatzten Versuch von Porsche, VW zu übernehmen, war Katar auch ein Retter für die beinahe Insolvente Holding Porsche SE: Beim Zocken mit Wetten auf den VW-Kurs hatten sich die Stuttgarter 2008 und 2009 Milliardenverluste eingebrockt – Katar half, die Löcher wieder zu stopfen und die Insolvenz abzuwenden. Die Araber übernahmen 2009 zehn Prozent der Porsche-Stammaktien, was reichlich frisches Geld ins Unternehmen pumpte. 2013 stieg Katar bei der Porsche SE wieder aus, ihre Anteile an VW aber behielten sie.

Der Familienclan der Porsches und Piechs – der VW-Mehrheitseigentümer – ist den Scheichs für die Rettungsaktion in Stuttgart bis heute dankbar. Man schätzt Katar darüber hinaus als soliden und stillen Ankeraktionär, der sich kaum ins Tagesgeschäft einmischt. Nur so ist zu erklären, warum VW in einer aktienrechtlich heiklen Aktion sich für die Herrscherfamilie in Katar ins Zeug legte: Vor fünf Jahren beendete Volkswagen die Zusammenarbeit mit dem bisherigen Generalimporteur in Katar und schanzte das lukrative Geschäft der Herrscherdynastie zu.

Die Aktion führte zu einer Schadenersatzklage, die nach Informationen der WirtschaftsWoche bis heute nicht entschieden ist. Der ehemalige Generalimporteur in Katar, Saad Buzwair Automotive, fordert 147 Millionen Euro als Ausgleich für bereits getätigte Investitionen, weil die Kündigung der Zusammenarbeit rechtswidrig gewesen sei.

Seit Juni 2012 ist Q-Auto der neue Generalimporteur in Katar. Das Unternehmen ist im Besitz von Scheikha Hanadi Nasser bin Khaled Al-Thani. Die Unternehmerin gehört zur Herrscherdynastie des Emirats, das der drittgrößte Aktionär des VW-Konzerns ist. Man müsse sich fragen, so schrieben die Anwälte des geschassten Generalimporteurs an den damaligen VW-Chef Martin Winterkorn, ob der Konzern „einigen Aktionären Sondervorteile“ gewähre.

Bei diesen Konzernen hat Katar investiert
Golf-Emirat Katar Quelle: dpa
Accor Quelle: REUTERS
Agricultural Bank of China Quelle: REUTERS
Barclays Quelle: REUTERS
BHP Billiton Quelle: REUTERS
Credit Suisse Quelle: REUTERS
Glencore Quelle: REUTERS

Mit dem Dieselskandal veränderte sich jedoch der Blick auf Katar. Die Investoren wurden angesichts der Kurssturzes nervös und gingen mitunter auf Konfrontationskurs zu einzelnen Fraktionen im VW-Aufsichtsrat, etwa der Arbeitnehmer-Seite. So gibt es inzwischen einige in Wolfsburg, die Katar lieber wieder los wären. Doch es gibt bislang keine Anzeichen für einen Ausstieg.

Die Diskussion um möglichen Ärger in der arabischen Welt durch den Großaktionär Katar könnte dieser Debatte neuen Auftrieb verleihen. Der arabische Raum erscheint auf den ersten Blick für VW nicht sehr relevant – unter 20.000 von insgesamt rund 10 Millionen Autos verkauft der VW-Konzern jedes Jahr im Nahen Osten. Doch für die Luxusmarken im Konzern – Bentley, Bugatti, Lamborghini – ist der Markt durchaus relevant. Manche von ihnen verkaufen im Nahen Osten annähernd so viele Autos wie in China. Die Chefs dieser Marken werden mit Argusaugen den Streit zwischen Katar und den übrigen arabischen Staaten verfolgen.

Mit Material von Reuters und dpa.

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