Audi und Volkswagen haben mit US-Behörden und den Rechtsanwälten der betroffenen Autofahrer eine grundsätzliche Einigung im Streit um 80.000 manipulierte Dieselfahrzeuge erreicht. Für etwa 20.000 Autos ist der Rückkauf durch den VW-Konzern geplant, für die restlichen 60.000 Autos ist eine Umrüstung vorgesehen. Außerdem können die Autofahrer mit einer Entschädigung rechnen. Die genaue Höhe der Beträge wollten die Prozessbeteiligten noch nicht veröffentlichen.
„Ich bin sehr erfreut darüber, dass ich eine Einigung aller beteiligten Parteien verkünden kann“, sagte US-Richter Charles Breyer am Dienstagabend deutscher Zeit vor dem Bundesgericht in San Francisco. Es gebe eine Grundsatzeinigung in dem Fall, letzte Details müssten aber noch geklärt werden. Deshalb werde es am kommenden Donnerstag um 20 Uhr deutscher Zeit noch einmal eine weitere Anhörung vor dem US-Gericht geben.
Die 80.000 Autos werden in zwei Gruppen aufgeteilt. Etwa 20.000 Fahrzeuge (VW Touareg und Audi Q7) der Jahrgänge 2009 bis 2012 sollen vom VW-Konzern zurückgekauft werden. Zudem sind noch einmal Tests vorgesehen, ob vielleicht doch eine Umrüstung möglich ist, um die strengen US-Emissionswerte zu erreichen.
Für die jüngeren 60.000 Autos jüngerer Bauart sei die Umrüstung kein Problem. „Volkswagen hat zugesagt, dass das möglich ist“, betonte Richter Breyer. Sollte es wider Erwarten doch Probleme mit der Umrüstung geben, käme auch wieder ein Rückkauf durch Volkswagen und Audi in Betracht.
Die betroffenen Autofahrer können außerdem mit einer „angemessenen Entschädigung“ rechnen, so Richter Breyer weiter. Details wollte er noch nicht nennen, die Vertraulichkeit sei noch nicht aufgehoben.
Zudem gibt es eine Einigung zwischen den Rechtsanwälten der klagenden Autofahrer und dem Zulieferkonzern Bosch. Beide Seiten hätten eine Grundsatzeinigung erreicht, die Details sollen später veröffentlicht werden.
Audi und Volkswagen hatten am Montag erfahren, dass sie noch einen Tag nachsitzen müssen. US-Richter Charles Breyer hatte die Entscheidung über einen Entschädigungs- und Umrüstplan für 80.000 betroffene Dieselkunden nach einer kurzen, nur wenige Minuten dauernden Anhörung auf den heutigen Dienstagabend vertagt.
Breyer äußerte sich allerding schon am Montag optimistisch, dass das die letzte Verlängerung in diesem komplizierten Verfahren sein würde. „Am Dienstag gibt es eine Lösung. Da bin ich sehr zuversichtlich“, sagte der Richter. Der Fall sei einfach sehr kompliziert, viele Details müssten ausgehandelt werden. „Das ist ein Verfahren für die ganze Welt“, betonte Breyer.
Der Richter ergänzte, dass an den vergangenen Tagen entscheidende Fortschritte gemacht worden seien. Ursprünglich hatte Breyer die letzte und finale Verhandlungsrunde schon für den 30. November angesetzt, dann für vergangenen Freitag. Jedes Mal hatte es dabei jedoch keine Einigung gegeben und die Schlussanhörung musste wie am Montag verschoben werden.
Vermittlung durch den Richter
Volkswagen und Audi waren in ihren Verhandlungen mit den US-Umwelt- und Justizbehörden sehr weit gekommen. Eine Einigung hatte sich schon seit dem Wochenende abgezeichnet. Gut 200 Millionen Euro zahlt Audi für die zusätzliche Umweltbelastung durch die manipulierten Fahrzeuge.
Gefeilscht wurde bis zum Schluss um die Entschädigung für die betroffenen Autofahrer in den USA. Deren Anwälte erhoben vergleichsweise hohe Forderungen, die Volkswagen und Audi nicht bezahlen wollten. Richter Breyer versuchte als Schlichter einen Ausgleich zwischen beiden Seiten. Am Ende hatte er mit seinen Bemühungen Erfolg.
Gemeinhin wird nur die Marke Volkswagen mit dem Dieselskandal des Konzerns in Verbindung gebracht. Von den elf Millionen Autos, die weltweit mit einer manipulierten Motorsteuerung verkauft worden sind, stammt der überwiegende Teil auch von VW. Doch für einen kleinen Teil trägt die Premiummarke Audi die Verantwortung, über diese Autos ist in Kalifornien verhandelt worden.
Audi hat den großen Drei-Liter-Dieselmotor entwickelt und nicht nur in den eigenen Autos verwendet, sondern auch an die Schwestermarken VW und Porsche weitergereicht. Betroffen sind vor allem größere und besser ausgestattete Fahrzeuge wie der Audi Q7, der VW Touareg und der Porsche Cayenne. Der aktuelle Rechtsstreit bezieht sich ausschließlich auf rund 80.000 in den USA verkaufte Autos, Europa etwa ist davon nicht betroffen.
Anfänglich hatte Audi abgestritten, dass in den Fahrzeugen überhaupt eine manipulierte Software zur Motorsteuerung („Defeat Device“) eingebaut worden ist. Die Autos wiesen auf dem Teststand bei der Zulassung für den US-Automarkt eine wesentlich niedrigere Schadstoffbelastung auf als später im Alltagsbetrieb auf der Straße. US-Ermittler konnten Audi jedoch die Verwendung einer „Defeat Device“ nachweisen, die Ingolstädter VW-Tochter musste am Ende klein beigeben.
Über Monate haben nun Audi und Volkswagen mit US-Umweltbehörden, den Anwälten der betroffenen Autofahrer und dem amerikanischen Justizministerium über einen Vergleichsvorschlag verhandelt. Vorbild könnte eine Lösung sein, die Volkswagen bereits im Sommer für fast 500.000 Autofahrer in den USA ausgehandelt hatte, die ein Fahrzeug mit kleinerem Zwei-Liter-Dieselmotor gekauft hatten. Sie können mit einer Entschädigung von bis zu zehn Milliarden US-Dollar rechnen. Außerdem zahlt Volkswagen Milliarden in einen Umweltfonds ein und hilft mit auf Aufbau eines Netzes von Elektro-Tankstellen in den USA.
Einigung auch in Kanada
Die Einigung im Zwei-Liter-Verfahren hat Volkswagen am Montag auch auf Kanada übertragen, das ein ähnliches Rechtssystem wie die USA hat. Das Unternehmen verständigte sich mit Klägern vor einem Gericht in Ontario auf eine Zahlung von bis zu 2,1 Milliarden kanadische Dollar Schadenersatz für Dieselautos mit manipulierter Abgasreinigung. Die gut 100.000 Pkw der Marken Volkswagen, Audi und Porsche mit Zwei-Liter-Motor können die Kunden außerdem zurückgeben oder umrüsten lassen.
Sowohl in den USA als auch in Kanada gibt es noch keinen von den Behörden genehmigten Umrüstplan für die Autos mit Zwei-Liter-Dieselmotor, mit dem die betroffenen Fahrzeuge die schärferen nordamerikanischen Emissionsvorschriften einhalten. Volkswagen arbeitet an einem Umrüstplan für diese Autos, ein erstes Institut soll den Plan bereits genehmigt haben. Im November hatten sich bereits etwa 80 Prozent der betroffenen Kunden für den Entschädigungsplan von VW registrieren lassen, davon entscheiden sich mehr als 60 Prozent für einen Rückkauf der Autos durch den Volkswagen-Konzern.
Spar- und Sanierungsprogramme bei Volkswagen
Im Jahr des Amtsantritts des späteren VW-Patriarchen Ferdinand Piëch als Vorstandschef steckt der Konzern in einer tiefen Krise. Er produziert im Vergleich mit der globalen Konkurrenz viel zu teuer, es droht die Entlassung von bis zu 30.000 Beschäftigten.
Peter Hartz, von Piëch eingestellter Personalvorstand und späterer Entwickler der Arbeitsmarktreformen der Regierung Schröder, kann den Kahlschlag abwenden. Er führt in enger Abstimmung mit dem Betriebsrat und der IG Metall unter anderem die Vier-Tage-Woche bei Volkswagen ein - eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich. Auch der umstrittene „Kostenkiller“ und Ex-General-Motors-Manager José Ignacio López bringt den verlustreichen Konzern finanziell wieder auf Kurs.
Die Hauptmarke Volkswagen-Pkw fährt chronisch niedrige Erträge ein - eine deutliche Parallele zur heutigen Lage. Nach monatelangen Verhandlungen zum neuen Haustarifvertrag bei VW einigen sich die Parteien auf eine Abkehr von der Vier-Tage-Woche. Als Gegenleistung für die wieder deutlich längeren Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich verlangt die IG Metall vom Unternehmen verbindliche Zusagen für die langfristige Zukunft der sechs westdeutschen Werke.
Nachdem Kernmarken-Chef Wolfgang Bernhard mit Stellenstreichungen und Produktionsverlagerungen gedroht hat, verlässt er den Konzern. VW kann dennoch die Kosten senken und die Wettbewerbsfähigkeit steigern.
Nach Jahren satter Gewinne dümpelt die Marke mit dem VW-Emblem - gemessen an der Marge (Anteil des Gewinns am Umsatz) - im Branchenvergleich erneut vor sich hin. Zugleich muss der Gesamtkonzern die Milliardenlasten des Abgas-Skandals verdauen und sich stärker auf die Zukunftsthemen der Branche konzentrieren.
Der „Zukunftspakt“ soll daher den Spardruck, den Umbau in Richtung E-Mobilität, Digitalisierung und Dienstleistungen sowie das Interesse der Belegschaft an sicheren Jobs und Standorten in die Balance bringen. Nach Monaten des Ringens steht fest: Dies wird nicht ohne Zugeständnisse bei den Jobs gehen. 30.000 Stellen sollen weltweit bis 2020 auslaufen, betriebsbedingte Kündigungen soll es nicht geben - stattdessen soll der Abbau etwa über Altersteilzeiten erreicht werden.
Für Audi wäre es in den USA am teuersten geworden, wenn Richter Breyer in San Francisco den Rückkauf aller betroffenen 80.000 Autos mit großem Drei-Liter-Motor angeordnet hätte. „Ein kompletter Rückkauf dürfte etwa 2,5 Milliarden Dollar kosten“, erläutert Arndt Ellinghorst, Automobilexperte beim Londoner Investmentberater Evercore ISI. Im Vorfeld der jüngsten Anhörungen war schon diskutiert worden, dass Audi nur gut 20.000 Autos zurückkauft und den größeren Rest umrüsten kann. Eine Umrüstung ist deutlich günstiger, in diesem Fall würden 1 bis 1,5 Milliarden Dollar fällig werden. Volkswagen-Anwalt Robert Giuffra hatte im Vorfeld behauptet, dass alle Autos umgerüstet werden könnten, ohne die Fahreigenschaften zu beeinflussen.
Die rechtlichen Auseinandersetzungen sind für den VW-Konzern allerdings auch mit einer Einigung für die Audi-Motoren nicht beendet. Es fehlt noch der abschließende Schuldspruch im laufenden strafrechtlichen Verfahren, die der Konzern mit dem US-Justizministerium in Washington führt.
Volkswagen-Konzernchef Matthias Müller will das Verfahren noch in diesem Jahr beenden – bevor in Washington die neue Administration des künftigen US-Präsidenten Donald Trump die Arbeit aufnimmt. Neues Personal in den Ministerien dürfte eine weitere Verzögerung bedeuten – etwas, was Volkswagen nach Möglichkeit verhindern will. Teuer wird eine strafrechtliche Einigung auf jeden Fall. Volkswagen kalkuliert mit einer Strafe von etwa drei Milliarden US-Dollar, wie aus Konzernkreisen in Wolfsburg verlautet. Volkswagen hat dafür die nötigen Rückstellungen gebildet, diese Belastung könnte der Volkswagen-Konzern verkraften.
VW-Zukunftspakt: Was auf die Werks-Standorte zukommt
Bis 2020 sollen am Stammsitz rund 1000 Arbeitsplätze in Zukunftsfeldern entstehen. Der nächste Golf 8 für die USA soll in Wolfsburg gefertigt werden, außerdem ein SUV für die spanische Tochter Seat. In anderen Bereichen läuft die Fertigung bis 2022 aus - unter anderem beim Lenkstangenrohr und der Räderfertigung.
Das größte Teilewerk des Konzerns soll im VW-Konzern das Leitwerk für den Elektro-Antriebsstrang werden - samt Entwicklungsaufgaben. Zudem sollen in Nordhessen auch mehr Ersatzteile gefertigt werden.
Das Motorenwerk in Salzgitter gilt als einer der Verlierer aufkommender E-Antriebe. Der Standort soll daher die Federführung bei der Entwicklung von Batteriezelltechnologien erhalten und - soweit wirtschaftlich tragbar - auch die Serienfertigung der Zellen. Die Produktion von Hauptkomponenten für E-Motoren soll sich Salzgitter mit Kassel teilen.
Ab 2019 soll Emden ein viertes Modell bekommen, um die Auslastung des Werkes an der Küste zu sichern. Im Zuge der Abgasaffäre hatte VW im März angekündigt, die Verträge von 2150 Leiharbeitern nicht zu verlängern.
Die Gießerei und der Bereich Wärmetauscher standen auf dem Prüfstand, bleiben aber erhalten und sollen auch Komponenten für die E-Antriebe der Zukunft liefern. Zudem wird in der Gießerei der 3D-Druck von Teilen angesiedelt. In beiden Bereichen fallen jedoch Stellen weg.
Das Werk bekommt die Entwicklung für Batteriesysteme in den Produktionsbaukästen des Konzerns sowie die Montage von einigen Batterien. Zudem soll die Produktion von Lenkungen ausgebaut werden. Die Kunststofffertigung wird dagegen bis 2021 eingestellt, auch Fahrwerke werden wohl Arbeit verlieren.
Neue Golf-Modelle sollen auch weiter in Zwickau gebaut werden, zudem soll das Werk ein Elektromodell erhalten. Dennoch wird die Zahl der Beschäftigten sinken.
Mit einem blauen Auge dürfte Bosch in den USA als Lieferant der Steuerungssoftware für die Motoren davonkommen. Der Zulieferkonzern sei zur Zahlung von mehr als 300 Millionen Dollar an Kläger bereit, die dem Stuttgarter Unternehmen aktive Mithilfe vorwerfen, sagte ein mit den Beratungen Vertrauter gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Bosch hatte jegliche Verantwortung für den Einsatz der Software von sich gewiesen und äußerte sich nicht zu den aktuellen Vergleichsgesprächen.
Im Unterschied zu Nordamerika können die Autos aus dem VW-Konzern in Europa mit der Zustimmung der Aufsichtsbehörden umgerüstet werden. Dazu musste in den meisten Fällen nur eine neue Software für die Motorsteuerung aufgespielt werden. Fünf von 5,8 Millionen Autos haben in Europa die Freigabe für die Umrüstung von den Aufsichtsbehörden bekommen. Noch in dieser Woche sollen tatsächlich alle Fahrzeuge die Freigabe zur Umrüstung bekommen. 1,7 Millionen Wagen sind tatsächlich schon umgerüstet worden. Volkswagen sieht dadurch keine besondere Belastung auf die Werkstätten zukommen. 2017 könnten alle restlichen Fahrzeuge ohne besondere Probleme umgerüstet werden.