Dieselskandal VW-Kunden müssen Monate auf ihr Geld warten

Im Gegensatz zu Europa zahlt Volkswagen im Abgasskandal betroffenen US-Autofahrern eine Entschädigung – in der Theorie zumindest. Kunden klagen über Wartezeiten von mehreren Monaten. Eine Hinhaltetaktik von VW?

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Viele amerikanische Kunden beklagen sich über Volkswagen. Trotz Geld-zurück-Garantie dauert die Rückzahlung der vom Diesel-Skandal betroffenen Fahrzeuge zu lange. Quelle: Reuters

Detroit Viele amerikanische Kunden des Autobauers Volkswagen erleben derzeit Bremsschwellen der besonderen Art: Wer nach dem Abgasskandal beantragt hat, dass VW das betroffene Auto zurückkaufen soll, wartet unter Umständen mehrere Monate auf sein Geld. Angesichts der massenhaften Anträge halten viele das für ganz normal - andere vermuten jedoch eine Hinhaltetaktik.

Er fühle sich nahezu abgewürgt, erklärt der 42-jährige Eric Larson aus Minneapolis, der drei Monate darauf gewartet hat, dass VW sein Auto zurückkauft. Es geht um einen schwarzen A3 der Luxusmarke Audi, Baujahr 2012. So schnell wie möglich versuchte er nach einem wegweisenden Vergleich vor Gericht, sein Auto abzugeben und meldete sich dafür online an. Dabei gab er zunächst unvollständige Dokumente ab, doch der Konzern versicherte ihm am 15. November, nun alle nötigen Unterlagen zu haben.

Nach einem Monat Stille hieß es allerdings, Papiere zur Kreditabzahlung des Wagens müssten nachgereicht werden. Er faxte sie. Erst am 18. Januar kam die Antwort - mit einem Angebot von 27 500 Dollar. Er unterzeichnete und schickte es am Tag darauf zurück. Nun wartet Larson aber noch auf einen Termin zur Abgabe seines Autos - was nach VW-Angaben weitere 90 Tage dauern könnte. Für den Autobesitzer ist die Sache relativ klar. Er verdächtigt Volkswagen, den Rückkauf hinauszuzögern. Gängelei nach der Logik: Je mehr Kilometer die Kunden fahren, desto weniger muss der Konzern zahlen. Dieser weist das zurück.

Volkswagen selbst räumt die Verzögerungen ein, macht dafür aber die große Anzahl der Kunden verantwortlich, die den Rückkauf in Anspruch nehmen wollen. Ein Anwalt des Unternehmens teilte dem zuständigen Richter im Fall zum Abgasskandal mit, fast 400 000 Autobesitzer hätten sich in den ersten drei Monaten nach der Einigung für das Rückkaufverfahren angemeldet.

Auch eine Anwältin der Autobesitzer hat Verständnis. Die Anfragen seien überwältigend gewesen, sagt Elizabeth Cabraser. Die Situation sei wie bei einer Hausparty, die einen Tag dauere „und jeder Gast kommt in den ersten fünf Minuten.“

Im Oktober hatte der Richter Charles Breyer in San Francisco einer Vereinbarung der Autobesitzer, der US-Regierung und dem Autobauer zugestimmt. Darin erklärte VW, bis zu zehn Milliarden Dollar ausgeben zu wollen, um die vom Dieselskandal betroffenen Autos zurückzukaufen. Diese waren so programmiert, dass sie während staatlicher Abgastests weniger Emissionen ausstießen als dann tatsächlich auf der Straße.


Bürokratische Hürden

Insgesamt wird VW rund 15 Milliarden Dollar aufwenden, um Kunden und Regierung in den USA zu entschädigen. Zudem erklärte sich das Unternehmen bereit, 4,3 Milliarden Dollar zu bezahlen, um einen Strafprozess beizulegen.

Doch Betroffenen wie David Derkach hilft das wenig. Der 18-Jährige aus der Nähe von Seattle musste in diesem Semester auf einen Unikurs verzichten, weil der VW-Check noch nicht da ist. Die Papiere für den Rückkauf seines VW Golf aus dem Jahr 2010 füllte er zwar bereits im Oktober aus. Der Autobauer antwortete aber, die Daten bei seiner Onlineanmeldung stimmten nicht mit denen auf seinem Führerschein überein. Er schickte Kopien von beiden Unterlagen an das Unternehmen, doch bis heute fehlt ein Kaufangebot. Auf der VW-Website steht, für den Golf seien vermutlich 16.000 Dollar zu bekommen - doch ohne die rettende Überweisung musste Derkach nun einen Teil seiner Bildung schmeißen. „Ich bin zu kurz gekommen“, sagt er.

Laut der Vereinbarung vor Gericht hat VW zweimal zehn Werktage Zeit, bis der Autobauer einem Kunden ein Rückkaufangebot vorlegen muss. Zehn, um die Anmeldung des Besitzers zu überprüfen - weitere zehn, um einen Vorschlag abzuliefern.

Doch dies ist offensichtlich unrealistisch. VW-Anwalt Robert Giuffra merkte vor Gericht bereits an, dass der Abgasskandal juristisch womöglich einer der größten und kompliziertesten in der US- oder sogar der Weltgeschichte sei. Der Konzern hat nach eigenen Angaben 1300 Mitarbeiter zusätzlich angestellt, um die Anfragen zu bearbeiten.

Elizabeth Cabraser, die Anwältin auf Kundenseite, sagt, Volkswagen habe bis Mittwoch bereits 83 000 Rückkäufe durchgeführt und dabei rund 1,5 Milliarden Dollar ausgegeben. Die Zeitpläne seien eher als Richtlinie und weniger als Vorgabe zu verstehen - zudem werde VW mit jedem Tag schneller in der Bearbeitung. Auch Richter Breyer fand in einer Anhörung vergangene Woche versöhnliche Worte: „Es gibt keine perfekte Lösung für ein imperfektes oder ein sehr schwieriges Problem.“

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