Digitalisierung Autohändler streiten sich mit Volkswagen

Volkswagen will seinen Vertrieb in Deutschland in ein neues Zeitalter führen. Doch das gefällt vielen Händler nicht. Sie befürchten höhere Kosten und den Wegfall ihres Geschäfts. Nur in einem Punkt herrscht Einigkeit.

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Volkswagen überlegt, einen eigenen Direktvertrieb über das Internet aufzubauen. Quelle: Bloomberg

Volkswagen treibt die Digitalisierung seines Händlernetzes voran. Bis zum Jahr 2020 muss jeder Händler in Deutschland voll digitalisiert sein. Das führt wahrscheinlich zu einer weiteren Ausdünnung des Netzes: Gerade kleinere Betriebe bekommen Probleme wegen steigender Anforderungen von Seiten des Herstellers. VW könnte auch einen eigenen Direktvertrieb über das Internet aufbauen, was für zusätzliche Verärgerung unter den Händlern sorgen würde.

Der VW-Konzern erwartet von seinen Händlern, dass sie sich bis zum Jahr 2020 an der IT-Plattform des Wolfsburger Autoherstellers beteiligen werden. 60 Prozent der Handelsbetriebe und Werkstätten sind schon jetzt dabei. „Wer auf diesen Zug nicht aufspringt, wird den Anschluss verlieren“, sagt Thomas Zahn, Leiter des VW-Vertriebs Deutschland, im Gespräch mit dem Handelsblatt. Eine Beteiligung von 60 Prozent sei zu niedrig, in zwei bis drei Jahren sollten alle Händler angeschlossen sein.

Insbesondere kleinere Händler dürften sich schwer damit tun, ihre Betriebe durch und durch zu digitalisieren. „Die größeren Händler sind in der Regel weiter, weil sie eigene IT-Abteilungen oder auch Callcenter haben“, bestätigt Zahn. Die Zahl der eigenständigen Händler wird in Deutschland mit großer Wahrscheinlichkeit weiter zurückgehen. Die Digitalisierung werde diese Entwicklung „eher noch beschleunigen“.

Die Marke Volkswagen kommt in Deutschland derzeit auf gut 1000 Händler. Vor acht Jahren waren es noch mehr als 1200. Auch außerhalb der VW-Organisation geht es mit den Händlerzahlen weiter bergab. Nach Angaben des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) ist die Zahl der fabrikatsgebundenen Betriebe im vergangenen Jahr um 3,7 Prozent auf 16.800 Unternehmen zurückgegangen.

Bei Volkswagen hängt die bis 2020 geplante vollständige Digitalisierung der Handelsorganisation in erster Linie an neuen Autos. Die neuen Elektromodelle wie der ID sind durch und durch digitalisiert. Allein schon die Übergabe an den Kunden beim Kauf ist künftig nur noch mit einem Computer möglich. Später in der Werkstatt soll in Zukunft auch nur noch die IT die kompletten Abläufe steuern. Volkswagen verspricht sich davon eine engere Abstimmung zwischen Verkauf und Werkstattbetrieb.

Der Volkswagen-Händlerverband hat gegenüber seinen Mitgliedern bereits eine Investitionswarnung ausgesprochen. Sie sollten nicht mehr in neue Ausstellungshallen und Hebebühnen investieren, sondern in die IT-Ausstattung ihrer Betriebe. „Angst vor der Digitalisierung haben wir nicht“, sagt Dirk Weddigen von Knapp, Geschäftsführer des Volkswagen-Partnerverbandes. Für die Händler, die sich einfach nur um ihr fortlaufendes Geschäft kümmerten, werde es schwierig. Die Investitionen für eine leistungsfähige IT-Ausstattung können schnell einen fünfstelligen Betrag erreichen.


Zumindest teilweise herrscht Einigkeit


Bislang gibt Volkswagen seinen Händlern die Zusage, dass der Hersteller keinen eigenständigen Direktvertrieb etwa über das Internet einführt. Doch in Wolfsburg gibt es Pläne, daran etwas zu ändern. „Wenn der Kunde es wünscht, warum sollten wir den Direktvertrieb nicht zulassen?“, fragt Deutschland-Vertriebschef Zahn.

Sollte sich Volkswagen für einen Direktvertrieb komplett ohne Händlerbeteiligung entscheiden, droht der Partnerverband mit Widerstand. „Dann ist der Protest unserer Mitglieder vor den Werktoren garantiert“, betont Weddigen von Knapp. Aus seiner Sicht kann auch ein Online-Direktvertrieb nicht ohne den Händler funktionieren. Probefahrt und Kundengespräch seien klassische Aufgaben für den Handelsbetrieb, die auch entsprechend honoriert werden müssten.

Weniger umstritten ist die gemeinsame Nutzung von Kundendaten. Nach Angaben des Partnerverbandes gibt es darüber bereits eine Einigung mit dem Wolfsburger Autohersteller. Der Konzern will unbedingt auch den Zugriff auf die Kundendaten bekommen. Eine Forderung, die in der Vergangenheit regelmäßig für Verstimmung auf der Händlerseite sorgte.

„Sollten wir Kundendaten erhalten und nicht damit arbeiten, nutzen diese niemandem – auch nicht dem Kunden“, sagt Vertriebschef Zahn. Die bestmögliche Verwendung von Kundendaten sei nur zusammen mit dem Autokonzern erreichbar. „Diese Aufgabe wird der Handel womöglich nicht alleine stemmen können und daher sehe ich es als gemeinsame Aufgabe.“

Digitalisierung und der neue Elektroantrieb werden die kommenden Jahre für die VW-Händler nicht einfacher machen, das sieht auch der Händlerverband so. „Das Geschäft wird sich grundlegend verändern und die Margen geraten unter Druck“, betont Verbandschef Weddigen von Knapp. Bei einem Elektromotor werde es deutlich weniger Wartungs- und Servicebedarf geben, glaubt der Händlerverband. Durch die neuen Fahrassistenzsysteme, die als Vorbereitung auf das Autonome Fahren schon jetzt in den Fahrzeugen Einzug halten, gebe es zudem „auch weniger Blechschäden und Dellen“. Am Ende müssten die Handelsbetriebe und deren Werkstätten mit weniger Umsatz auskommen.

Doch schon jetzt klagen viele Händler über die aus ihrer Sicht viel zu niedrigen Margen. Die Durchschnittsrendite aller deutschen Betriebe, also nicht nur bei Volkswagen, liegt nach Berechnungen des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe zwischen 1,6 und 1,9 Prozent. „Wer den Autohandel als unverzichtbare Schnittstelle zum Kunden erhalten will, muss ihm auch Luft zum Atmen lassen. Und die fängt bei drei Prozent Mindestrendite an“, fordert ZDK-Präsident Jürgen Karpinski, selbst Volkswagen-Händler in Frankfurt am Main.

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