Diskussion um Fahrverbote Bannmeilen für den Diesel

München plant das bisher schärfste Fahrverbot für Dieselfahrzeuge. Noch gibt es starken Widerstand in Deutschland, doch Städte wie Hamburg haben ähnliche Pläne – obwohl dort Autos der Umweltbehörde ausgebremst würden.

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Der Oberbürgermeister denkt öffentlich über ein Fahrverbot für Diesel nach. Quelle: Imago

München, Hamburg Obwohl derzeit viele Münchener die Stadt wegen der Pfingstferien verlassen haben, gibt es Straßen in der bayrischen Landeshauptstadt, auf denen der Verkehr stillsteht. Auf dem mittleren Ring, dem Georg-Brauchle-Ring und dem Petuel-Ring gehört der Stau zum Alltag. Der Blick des Autofahrers kann sich dann beispielsweise am imposanten Vierzylinder-Hochhaus des Autobauers BMW erfreuen – doch einatmen sollte man lieber nicht.

Was viele beim bloßen Anblick des alltäglichen Dauerstaus bereits erahnt haben, ist jetzt von einer neuen Erhebung belegt. Die Belastungen durch Abgase sind viel zu hoch, vor allem die krebserregenden Stickoxide (NOx) liegen an vielen Stellen der Stadt deutlich über den gesetzlichen Grenzwerten. Teilweise sind es über 60 Mikrogramm je Kubikmeter. Erlaubt ist von der Europäischen Union ein Mittelwert von 40 Mikrogramm über das Jahr verteilt. Am Pranger steht wieder einmal der Diesel, der als Hauptverursacher von Stickoxiden gilt.

Es hat deshalb durchaus etwas Revolutionäres, wenn der Münchener Oberbürgermeister Dieter Reiter von der SPD nun über ein generelles Diesel-Fahrverbot in der Stadt nachdenkt. „Die neuen Daten haben mir zu denken gegeben“, gibt er unumwunden zu. Bisher war er davon ausgegangen, dass lediglich der Innenstadtkern betroffen sei. Die neuesten Daten zeigen jedoch, dass auch etliche Gebiete außerhalb unter den Abgasen leiden.

Käme Reiter mit seinen Plänen durch, dann könnte das je nach Auslegung des Fahrverbots auf unterschiedliche Schadstoffklassen das Aus für 130.000 bis 170.000 Autos im Stadtgebiet bedeuten. Im Moment sind in München rund 720.000 Autos zugelassen, 295.000 davon Diesel. Noch nicht mitgezählt sind dabei die zahlreichen Pendler, die aus dem Münchener Umland jeden Tag in die Stadt kommen. Reiter will jedoch die bislang beste Schadstoffklasse, die Euro-6-Norm, von dem Verbot ausnehmen.

Mit seinem Vorschlag geht der Münchener OB, der seit 2014 im Amt ist, sogar weiter als sein Stuttgarter Kollege Fritz Kuhn (Grüne). In Baden-Württembergs Hauptstadt, die wegen ihrer Kessellage schon lange unter hohen Abgaswerten leidet, soll ab dem kommenden Jahr ein temporäres Fahrverbot für Dieselfahrzeuge gelten, die eine schlechtere Schadstoffklasse als die Euro-Norm 6 erreichen. Die gilt für Dieselautos seit 2015, viele Hersteller haben sie aber schon in den Baujahren davor erfüllt.

In Köln, das verkehrstechnisch ebenfalls berüchtigt ist, stehen die Spitzenwerte bei der Stickoxidbelastung denen in München in nichts nach. Von den rund 460.000 Autos, die in der Stadt zugelassen sind, hat jedes Dritte einen Dieselantrieb. Maßnahmen wie eine City-Maut, aber auch ein Diesel-Fahrverbot sind im Gespräch. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) gilt indes eher als Bremserin. „Bei Diesel-Fahrverboten habe ich große Bedenken hinsichtlich der Praktikabilität und der Verhältnismäßigkeit“, sagte sie kürzlich.


Hamburg steht unter Druck

Im Norden hat Hamburg bereits im Mai einen Luftreinhalteplan vorgelegt, der Fahrverbote für Diesel auf zwei Straßen im westlichen Stadtteil Altona vorsieht. Auch hier ist das Fahrverbot hochumstritten: Eigentlich hatte sich der Regierende Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) stets gegen Fahrverbote stark gemacht. So gehört die Hansestadt zu den wenigen Großstädten ohne Umweltzone, obwohl die Luft durch den innenstadtnahen Hafen wegen des Schiffsdiesels alles andere als sauber ist.

Doch die rot-grün regierte Stadt steht unter Druck: Schon 2014 urteilte das Verwaltungsgericht, die Stadt müsse einen wirksamen Luftreinhalteplan vorlegen. Dafür bleibt nur noch bis Ende Juni Zeit. Der Senat hat die Fahrverbote bereits beschlossen, derzeit liegt der Plan für Bürgerstellungnahmen aus.

Große Änderungen sind jedoch nicht zu erwarten, bis der Plan Ende des Monats endgültig vom Senat abgesegnet wird. „Der Bürgermeister hat zugesichert, dass jeder Punkt der Stadt für jeden Bürger erreichbar bleibt“, betonte ein Sprecher der Umweltbehörde.

Betroffen sind so nur wenige Kilometer des Straßennetzes, an denen es besonders hohe Stickoxid-Belastungen gibt. Konkret sind das die Stresemannstraße und die Max-Brauer-Allee, zwei vielbefahrene Durchfahrtsstraßen in eng bebauten innerstädtischen Wohngebieten. Allerdings: Betroffen von den Beschränkungen sind nach derzeitigem Stand in Hamburg fast 240.000 Dieselfahrzeuge mit den Abgasnormen Euro 4 und 5 – darunter, wie die CDU-Opposition ätzte, auch 14 Dienstwagen der Umweltbehörde.

Über all den unterschiedlichen Wegen, die die deutschen Großstädte mit möglichen Diesel-Fahrverboten zur Reduzierung der Stickoxide gehen wollen, steht indes die Frage, ob die Kommunen überhaupt zuständig sind. Mit Spannung wird deshalb im Herbst eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig dazu erwartet. Genauso spannend ist die Frage, ob sich selbst bei einem positiven Bescheid der Juristen politische Mehrheiten für ein Diesel-Fahrverbot finden. Dass die Grünen hier Beifall klatschen, ist wenig überraschend.

In München regiert SPD-OB Reiter aber in einer großen Koalition mit der CSU. Die ist gegen die Pläne. Und bei den vielen Unstimmigkeiten, die es in den vergangenen Monaten bereits gab, könnte ein Diesel-Fahrverbot das Thema sein, das zum endgültigen Bruch führt.

Bleiben die großen Hersteller. Daimler in Stuttgart und BMW in München verdienen einen Großteil ihres Geldes noch immer mit dem Verkauf von Dieselantrieben. Erst in den kommenden Jahren wird ein Großteil ihrer Flotte elektrisch oder teilelektrisch unterwegs sein. Bei ansonsten freundlicher Stimmung an den Börsen am Mittwoch gehörten die Autowerte BMW, Daimler und Volkswagen zu den wenigen Verlierern.

Münchens OB Dieter Reiter machte indes deutlich, dass er selbst bei Einführung eines Dieselfahrverbotes die Verkehrswende weiter vorantreiben will. „Ziel muss es außerdem sein, dass die Menschen sich nicht alle selbst ein Auto anschaffen“.

Sätze, die man beim Verband der Autoindustrie (VDA) selbstverständlich nicht gerne hört. Dort hält man Fahrverbote für einen „politischen Schnellschuss“. Wirklich helfen würde nur, den Stau in den Städten aufzulösen, sagen die Lobbyisten. Bei rollendem Verkehr würden die Stickoxidemissionen um 30 Prozent geringer ausfallen. Dafür müsste aber auch der Stau aus dem Münchener Stadtbild verschwinden.

Mitarbeit: Lukas Bay

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