Drohnen und Sensoren Schöne neue Pharma-Welt

Medikamente per Amazon-Drohne könnten nur der Anfang sein: Der weltgrößte Gesundheitskonzern Johnson & Johnson blickt schon weiter in die Zukunft der Medizin. Sensoren in und am Körper spielen dabei eine zentrale Rolle.

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Vernetzte Systeme könnten in naher Zukunft Alarm schlagen, wenn der Bluthochdruck zu hoch, der Blutzucker zu niedrig ist. Quelle: ddp images/Minneapolis Star Tribune/TNS/Sip

New York Dingdong, Ihr Krebsmittel ist da. Der Online-Händler Amazon erwägt einen Einstieg in den Vertrieb von Medikamenten. Laut einem Bericht des US-Fernsehsenders CNBC sucht Vorstandschef Jeff Bezos bereits Top-Manager, um das Geschäft mit verschreibungspflichtigen Medikamenten aufzubauen.

Und wie reagiert die Pharmabranche? Die nimmt es gelassen und begrüßt den Schritt sogar: „Wenn das eine Möglichkeit ist, den Vertrieb von Medikamenten effizienter zu gestalten und gleichzeitig die Sicherheit zu gewährleisten, dann wäre das positiv“, sagte Alex Gorsky, Chef von Johnson & Johnson des größten Gesundheitskonzerns der Welt. Gorsky hatte zu einer Investoren-Konferenz in New Brunswick geladen, um über die Pläne für die Pharmasparte, die unter dem Nahmen Janssen auftritt, für die kommenden Jahre zu sprechen. Nun wird sich in Zukunft vielleicht mit Amazon ein weiterer großer Spieler im Gesundheitsmarkt tummeln.

Auch Janssens Forschungs-und Entwicklungs-Chef William Hait sieht den möglichen Amazon-Vorstoß positiv: „Wenn man bei Amazon einfach auf sein Rezept klicken kann und eine Drohne einem dann am Nachmittag das Medikament bringt – das hätte schon was“, sagt der technologiebegeisterte Hait im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Amazon selbst hat sich zu den Plänen nicht geäußert. Aber die Aktienkurse von Apothekenketten wie CVS und Walgreens Boots Alliance haben auf die Berichte mit einem deutlichen Abschlag reagiert. Sie wären am stärksten betroffen, sollte der größte Online-Händler der Welt tatsächlich in den Markt einsteigen. Tatsächlich sind Rezeptbestellungen im Internet in den USA schon heute möglich.

Dabei ist der Markt in den USA stark reguliert und kompliziert und hat mehrere Ebenen zwischen Pharmahersteller und Endkunden: In den USA sind oft so genannte Pharmacy Benefit Managers (PBM) zwischen die Kunden und den Arzneimittelhersteller geschaltet. Diese PBM übernehmen für bestimmte Patientengruppen im Auftrag der Kostenträger – wie Krankenversicherer, Arbeitgeber oder Kommunen – die Versorgung mit Medikamenten.

Das heißt, dass sie mit den Pharma-Unternehmen um Rabatte auf den Listenpreis verhandeln. Je größer diese PBM sind, umso stärker ist ihre Macht, bei den Pharmakonzernen Preisnachlässen zu fordern. Express Scripts etwa wickelt jährlich 1,4 Milliarden Rezepte ab. Zum Teil verschicken diese PBMs Medikamente direkt nach Hause – oder sie stützen sich auf Apothekenketten vor Ort, etwa wenn Medikamente gekühlt bleiben müssen.

„Obwohl wir glauben, dass Amazon die finanziellen Ressourcen hat, in diesen Bereich zu gehen, glauben wir nicht, dass der Einstieg den Markt durcheinander bringen würde“ schreibt Analystin Ann Hynes von Mizuho Securities. Sie weist daraufhin, dass Amazon bisher keine Erfahrung hat mit dem komplizierten Gesundheitssystem in den USA.


„Unserer Körper gibt ständig Signale. Wir müssen sie nur lesen können.“

Im Vergleich zu der Zukunftsvision des Janssen-Forschungschef Hait ist die Medikamentenlieferung per Drohne ohnehin unspektakulär. Hait prophezeit eine Zukunft, in der wir mit Sensoren in und am Körper Signale aussenden. Ähnlich wie im Auto die Warnung „Sofort die Werkstatt aufsuchen“ aufleuchtet, werden wir dann informiert, wenn unserer Bluthochdruck zu hoch, der Blutzucker zu niedrig ist oder wir kurz vorm Infarkt stehen und was wir dann tun müssen – wann wir welche Medizin nehmen, zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen müssen.

Der Onkologe Hait ist überzeugt, dass dieses Szenario nicht mehr weit entfernt ist: „Ein paar Jahre vielleicht. Unserer Körper gibt schon heute ständig Signale. Wir müssen sie nur lesen können“ ist er überzeugt. „Wenn ich mich unter meinen Kollegen umschaue: Die tragen heute schon Schrittzähler, Herzfrequenz-Messgeräte und zum Teil sogar Bänder, die den Sauerstoff im Blut messen“, berichtet er.

Diese Werte würden in Zukunft direkt an den behandelnden Arzt weitergeleitet. Dessen Praxis wird jede Menge Monitore an den Wänden haben, wo die Patientendaten einlaufen. Und wenn irgendein Wert aus dem Lot ist, bekommt er eine Warnung – oder das Krankenhaus wird direkt benachrichtigt und schickt eine Ambulanz.

„In Zukunft werden wir auch bei unseren Kindern schon nach der Geburt wissen, welche Risiken sie haben, sodass wir sie dementsprechend behandeln oder beobachten können“, prophezeit der Forscher. Für Hait ist das ein Traum und kein Albtraum – auch dann, wenn wir vielleicht von Krankheiten erfahren, die wir noch nicht heilen können: „Ich habe 30 Jahre lang als Onkologe gearbeitet. Und ich bin überzeugt: Informationen sind wichtig, um Lebensentscheidungen zu treffen“, sagt er. Hait weist darauf hin, dass viele Menschen schon heute freiwillig ihre DNA einschicken, um sie für teures Geld analysieren zu lassen.

Der Dauercheck per Sensor wird vielleicht noch etwas dauern. Als Zwischenschritt sagt Hail aber schon bald jährliche Check-ups voraus, „bei denen wir mit einfachen Diagnose-Methoden wie Bluttests schon die verschiedensten Krebsarten im Anfangsstadium und andere Krankheiten erkennen und besser heilen können“. Länder wie die USA und Deutschland werden da ganz vorne mit dabei sein, prophezeit er. Wo oder über welchen Vertriebsweg wir dann unsere Medikamente kaufen, spielt da für ihn nur eine Nebenrolle.

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