DSW-Geschäftsführer "Lage von ThyssenKrupp nicht sonderlich stabil"

Thomas Hechtfischer, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz DSW, wird auf ThyssenKrupp-Hauptversammlung Fragen an den Vorstand stellen. Seine Einschätzung zur Lage des Stahlkochers.

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Thomas Hechtfischer, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz DSW:

WirtschaftsWoche: Herr Hechtfischer, glauben Sie, dass der Vorstand von ThyssenKrupp auf der Hauptversammlung am Freitag Entwarnung geben kann? Ist der Konzern nach dem Verkauf des Stahlwerks in USA aus dem Schneider?

Hechtfischer: Das glaube ich wirklich nicht. Die Lage von ThyssenKrupp ist nicht sonderlich stabil. Die Eigenkapitalquote rangiert immer noch deutlich unter zehn Prozent, die Verlustsituation ist bei ThyssenKrupp im Geschäftsjahr 2012/13 zwar abgemildert, aber der Konzern schreibt immer noch rote Zahlen. Das Walzwerk in Alabama ist verkauft, das war schon einmal eine gute Nachricht. Aber beim Stahlwerk in Brasilien ist die Lage unklar. Laut Geschäftsbericht will Konzernchef Heinrich Hiesinger das Stahlwerk behalten und weiterentwickeln.

Aber ich weiß wirklich nicht, wie man die Anlage wieder flott bekommen soll. Ich würde gern etwas über die Einzelheiten des Liefervertrages von Stahlbrammen zwischen Brasilien und Alabama erfahren. Man kann nur hoffen, dass es ein guter Vertrag ist. Die Brammen aus Brasilien sind immer noch teurer als die aus Duisburg. Man kann nur vermuten, dass die Käufer vom Walzwerk in Alabama deswegen keinen allzu hohen Preis bezahlt haben, weil sie dafür teure Lieferverträge mit Brasilien mit eingekauft haben. Immerhin soll Brasilien deswegen zu 50 Prozent ausgelastet sein, das ist schon einmal gar nicht so schlecht. Es fragt sich nur zu welchen Preisen.

Was erwarten Sie für den deutschen Stahl?

An das Stahl in Duisburg-Bruckhausen werden sie im Augenblick nicht herangehen. Aber bei den Eisenhüttenwerken EHW wird das Sparprogramm von ThyssenKrupp „Best in Class reloaded“ voll greifen. Die Frage ist auch, was Hiesinger mit dem vom finnischen Edelstahlkonzern Outokumpu wieder zurückgenommenen Edelstahlwerken, zum Beispiel VSM, vorhat. Werden sie saniert? Werden sie weiterverkauft? Das alles ist noch offen. Ich werde dazu auf der Hauptversammlung eine Frage stellen.

Welche Rolle spielt der neue schwedische Investor Cevian, der bei ThyssenKrupp mit elf Prozent nach der Krupp-Stiftung nun zweitgrößter Aktionär ist?

Das ist eine Frage, die uns sehr interessiert. Cevian hat ja in der Vergangenheit bei anderen Investments bewiesen, dass sie eigene Vorstellungen haben und auch operativ in das Management eingreifen.

"Obermann hat keine Industrieerfahrung"


Und wie sehen sie die Rolle der Krupp-Stiftung, die früher unter dem verstorbenen Berthold Beitz eine unumschränkte Macht im Konzern ausübte?

Die Krupp-Stiftung ist in ihrer jetzigen Aufstellung ein unbeschriebenes Blatt. Den Kuratoriumsvorsitz hat zwar die Hochschulprofessorin Ursula Gather übernommen, aber wir wissen immer noch nicht, wer den Vorstandsvorsitz in der Stiftung übernehmen wird, den Beitz ja auch innehatte. Ob dieser Vorstandsvorsitzende demnächst benannt wird oder der Stiftungsvorstand gemeinschaftlich handelt, entzieht sich unserer Kenntnis. Aber natürlich werde ich die Frage stellen, ob die Entsendung von jetzt drei Aufsichtsräten durch die Stiftung durch die Reduktion des Anteils auf unter 25 Prozent mittelfristig angepasst wird.

Glauben Sie, dass sich durch den Weggang von Gerhard Cromme aus dem Aufsichtsrat bei ThyssenKrupp viel geändert hat?

Der Aufsichtsratsvorsitzende Ulrich Lehner ist ein honoriger Mann, aber er ist ein Altaufsichtsrat, kein Mann von außen, der einen neuen Blickwinkel mitbringt. Auch gehören dem Aufsichtsräte sehr viele Manager an, die dort seit langem alle Fehlentscheidungen bei den Milliardeninvestitionen in Übersee mitgetragen haben. Das gilt auch für den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses, der dieselbe Funktion hatte, als das Milliardenloch bei ThyssenKrupp entstanden ist und die Schieflage einsetzte.

ThyssenKrupp ist zu recht stolz darauf, den Vorstand zu hundert Prozent erneuert zu haben, aber im Aufsichtsrat ziert man sich noch, eine Erneuerung einzuleiten. Viele halten sich dort an ihren Posten fest, die dort bei den Investitionssünden der Vergangenheit die Augen geschlossen hatten. Der frühere Telekom-Chef René Obermann, der von Lehner in den Aufsichtsrat geholt wurde, hat keinerlei Industrieerfahrung. Der Weggang von Herrn Cromme ist noch lange kein personeller Neuanfang im Aufsichtsrat.

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