E-Mobilität Elektroantrieb als Massenware

Neuerdings wird der Verkauf von Elektroautos per Prämie gefördert. Dabei haben sich Kunden in anderen Bereichen der Mobilität längst an den Akku-Betrieb gewohnt. Warum sogar die Autoindustrie andere Lösungen vorzieht.

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Frank Appel in einem elektronisch betriebenen Streetscooter der Deutschen Post. Quelle: Reuters

Karlstein/Regensburg Einig waren sich Politiker und Autobauer schon vor ihrem denkwürdigen Gipfel Ende April: Elektroautos gehört die Zukunft, sie sind politisch gewollt. Weil aber die Kunden bislang wenig Interesse an der neuen Form des Antriebs zeigten, sollen sie künftig mit einer Prämie von bis zu 4.000 Euro je Auto vom Kauf überzeugt werden.

Die Deutschen werden so also per Staatsgeld an die neue Form des Antriebs herangeführt, die Kaufprämie dient quasi als Appetitanreger für die neue Antriebsform. „Dabei hat der Kunde in Deutschland schon längst gelernt, mit Elektromobilität umzugehen“, hält Sven Bauer dagegen. In Karlstein am Main – direkt an der Grenze von Bayern zu Hessen – hat der hochgewachsene Gründer und Vorstandschef des Batterieherstellers BMZ gerade den nächsten Teilabschnitt in der Fertigung in Betrieb genommen. Nirgendwo in Europa werden so viele Lithium-Ionen-Batterien hergestellt wie in dem kleinen Ort am Main.

Über 5.000 verschiedene Batterietypen hat Bauer in den vergangenen 20 Jahren für seine Kunden produziert. Sie finden sich in E-Bikes und Gartengeräten, in Bohrmaschinen und Staubsaugern, aber auch in Stadtbussen und Gabelstaplern. „Kurioserweise hat sich gerade die Autoindustrie bislang mit dem Elektroantrieb am schwersten getan“, wundert sich Bauer. Bei Gabelstaplern beispielsweise liegt dagegen die Quote mittlerweile bei fast 100 Prozent.

Dabei ist das Grundprinzip dasselbe. „Bei den Lithium-Ionen-Batterien, die in Hybrid- und in reinen Elektrofahrzeugen eingesetzt werden, kommen im Wesentlichen dieselben chemischen und technologischen Prinzipien zur Anwendung wie bei Batterien für tragbare elektrische Geräte“, weiß Charlie Thomas, Fondsmanager bei Jupiter Asset Management. Was woanders längst Alltag ist, steckt somit in der Autoindustrie noch in einer frühen Phase.

Was vor allem an den hohen Kosten liegt. Rund ein Drittel der Kosten entfallen bei einem Elektrofahrzeug auf die Batterie. Was diese Autos entsprechend teuer macht. Knappe 35.000 Euro kosten ein BMW i3 oder ein VW e-Golf in der Grundausstattung. Viel Geld für ein Mittelklasseauto, das es zumindest im Falle des Golf mit Verbrennungsmotor schon für weniger als die Hälfte gibt.

Genauso krass ist die Lage bei den Plug-in-Hybriden, also der Kombination eines Verbrenners mit einem gut 200 Kilo schweren Elektroantrieb. Über 51.000 Euro kostet der Mercedes C 350 e, fast 57.000 Euro der Volvo V 60 D6 Twin Engine AWD. Bei Fahrzeugen dieser Preisklasse wirken die 3.000 Euro, die es vom Staat als Kaufanreiz für Plug-in-Hybride gibt, nur schwach.

Eine günstige Lösung für die Massen muss somit her. Daran arbeiten sie bei Continental in Regensburg. Schon im Herbst soll Premiere sein. „Milde Hybride“ lautet der Begriff für die Masse, von einer 48 Volt Hybrid-Architektur sprechen die Experten. Dafür wird ein Gerät nicht größer als ein Schuhkarton und keine 20 Kilo schwer in die bestehende Architektur integriert. „Segeln“ nennen sie es, wenn der Verbrennungsmotor während der Fahrt abschaltet und erst bei Bedarf wieder zugeschaltet wird. Ebenso lässt sich die beim Bremsen freigesetzte Energie so zurückgewinnen. Rund zehn Prozent an Verbrauch dürften sich damit einsparen lassen. Und das zu einem Preis, der einen Benziner nicht teurer macht als ein Fahrzeug mit Dieselmotor.

„Die Anfragen von Herstellern dazu haben uns überwältigt“, berichtet Christopher Breitsameter, Leiter des Bereichs Business Development und Strategie bei Continental. In wenigen Jahren soll der Bereich der 48 Volt-Technik der mit Abstand größte bei Conti in der Sparte der Elektromotoren sein. Die Light-Version des E-Antriebs könnte ihn also bei der breiten Masse salonfähig machen, eine Förderung vom Staat gibt es für die Käufer dafür aber nicht. Die bekommen nur die, die sich auch die teuren reinen Elektro- oder Plug-in-Fahrzeuge leisten können.


„Es gibt einen Riesenhype“

„Es ist auch unsere Aufgabe, zu erkennen, was gute Chancen am Markt hat und was nicht“, kommentiert Breitsameter den angepeilten Schritt in Richtung Massenmarkt. Bei Conti haben sie schließlich auch Enttäuschungen erlebt. In ihr Werk in Gifhorn hatten sie einst sehr viel Geld investiert, um dort reine Elektromotoren zu bauen. Renault wollte für seine viel beworbenen E-Autos dort 35.000 Motoren pro Jahr abnehmen, am Ende war es nicht mal die Hälfte. Mittlerweile haben sich beide in diesem Bereich getrennt. Insgesamt fuhr die zuständige Sparte bei Conti im vergangenen Jahr einen dreistelligen Millionenverlust ein. Das soll mit der 48 Volt-Technologie anders werden. „Wir wollen damit innerhalb eines Jahres Geld verdienen“.

Kernpunkt dabei ist jedoch auch, dass die Batterien leistungsfähiger werden und der Preis sinkt. Schon die vergangenen Jahre haben hier große Fortschritte gebracht. So ist von 2010 bis heute der Preis für eine Batterie von 1.000 Dollar je Kilowattstunde (kWh) auf 350 Dollar gefallen. Das haben die Experten von Bloomberg New Energy Finance berechnet. Bis ins Jahr 2030 erwarten sie gar einen Rückgang auf 120 Dollar. Ihre Kollegen vom Analysehaus Liberum rechnen bis ins Jahr 2020 mit einer um 30 Prozent höheren Leistung.

Sven Bauer vom Batteriehersteller BMZ freut sich zwar über das allmählich steigende Mehrgeschäft mit der Autoindustrie. Immerhin steht vor dem Firmengebäude ein Streetscooter, also eines der neuen Elektrofahrzeuge der Deutschen Post. Auch dessen Batterie kommt von BMZ. Die großen Zuwächse kommen jedoch woanders her. „Einen Riesenhype gibt es beispielsweise bei der sogenannten Weißen Ware, also bei Haushaltsgeräten wie Staubsaugern oder elektrischen Fensterputzgeräten“, beobachtet Bauer. Mit Akku und somit ohne Kabel lassen sich künftig wohl viele Unfälle im Haushalt vermeiden.

Das Gleiche gilt für Gartengeräte oder Werkzeuge am Bau. Die Idee der kabellosen Baustelle gibt es seit langem. Seitdem die Akkus von Bohrhämmern und Sägen genauso leistungsfähig sind wie die Vorgänger an der Steckdose, sind selbst Traditionalisten am Bau von den Maschinen überzeugt. Und bei den gut 500.000 E-Bikes, die im vergangenen Jahr in Deutschland verkauft wurden, hat jedes zweite eine Batterie von BMZ, schätzt Bauer. „Manche Sachen sind heute so erfolgreich, da hätte ich selbst daran geglaubt“, so Bauer.

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