Elektroauto-Studie Deutschland wird abgehängt

Die Politik träumt davon, dass Deutschland der Leitmarkt der elektrischen Mobilität werden könnte. Doch wie eine aktuelle Studie zeigt, droht der größte Automarkt Europas international abgehängt zu werden.

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In Deutschland ist der alternative Antrieb bisher nur ein Nischengeschäft. Quelle: dpa

Düsseldorf Nun sind es die Bayern, die vorpreschen. Gemeinsam mit den heimischen Autobauern Audi und BMW macht sich nun auch Landesregierung in München für eine Elektro-Kaufprämie stark. Für jedes verkaufte Elektroauto soll demnach ein Zuschuss von 4000 bis 5000 Euro fließen. „Die weltweiten Erfahrungen zeigen eindeutig, dass substanzielle Kaufanreize ein wirksames Instrument für signifikante Verkaufszahlen von E-Fahrzeugen sind", erklärte die bayrische Finanzministerin Ilse Aigner.

Wie viel davon die Hersteller und wieviel die Konzerne übernehmen, wird derzeit noch verhandelt. Doch die jüngste Initiative belegt einmal mehr, dass auch die Politik erkannt hat, dass die selbstgesteckten Elektroziele ohne eine Starthilfe immer unrealistischer werden.

Auch fünf Jahre, nachdem die Bundeskanzlerin öffentlich erklärte, bis zum Jahr 2020 rund eine Million Elektroautos auf deutsche Straßen bringen zu wollen, basiert die Elektroförderung in Deutschland im Wesentlichen auf dem Prinzip Hoffnung. Die „Nationale Plattform Elektromobilität“ hat bisher wenig zustande gebracht, außer eine Konferenz, auf der alle Beteiligten sich gegenseitig Mut machen konnten.

Die offizielle Statistik spricht eine dagegen eine deutliche Sprache: Rund 23.500 Elektroautos wurden 2015 zugelassen. Das ergibt gerade einmal einen Anteil von 0,7 Prozent am Gesamtmarkt. Dabei sind die Zahlen noch geschönt: Mitgezählt wurden alle Plug-in-Hybride, also Fahrzeuge, die zwar per Kabel geladen werden können, aber bei leerer Batterie oder längeren Fahrten mit Verbrennungsmotor laufen. Sie machen fast die Hälfte der Zulassungen aus.

Hinzu kommen Autos, die zwar in der Statistik auftauchen, aber nicht auf der Straße. Das meistverkaufte Elektroauto in Deutschland ist der Kia Soul EV. Ein Erfolg, den die Koreaner sich allerdings ermogelt haben. Mit Eigenzulassungen, die später nach Norwegen verkauft wurden, haben sie ihr Modell eingesetzt, um den Flottenschnitt zu schönen. Der E-Mobilität in Deutschland helfen solche Taschenspielertricks wenig. Rechnet man die Kia-Modelle aus der Statistik, stagniert der Absatz der reinen Elektroautos bei 8450 verkauften Fahrzeugen.

Und so ist die Dominanz der Verbrenner ungebrochen. 50,3 Prozent aller Fahrzeuge in Deutschland fahren mit Benzin, 48 Prozent mit Diesel – den Rest teilen sich alle anderen alternativen Antriebe.

„Wenn nicht massiv gegengesteuert wird, droht Deutschland bei der Elektromobilität abgehängt zu werden“, warnt Autoprofessor Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) der FHDW Bergisch-Gladbach in einer aktuellen Studie. In Großbritannien, Frankreich und selbst in Norwegen werden heute schon mehr Elektroautos verkauft. In den USA ist die Zahl der Zulassungen fünf Mal so hoch wie in Deutschland. Den ganz großen Boom erleben Elektroautos derzeit vor allem in Fernost.


China fährt voran

Innerhalb eines Jahres haben sich die Zulassungszahlen von Elektroautos auf dem chinesischen Markt verdreifacht. Öffentliche Subventionen und eine bevorzugte Behandlung bei der Zulassung, machen den elektrischen Antrieb für die Chinesen immer attraktiver. Die Zahl der Ladestationen wird sukzessive ausgebaut. So wurden im Jahr 2015 rund 188.000 Elektrofahrzeuge in China zugelassen – damit hat das Land auch die USA als Leitmarkt der elektrischen Mobilität überholt.

Anders als im Volumenmarkt verkaufen sich in China vor allem einheimische Elektroautos. Marktführer ist der Autobauer BYD mit seinen Plug-in-Hybriden Qin und Tang, die zusammen 50.000 Mal verkauft wurden – also mehr als doppelt so oft wie alle Elektroautos in Deutschland zusammen. Das meistverkaufte reine Elektroauto in China ist der Kundi EV von Geely.

Erst auf Platz 15 landet in der elektrischen Verkaufsstatistik der erste ausländische Autobauer. Es ist der US-Pionier Tesla mit rund 4.500 verkauften Model S. Denza, das deutsch-chinesische Joint Venture von BYD und Daimler, liefert mit 2.900 verkauften Autos dagegen eine eher enttäuschende Bilanz ab.

Nach Ansicht von Autoprofessor Bratzel sollte die Entwicklung in Fernost die deutschen Hersteller alarmieren. „China ist bereits ein gutes Stück vorangekommen, um neben dem Leitmarkt künftig auch zum globalen Leitanbieter für Elektromobilität zu werden“, sagt er. Künftig könnten die Chinesen ihre Autos auch auf den Weltmarkt bringen.

Dabei scheint die Gefahr für die angestammten Autobauer bei den derzeitigen Marktanteilen der Elektroautos noch überschaubar. Alleine VW verkauft in einem Monat doppelt so viele Verbrenner wie alle Elektroauto-Hersteller weltweit zusammen im Jahr. Doch in den kommenden Jahrzehnten sollen die elektrischen Alternativen immer wichtiger werden, prognostiziert das CAM. Ab 2020 soll der Absatz der Elektroautos deutlich an Fahrt gewinnen. Mit neuen Batterien dürften die Modelle deutlich günstiger werden und mehr Reichweite als bisher bieten.

Im Jahr 2025 soll der Anteil bereits auf 7,5 Prozent (konservative Schätzung) beziehungsweise 15 Prozent (optimistische Schätzung) steigen. Ab dem Jahr 2030 soll der Anteil auf bis zu 30 Prozent steigen, sagen die Wissenschaftler voraus.

Kein Wunder, dass auch die deutschen Autobauer verhindern wollen, dass das Geschäft vollständig an ihnen vorbei geht. Die bayrische Initiative kommt spät – doch womöglich noch rechtzeitig.

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