San Francisco Mit einer gewohnt selbstbewussten Ankündigung überraschte Tesla-Gründer Elon Musk in der vergangenen Woche die Industrie. Der Elektropionier zeigte dem begeisterten Publikum die Neuauflage des Roadsters. Das supersportliche Modell werde in 1,9 auf 100 Stundenkilometer beschleunigen – und dürfte damit die meisten Sportwagen abhängen. Investoren sollten derzeit eher ein Auge auf einen anderen Geschwindigkeitsrekord legen.
Denn rechnet man die Verluste von Tesla um, hat der Elektropionier in den vergangenen zwölf Monaten 8.000 Dollar pro Minute verbrannt. Das sind rund 480.000 Dollar pro Stunde. Böse Zungen würden behaupten, dass Tesla mit seinen Elektroautos zwar kein Benzin verbrennt, dafür aber Geld der Investoren.
Nach Berechnungen des Finanzdienstes Bloomberg dürften die Cashreserven von Tesla am 6. August 2018 aufgebraucht sein, wenn die Geldverbrennung in gleichem Tempo weitergeht. Damit es nicht so weit kommt, ist der Elektropionier gezwungen, sein Model 3 möglichst rasch an die Kunden auszuliefern. Produktionsprobleme hatten Tesla in den vergangenen Monaten immer wieder zurückgeworfen.
Die Tesla-Chronik
Zwei Teams um den US-Ingenieur Martin Eberhard und den Milliardär Elon Musk entwerfen die Vision eines Elektrofahrzeugs, das mit Akkus angetrieben wird. Auf der Basis des Prototyps T-Zero. Neben Musk stecken auch die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page und der eBay-Gründer Jeff Skoll Geld in das Projekt.
Drei Jahre arbeitet Tesla am ersten Modell, im Juli 2006 stellt das Unternehmen den Roadster vor. Der zweisitzige Sportwagen auf der Basis des britischen Leichtgewicht-Roadster Lotus Elise verfügt über einen 215 kW (292 PS) starken Elektromotor, der seine Energie aus 6.831 Lithium-Ionen-Notebook-Akkus bezieht.
Im August 2007 tritt der damalige CEO Martin Eberhard zurück, im Dezember 2007 verlässt er das Unternehmen komplett. Am Ende landet der Streit der Gründer fast vor Gericht – bis eine außergerichtliche Einigung erzielt werden kann.
Musks finanzielle Mittel alleine reichen zum Wachstum nicht mehr aus. Mit Daimler und Toyota steigen zwei große Autokonzerne bei Tesla ein. Trotzdem schreibt das Unternehmen weiterhin Millionenverluste.
Lange war der Bau einer eigenen Limousine unter dem Codenamen „WhiteStar“ geplant. Auf der IAA in Frankfurt feiert das Model S, eine 5-sitzige Limousine die Premiere. Anfangs übernimmt Lotus die Fertigung. Ab 2011 wird das Modell in einer ehemaligen Toyota-Fabrik in Freemont gebaut. Pro Jahr werden zunächst 10.000 Modelle gefertigt.
Tesla erhält vom US-Energieministerium einen Kredit über 450 Millionen Dollar. Das Geld investiert das Unternehmen in den Aufbau einer eigenen Fertigung.
Musk wagt den Börsengang. Mit einem Ausgabepreis von 17 Dollar geht der Elektrohersteller in den Handel – und macht den Gründer wieder reich. Über Nacht erreicht erreichen die Anteile von Musk einen Wert von 650 Millionen Dollar, obwohl das Unternehmen bis zu diesem Zeitpunkt noch nie Gewinne gemacht hat.
Tesla veröffentlicht Pläne einen eigenen SUV an den Start zu bringen. Das Model X soll im Sommer 2015 erstmals ausgeliefert werden und die Modellpalette von Tesla erweitern. Am Ende verzögern sich die Pläne, die Produktion des Model X läuft erst im Herbst an – und das nur schleppend.
Endlich schreibt Tesla schwarze Zahlen. Auch den Millionenkredit des Staats zahlt das Unternehmen neun Jahre früher als es nötig gewesen wäre. Mit der Ausgabe neuer Aktien und Anleihen nimmt das Unternehmen rund eine Milliarde Dollar ein. Der Aktienkurs des Unternehmens beläuft sich mittlerweile auf 147 Dollar. Damit ist das Unternehmen an der Börse mehr wert als Fiat.
Im Mai haben die Bauarbeiten in Reno, Nevada, für die weltgrößte Batteriefabrik begonnen. Hier will Tesla nicht nur die Akkus für seine Elektroautos und auch sogenannte "Powerwalls" für den Hausgebrauch montieren, sondern auch die Batteriezellen selbst aus Rohstoffen herstellen. Das Investitionsvolumen beträgt fünf Milliarden Dollar, als Partner ist Panasonic mit im Boot.
Tesla gibt Pläne bekannt, mit dem Model 3 ein kompaktes Auto für den Massenmarkt auf den Markt bringen zu wollen. Der Wagen, der rudimentär erstmals im März 2016 gezeigt wurde, soll rund 35.000 Dollar kosten und soll über eine Reichweite von 320 Kilometern (200 Meilen) verfügen.
Nach der Vor-Premiere des Model 3 im März steht zur Jahresmitte ein weiterer Meilenstein an: In der Gigafactory werden die ersten Batteriezellen gefertigt. Diese sind zwar vorerst für die PowerWall-Heimakkus gedacht, bringen das Unternehmen aber einen Schritt näher an die Massenfertigung des Model 3.
Ende Juni 2017 übergibt Tesla die ersten 30 Model 3 an ihre Besitzer übergeben - allesamt sind Tesla-Beschäftigte. Die ersten 30 von mehr als einer halben Million Vorbestellungen, die Tesla erst einmal lange abarbeiten muss.
Tesla erreicht am 1. Juli das Produktionsziel für seinen Hoffnungsträger Model 3. In den sieben letzten Tagen des zweiten Quartals seien 5031 Fahrzeuge hergestellt worden, teilt der Konzern. Vom Erfolg der Serienfertigung beim Model 3 hängt ab, ob sich Tesla mit seinen 40.000 Beschäftigten vom unrentablen Nischenplayer zum profitablen Hersteller wandeln kann.
Trotzdem scheinen auch die Investoren momentan noch sehr gelassen zu sein. Am Dienstag war die Aktie von Tesla erneut um drei Prozent auf 317,81 Dollar gestiegen. Die jüngsten Jubelmeldungen zum Roadster und einem elektrischen Lastwagen nähren die Phantasien der Anleger. Mit einer Marktkapitalisierung von 53 Milliarden Dollar ist Tesla immer noch wertvoller als Branchenriesen wie Ford und Fiat-Chrysler.
Der neue Roadster könnte Tesla sogar dabei helfen, kleinere finanzielle Engpässe zu überbrücken. Denn um die neue „Founders Series“ des Roadsters zu erstehen, müssen Kunden den Kaufpreis von 250.000 Dollar direkt bezahlen – obwohl sie womöglich mehrere Jahre auf die Lieferung warten müssen. Weil die Sonderserie auf auf 1.000 Modelle limitiert ist, könnte Tesla damit 250 Millionen Dollar einnehmen, ohne ein einziges Auto ausgeliefert zu haben.
„Alles hängt von der Geduld der Aktionäre ab“
Auch für den normalen Serien-Roadster wird eine Anzahlung von 50.000 Dollar fällig. Wer den Truck vorbestellt, muss 5.000 Dollar anzahlen. Gebaut wird das Modell allerdings frühestens im Jahr 2019. Mit den Anzahlungen lässt sich eine kleine Reserve aufbauen. Doch reichen wird das nicht, sagen Experten voraus.
„Egal ob Tesla noch Reserven für zehn Monate oder ein Jahr hat, Musk braucht Geld und zwar schnell“, sagt Kevin Tynan, Analyst bei Bloomberg Intelligence. Er geht davon aus, dass Tesla bis Mitte 2018 frisches Kapital in Höhe von zwei Milliarden Dollar aufnehmen wird.
Viele Optionen bleiben Tesla nicht, dieses Geld reinzuholen. Das Unternehmen hat seine Kreditmöglichkeiten ausgeschöpft. Gut verzinste Anleihen in Höhe von 1,8 Milliarden Dollar, die Tesla vor drei Monaten ausgegeben hatte, werden bereits unter Wert gehandelt. Die Ausgabe neuer Aktien würde den Kurs belasten – und darum womöglich für Verstimmung unter den Anlegern sorgen. „So lange die Firma Geld verbrennt, hängt sie von der Geduld und dem Enthusiasmus der Aktionäre oder einem weißen Ritter mit tiefen Tasche ab“, sagt Christian Hoffmann, Vermögensverwalter bei Thornburg Investment Management.
Teslas Wohl und Wehe hängt aber vor allem an der Produktion des Model 3. Allein eine Milliarde Dollar hat der Elektropionier hier investiert. Der Zeitplan muss unbedingt aufgehen: Bis Ende März sollen 5.000 Exemplare des Model 3 gebaut werden. Ab diesem Monat erwartet das Unternehmen „signifikanten Cashflow aus dem operativen Geschäft“, heißt es in einem Brief an die Aktionäre. Spätestens dann soll Teslas große Geldverbrennung gestoppt werden.