Elon Musks Wette auf SolarCity „Euer Glaube wird belohnt“

Die Übernahme von SolarCity durch Tesla wirkte wie Vetternwirtschaft der schlechteren Sorte. Jetzt muss Elon Musk seine neue Solar-Abteilung lukrativer machen – und könnte sich dabei Tesla selbst als Vorbild nehmen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Elektroauto, Batteriespeicher und Solardach – die Vision von Elon Musk. Quelle: REUTERS

Fünfeinhalb Flugstunden westlich von Kalifornien liegt mitten im Pazifik die hawaiianische Insel Kauai. Sonne und Regen wechseln sich hier häufig ab, wegen ihrer üppigen Vegetation wird sie Garteninsel genannt.

Hollywood-Legende Steven Spielberg nutzte ihr sattes Grün einst als Kulisse für sein Dinosaurier-Spektakel Jurassic Park. Tesla Motors-Chef Elon Musk inszeniert nun auf ihr, wie er sich die Zukunft der Energieversorgung vorstellt. Und warum sein Elektroautohersteller dafür den Solaranlagenspezialisten SolarCity unbedingt benötigt.

SolarCity errichtet auf der Pazifikinsel gerade einen 13-Megawatt-Solarpark, zusätzlich zu zwei bestehenden 12-Megawatt-Anlagen. Das Besondere an ihm ist seine Kombination mit einer Lithium-Ionen-Batteriefarm von Tesla Motors, die 52 Megawattstunden aus den verschiedenen Anlagen speichern kann.



Das ist entscheidend für David Bissell, dem Chef der örtlichen Energiekooperative KIUC. Sonnenergie gibt es im Überschuss auf Kauai. Die Genehmigungen für Dachanlagen der Bewohner mussten deshalb schon wie auch auf anderen hawaiianischen Inseln eingeschränkt werden.

Woran es mangelt, ist Strom für bewölkte Stunden und während der Nacht. Bislang wird dieser durch Generatoren erzeugt, deren Diesel via Schiff importiert wird. Bissell hat mit SolarCity und Tesla einen Kombinationspreis für Erzeugung und Speicherung von 13,9 Cent pro Kilowattstunde (kWh) ausgehandelt. Als 2008 der Ölpreis auf Rekordstände kletterte, musste die Kooperative mit bis zu 44 Cent kalkulieren. Inzwischen ist der Ölpreis zwar abgestürzt, doch Bissell will von fossilen Energieträgern weg. „Wir wollen uns vom Ölpreis unabhängig machen“, bekräftigt er. Die Anlage von SolarCity und Tesla soll nach und nach die Generatoren ersetzen.

Auf der Südseeinsel Ta’u ist das bereits geschehen. Die 600 Einwohner der Insel von Amerikanisch-Samoa decken ihren Energiebedarf fast vollständig via SolarCity und Tesla. Doch die Insel liegt buchstäblich am Ende der Welt. Zu weit jedenfalls, um als Vorzeigeprojekt vermarktet zu werden. Kauai ist hingegen von Teslas Hauptsitz im Silicon Valley bequem und günstig per Flieger erreichbar und deshalb beliebter Urlaubsort für die Einwohner des Hightech-Tals. Die Insel könnte auch einen weiteren Punkt in Musk Masterplan demonstrieren. Weil sie so klein ist, spielt die Reichweite von Autos nur eine untergeordnete Rolle. Kauai ist für Elektroautos deshalb ideal geeignet.

Wirtschaft unter Vettern

Einen Mobilitäts-und Energiedienstleister neuen Typs, dessen Kunden nicht nur Mobilität via Elektroauto einkaufen, sondern gleich noch ihren gesamten Strombedarf über eine Solaranlage und Speicherbatterie in der Garage und unter der Haube ihres Gefährts aus einer Hand abdecken, all das hatte Musk im Juni den Aktionären seines Elektroautoherstellers Tesla Motors versprochen, als er ihnen überraschend die Übernahme von SolarCity vorschlug.

Die Tesla-Chronik

Der Deal war umstritten. Er roch nicht nach hehren Motiven, sondern nach Vetternwirtschaft. Im wahrsten Sinne des Wortes – denn aus der Taufe gehoben hatte der gebürtige Südafrikaner den Solaranlagenspezialisten gemeinsam mit seinen Cousins Lyndon und Peter Rive. Musk fungierte nicht nur als größter Einzelaktionär, sondern auch als Verwaltungsratschef, sein Vetter Lyndon als CEO.

Musk ist aufs Ganze gegangen

Weil SolarCity durch das Verleasen von Solaranlagen 6,3 Milliarden Dollar an Verbindlichkeiten angehäuft hatte und so arg nach flüssigem Kapital gierte, dass es sogar seine zukünftigen Profite belieh, sah die Übernahme eher nach dem verzweifelten Retten einer ins Trudeln geratenen Investition des Musk-Clans aus.

Und hatte Tesla mit der Produktion seines massentauglichen Models 3 nicht schon genug Herausforderungen am Hals, eingeschlossen der Finanzierung für dessen Fertigungslinie? Ganz zu schweigen von Musk weiteren Job als Technikchef des Raketenentwicklers SpaceX. Viele an der Wall Street bezweifelten, dass der forsche Workaholic mit der Übernahme bei seinen Aktionären durchkommen würde.

Falsch. Der Multi-Unternehmer hat seine Skeptiker – wieder einmal – eines Besseren belehrt. So sicher war er seiner Sache, dass er sich bei der Abstimmung Mitte November enthielt. Zuvor versprach Musk via Twitter, dass der Wert von SolarCity dessen Schulden bei weitem übersteige und dass er notfalls mit seinem eigenen Vermögen einspringen würde. Das zog. Knapp 86 Prozent der verbleibenden Stimmen votierten für die SolarCity-Übernahme. Nach dem Sieg verhieß er seinen Jüngern: „Ich glaube, dass euer Glaube belohnt wird.“

Im neuen Jahr sind nun nicht mehr Präsentationen oder Tweets gefragt, sondern Taten. SolarCity, nun Teil des Tesla-Motors-Imperium, ist weiterhin finanziell instabil. Rein vom Umsatz her sieht das Unternehmen wie ein Überflieger aus. Setzte SolarCity vor fünf Jahren noch 60 Millionen Dollar um, waren es im vergangenen Jahr fast 400 Millionen Dollar. Im selben Zeitraum fielen aber auch insgesamt 1,5 Milliarden Dollar Verlust an.

Die Solarbranche ist Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden. Um die Nachfrage anzuheizen, hat sie großzügig ihren Kunden Anlagen aufs Dach gestellt, ohne dass diese einen Cent dafür anzahlen mussten. SolarCity bleibt Eigentümer, die Nutzer beziehen dafür ihren Strom vom Unternehmen, das zugleich die Solarförderung vom Staat sowie Einspeisevergütungen einkassiert. Das bindet in der Startphase enorm Kapital, weil die Erträge über die Laufzeit von 30 Jahren gestreckt werden.

Kaufen auf Kredit statt Leasing

Als Staaten wie Arizona und Nevada die Einspeisevergütung in Frage stellten und mehr und mehr Hausbesitzer klagten, dass eine geleaste Solaranlage den Weiterverkauf ihrer Immobilie erschwere, brach die Nachfrage nach Leasingmodellen ein.

SolarCity reagierte mit einem Umschwenken seines Geschäftsmodells. Die Anlagen werden den Kunden nun vorrangig als Kaufobjekt auf Pump angeboten. Was den Vorteil hat, dass externe Finanzierer den Kredit offerieren können und so SolarCity nicht mehr in Vorleistung gehen muss. Das spült schneller Kapital die klammen Kassen.



Musk braucht es. Denn er will SolarCity mit einer Taktik beleben, auf die Tesla Motors im bevorstehenden Wettbewerb mit den Automobilherstellern bereits setzt. In der Elektroautosparte ist das die in der Wüste von Nevada gemeinsam mit dem japanischen Panasonic-Konzern für fünf Milliarden Dollar hochgezogene, auf den Namen „Gigafactory“ getaufte Akku-Fertigung. Ihre schiere Masse soll Tesla beim Akku Kostenvorteile gegenüber den Wettbewerbern sichern.

Was die Gigafactory als Solarvariante bringen soll

Die „Gigafactory“ ist Blaupause für weitere Fertigungsstätten, deren Zellen nicht nur Autos antreiben sollen, sondern auch Häuser, Büros oder ganze Nachbarschaften mit Strom speisen. Rod Lache, der für die Deutsche Bank Tesla Motors beobachtet, meint, dass das Kalkül aufgeht. „Wir glauben, dass Tesla der günstigste Batterieproduzent wird“, so Lache. Bis 2020 soll Tesla demnach den Preis der Batteriepacks von derzeit umgerechnet 190 Dollar pro kWh auf rund 100 Dollar pro kWh senken. General Motors hingegen komme nur auf 130 Dollar, Ford sogar nur auf 156 Dollar pro Kilowattstunde.

Auf diese Skaleneffekte hofft Musk auch bei SolarCity. In der Nähe von Buffalo, unweit der kanadischen Grenze, lässt er gerade die Ein-Gigawatt-Solarvariante seiner Gigafactory errichten. Das Fabrikgebäude wird gerade mit 750 Millionen Dollar an Subventionen des Bundesstaates New York hochgezogen. Tesla steckt im Bunde mit Panasonic eine knappe weitere Milliarde Dollar in ihre Ausrüstung.

Das ist der neue Tesla-Masterplan

Statt wie bislang Solarpanels bei Kyocera oder BP Solar zuzukaufen, sollen sie hier ab Sommer selber produziert werden. Grundlage ist Technologie von Panasonic. Sie soll mit Knowhow von Silevo gekoppelt werden, einem Start-up aus dem Silicon Valley, das Solarcity vor zwei Jahren für insgesamt 350 Millionen Dollar erworben hat. Silevo hat Solarzellen entwickelt, die laut Musk zu den Effizientesten im Markt gehören, bei höherer Leistung weniger Platz beanspruchen und leichter sind.

2017 sollen die Solardächer kommen – vielleicht

Sie sollen nun in den Solarziegeln eingesetzt werden, die Musk Ende Oktober vorgestellt hat. Die Idee ist, die Hausdächer gleich mit Solarzellen zu decken, anstatt die Panels auf ihnen zu befestigen. „Möchte man ein Dach haben, das besser als ein herkömmliches aussieht, die doppelte Lebensdauer hat, weniger kostet und ganz nebenbei auch noch Strom produziert?“, wirbt Musk. „Warum würde man irgendwas anderes kaufen wollen?“

Ende 2017 – so zumindest die Planung – sollen die ersten Solardächer ausgeliefert werden, abgestimmt auf Teslas Wandakku Powerwall als Energiespeicher. Tesla lockt mit dem riesigen Marktvolumen an Dächern, die mit Solarschindeln erneuert werden können. Wem das zu exotisch ist, dem wird das Unternehmen weiterhin traditionelle Dachanlagen offerieren. Der Start in Deutschland steht noch nicht fest.

Tesla baut weiter an seiner Batteriefabrik
Tesla Gigafactory Quelle: Tesla
Tesla Gigafactory Quelle: Tesla
Tesla Gigafactory Quelle: Tesla
Im Juli 2016 hatte Tesla zur offiziellen Eröffnung erstmals Presse-Fotografen auf das Gelände gelassen. Die bezeichnend "Gigafactory" genannte Anlage gehört sogar zu den größten Produktionsstätten überhaupt. Hier sollen Akkus für Elektroautos und Heimspeicher vom Band laufen – mehr als alle Hersteller der Welt heute zusammen produzieren. (Stand: Juli 2016) Quelle: AP
Im Juli waren erst 14 Prozent der Anlage in Betrieb. Dennoch hatte Tesla-Gründer Elon Musk Ende Juli zur Eröffnungsfeier geladen – einige Tage vorher durften sich bereits Journalisten und Fotografen auf dem Fabrikgelände umsehen. Voll in Betrieb soll die Anlage erst 2018 sein. Bis dahin wird an allen Ecken und Enden gebaut. Quelle: REUTERS
Auch wenn es noch nicht so aussieht: Diese Halle ist einer der Grundpfeiler der Strategie von Elon Musk, mit der er Tesla von einem Nischen- zu einem Massenhersteller machen und ganz nebenbei dem Elektroauto zum Durchbruch verhelfen will. Quelle: REUTERS
Die eigenen Batterien sind unerlässlich, wenn Tesla mit dem Model 3 (im Bild ein ausgestellter Prototyp) ab dem kommenden Jahr die Massen mobilisieren soll. Zum einen, weil momentan gar nicht genügen Akkus für die angepeilten Stückzahlen des Model 3 zugekauft werden könnten. Zum anderen, weil sie schlichtweg zu teuer wären. Der angekündigte Preis von 35.000 Dollar für den Wagen wäre nicht zu halten. Quelle: REUTERS

300.000 Kunden hat SolarCity in den USA und ist damit Marktführer bei den Eigenheim-Installationen. Der Markt ist erst zu etwa zwei Prozent erschlossen. Tesla hat in den USA rund 180.000 Autobesitzer. „Und Tesla hat 190 Geschäfte, in denen auch Solarcity Produkte vermarktet werden könnten“, so Analyst Lache.

Die Präsidentschaft von Donald Trump, der nicht an den Klimawandel glaubt und Solarförderungen unter die Lupe nehmen will, ist ein weiterer Unsicherheitsfaktor. Doch Trip Chowdhry, Analyst von Global Equities Research, meint, dass Trump für Musk Ambitionen sogar gut, wenn es um den Zugriff auf Kapital geht. „Tesla zieht Fabriken in den USA hoch und schafft Arbeitsplätze, genau das, was Trump will“, sagt er.

Technische Hintergründe zu Akkus

Doch die Frage bleibt, ob die Strategie mit den Produkten aus einer Hand in der Praxis auch wirklich aufgeht. Hat ein Hauseigentümer, der die Sanierung seines Dachs schultern muss, genug finanziellen Spielraum um auch noch Speicherbatterien oder eine Limousine von Tesla zu erwerben?

Über den genauen Preis seiner Ziegel schweigt sich Musk seit seiner vollmundigen Ankündigung aus, auch welches Dachmaterial und welche Installationskosten er zum Vergleich herangezogen hat.

Klar ist nur, dass der Chemiegigant Dow Chemical kürzlich den Stecker bei seinen Dünnschicht-Solarschindeln gezogen hat. Diese waren nicht nur selbst nach Solarsubvention mindestens doppelt so teuer wie normale Dachschindeln aus Bitumen. Auch der Wirkungsgrad ließ zu wünschen übrig. Musk ist hingegen der Meister von bewusst diffus formulierten Ankündigungen. Bisher ist er jedenfalls mit der Strategie gut gefahren.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%