Energieversorger Bei RWE klafft ein neues Milliardenloch

Neue Hiobsbotschaften von RWE: Der Energiekonzern muss außerplanmäßig weitere Abschreibungen vornehmen und meldet 5,7 Milliarden Euro Verlust. Dass ihre Dividende erneut ausfällt, dürfte die Kommunen schwer enttäuschen.

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RWE-Kraftwerk in Grevenbroich-Neurath Quelle: REUTERS

Rolf Martin Schmitz steht erst seit Oktober an der Spitze von RWE – und legt sich schon mit seinen wichtigsten Aktionären an: Den Kommunen an Rhein und Ruhr, die noch immer gut 20 Prozent der Aktien halten. Die Folgekosten des Ausstiegs aus der Kernkraft und Abschreibungen auf die eigenen Kraftwerke haben dem Konzern im vergangenen Jahr einen Milliardenverlust eingebrockt. Daher lässt Schmitz – wie schon im Vorjahr – die Dividende für die Stammaktionäre komplett ausfallen. Lediglich die Vorzugsaktionäre sollen 13 Cent je Anteilsschein bekommen. Immerhin stellt er für 2017 wieder eine Ausschüttung in Aussicht.

Schmitz begründete den Schritt mit der anhaltenden schwierigen Marktlage und mehreren Sondereffekten: „Das schwierige Marktumfeld hat außerplanmäßige Wertberichtigungen erforderlich gemacht. Hinzu kommt eine hohe Einmalbelastung aus dem Kernenergiefonds“, sagte der Vorstandschef: „Wegen dieser Effekte schlägt der Vorstand eine Aussetzung der Dividende für Stammaktien für 2016 und eine Ausschüttung von 13 Cent je Vorzugsaktie vor.“

RWE nahm außerplanmäßige Abschreibungen in einer Höhe von 4,3 Milliarden Euro vor – der Großteil davon bei den deutschen Kraftwerken. Der Konzern begründete das mit den Großhandelspreisen für Strom, zu denen der Konzern den Strom aus seinen Kraftwerken verkauft. Die waren im vergangenen Jahr zwischenzeitlich auf kaum mehr als 20 Euro je Megawattstunde gefallen – einen Wert, bei dem sich kaum ein Kraftwerk mehr rentabel betreiben lässt. Zwar erholten sich die Preise etwas, sie notierten derzeit aber auch noch unter 30 Euro – vor allem sind aber die Aussichten am Terminmarkt anhaltend schlecht.

Gleichzeitig muss RWE sich auf den von der Bundesregierung geplanten Atomfonds vorbereiten. Der soll die Verantwortung für Entsorgung und Endlagerung des Atommülls übernehmen – die Atomkonzerne müssen im Gegenzug aber ihre dafür gebildeten Rückstellungen einbringen – plus eines Risikoaufschlags von 35 Prozent. RWE wird hierfür zum ersten Juni rund 6,8 Milliarden Euro einbringen. Der darin enthaltene Risikozuschlag von 1,8 Milliarden Euro wirkt sich negativ in der Bilanz 2016 aus.

Durch die Sondereffekte steht unter dem Strich ein Nettoverlust von 5,7 Milliarden Euro. Operativ verschlechterte sich die Ertragslage zwar auch, blieb aber über den Prognosen, die das Unternehmen im März 2016 ausgegeben hatte. Nach vorläufigen Zahlen lag das um Sondereffekte bereinigte Ebitda (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) bei 5,4 Milliarden Euro.

Schwere Enttäuschung für die Kommunen

Darin sind auch die Zahlen von Innogy enthalten. RWE hatte das Unternehmen, das sich um Vertrieb, Netze und erneuerbare Energien kümmert, im Oktober an die Börse gebracht und kümmert sich selbst operativ nur noch um die konventionellen Kraftwerke und den Großhandel, hält aber noch gut drei Viertel der Innogy-Aktien. Nach dem Börsengang konzentrierte sich der bisherige RWE-Chef Terium auf die Führung von Innogy und überließ den RWE-Vorstandsvorsitz seinem bisherigen Vize Schmitz.

An der Börse gaben die RWE-Papiere zur Eröffnung 1,5 Prozent nach.

"Das war unglaublich vertrauenszerstörend"
Bei RWE rumort es gewaltig hinter den Kulissen: Angesichts der Krise des Energiekonzerns trommeln die Kommunen vor der Aufsichtsratssitzung am Freitag für Ex-Bundeswirtschaftsminister Werner Müller als künftigen Chefaufseher. Er soll mit seinen politischen Kontakten das Ruder herumreißen. Amtsinhaber Manfred Schneider kämpft dagegen offenbar für den Ex-SAP-Finanzvorstand Werner Brandt als seinen Nachfolger. Bei der Herbstsitzung des Aufsichtsrats in Essen könnten die Weichen gestellt werden, offiziell gewählt wird im kommenden Frühjahr. Bei der Sitzung muss RWE-Chef Peter Terium außerdem den weiter dramatisch fallenden Aktienkurs erklären und Ängste vor weiteren Dividendenkürzungen zerstreuen. Es schaut nicht gut aus für den Energieriesen – die Krise von RWE in Zitaten. Quelle: dpa
„Das Unternehmen geht durch ein Tal der Tränen.“ (RWE-Chef Peter Terium bei der Quartalsbilanz im November 2013) Quelle: dpa
„Die niedrigen Strompreise hinterlassen ihre Blutspuren in unserer Bilanz.“ (RWE-Finanzvorstand Bernhard Günther, im Mai 2014) Quelle: Presse
„Das Tal der Tränen ist also noch nicht durchschritten.“ (RWE-Chef Peter Terium bei der Jahresbilanz im März 2015) Quelle: dpa
„RWE muss sich gesundschrumpfen und braucht an der Spitze keinen Visionär, sondern einen Sanierer.“ (Fondsmanager Ingo Speich bei der Hauptversammlung im April 2014) Quelle: Presse
„Womit verdient RWE in fünf Jahren sein Geld – das ist die Gretchenfrage.“ (Aktionärsvertreter Marc Tüngler bei derselben Hauptversammlung) Quelle: dpa
„Unabhängig von Länder- und Spartengrenzen: Es geht ums Überleben.“ (RWE-Kraftwerkschef Matthias Hartung im Juli 2015) Quelle: dpa

Für die kommunalen Aktionäre dürfte die erneute Nullrunde eine schwere Enttäuschung sein. Vertreter der klammen Kommunen hatten in den vergangenen Wochen wiederholt eine Dividende eingefordert. Sie wollten zumindest eine symbolische Ausschüttung – auch um das Engagement bei RWE gegenüber den Stadträten weiter vertreten zu können.

Schmitz versuchte die kommunalen Aktionäre aber zumindest mit einem Versprechen für die Zukunft schon mal zu besänftigen: Für 2017 wird eine Dividende auf Stamm- und Vorzugsaktie von 50 Cent angestrebt. „Unsere operative Performance und der erfolgreiche Börsengang der Innogy sichern uns finanzielle Solidität und ermöglichen einen konsequenten Schuldenabbau. Das gibt uns Zuversicht und unseren Aktionären eine klare Perspektive auf eine Dividende für 2017 wie auch für die folgenden Geschäftsjahre.“

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