Erneuerbare Energien Die letzten Sonnenkrieger

Zwei Firmen, ein Schicksal: SMA Solar und Solarworld sind die einzigen deutschen Photovoltaikkonzerne, die die Branchenkrise überlebt haben. Doch während SMA wieder strahlt, kämpft Solarworld noch immer mit Altlasten.

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Deutschlands letzter großer Solarmodulhersteller. Quelle: dpa

Düsseldorf Pierre-Pascal Urbon und Frank Asbeck standen beide vor einem Trümmerhaufen. Als der deutsche Solarmarkt 2014 kollabierte und binnen zwei Jahren auf ein Viertel seiner einstigen Größe zusammenschrumpfte, griffen die beiden Manager zu drastischen Mitteln.

Urbon, Chef des Wechselrichterherstellers SMA Solar, setzte nach einem Verlust von rund 180 Millionen Euro gut ein Drittel der damals 5000 Mitarbeiter vor die Türe. Asbeck, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Solarworld, sah sich sogar zu einem noch radikaleren Schritt gezwungen: Um seine Firma zu retten, mussten die Aktionäre auf 95 Prozent ihres Kapitals verzichten.

Heute, zwei Jahre später, sind SMA Solar und Solarworld die letzten verbliebenen Photovoltaikkonzerne Deutschlands. Während de facto alle anderen großen heimischen Solarunternehmen wegen gekappter Fördergelder und dem Preisverfall, den chinesische Produzenten am Weltmarkt auslösten, in die Insolvenz schlitterten, haben sie überlebt. Unterschiede gibt es dennoch. Trotz der für beide Konzerne identisch guten Marktbedingungen steht SMA deutlich besser da als Solarworld.

„Wir haben in allen Segmenten des Kerngeschäfts ein positives Ergebnis erzielt“, frohlockt SMA-Boss Urbon. Von Anfang Januar bis Ende März hat er mit dem nordhessischen TecDax-Konzern einen Gewinn von rund 19 Millionen Euro erwirtschaftet. Ein Jahr zuvor verzeichnete SMA im ersten Quartal dagegen noch ein Minus von fast acht Millionen Euro. Der weltweit führende Hersteller von Wechselrichtern, dem elektronischen Herzstück von Solaranlagen, hat damit den Turnaround geschafft. Und es geht weiter aufwärts.

Der Umsatz stieg in den ersten drei Monaten 2016 auf 253,8 Millionen Euro. Das ist ein Plus von zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Eigenkapitalquote liegt bei fast 50 Prozent, die Nettoliquidität kletterte auf 323,4 Millionen Euro und im Tagesgeschäft verdient SMA vier Mal so viel wie noch 2015. Vorstandschef Urbon will zum Jahresende die Umsatzmilliarde knacken und das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) auf bis zu 120 Millionen Euro steigern.

Um unabhängiger von den volatilen Solarmärkten und der Förderlaune der Politik zu werden, versucht sich SMA vom reinen Produzenten von Wechselrichtern zu einem Anbieter von kompletten Energielösungen zu wandeln. Unternehmenschef Urbon sieht dabei die Zukunft in datenbasierten Geschäftsmodellen und schließt seit Monaten Allianzen, um für die neue Energiewelt gerüstet zu sein.

Seit März liefert SMA etwa für Teslas Powerwall eine spezielle Technik, die hilft, den Batteriespeicher des amerikanischen Elektro-Autokonzerns leichter zu be- und entladen.

Dem Übertragungsnetzbetreiber Tennet verkauft SMA Daten, die der Konzern mit Sitz in Niestetal bei Kassel auf Basis der bestehenden Photovoltaikanlagen in Deutschland sammelt. Tennet kann damit in Echtzeit die Produktion und den Verbrauch von Privathaushalten mit einer Solaranlage auf dem Dach überblicken und so besser mögliche Engpässe und Überlastungen im Stromnetz vorhersehen.

Darüber hinaus beteiligte sich SMA jüngst an Tigo Energy, einem Solarspezialisten aus dem Silicon Valley, deren Technik dabei hilft, die Energieerzeugung mit Solarmodulen deutlich zu steigern.  

Obwohl die neuen Geschäfte derzeit noch kaum Profite abwerfen, gefällt Anlegern die Strategie von Konzernboss Urbon. Im Mai 2015 lag der Aktienkurs des Unternehmens bei nicht einmal 14 Euro. Heute steht er bei fast 50 Euro. SMA ist damit aktuell etwa 1,7 Milliarden Euro an der Börse wert. Von solch einer Marktkapitalisierung kann Solarworld nur träumen.


Solarworld verdoppelt Verluste

Obwohl der Bonner Solarmodulhersteller ebenso wie SMA vom weltweit boomenden Geschäft mit Sonnenenergie profitiert, schreibt Solarworld weiter Verluste. Im ersten Quartal 2016 steht unter dem Strich ein Minus von 20 Millionen Euro. Das ist mehr als doppelt so viel wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Solarworld begründet die negative Entwicklung mit Wechselkurseffekten, die sich „ungünstig auf das Ergebnis der Solarworld auswirkten“, wie es im Quartalsbericht heißt.

Konzernchef Frank Asbeck bekräftigt dennoch seine Prognose: „Wir halten an unserem Ziel fest, auf das Gesamtjahr 2016 gesehen operativ schwarze Zahlen zu schreiben“. Es stünden zwar noch „intensive Monate bevor“, in denen leidenschaftlicher Einsatz gefragt sei, teilte Asbeck seinen Aktionären mit. Aber es gebe schon jetzt klare Erfolge zu vermelden.

So steigerte Solarworld seinen Umsatz von Anfang Januar bis Ende März auf 212,6 Millionen Euro. Das ist ein Plus von mehr als 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zudem konnte Deutschlands führender Solarmodulhersteller die Nettoverschuldung um 74 Millionen Euro deutlich reduzieren und einen positiven operativen Cashflow erwirtschaften. Dennoch sind die Anleger alles andere als überzeugt.

Seit Anfang Februar hat sich der Aktienkurs von Solarworld beinahe halbiert. Das Unternehmen, das einst mit 4,6 Milliarden an der Börse bewertet wurde, weist heute nur mehr eine Marktkapitalisierung von rund 110 Millionen Euro aus. Trotz der positiven Umsatzzahlen ist die Eigenkapitalquote im ersten Quartal um 3,3 Prozentpunkte abgesackt. Die Nettoverschuldung ist mit mehr als 200 Millionen Euro immer noch sehr hoch. Und ein ungeklärter Rechtsstreit in den USA bereitet Aktionären weiter Sorge.

Der Siliziumlieferant Hemlock Semiconductor verklagt Solarworld wegen nicht eingehaltener Verträge in den USA auf rund 800 Millionen Dollar Schadensersatz. Im Falle einer Niederlage wäre Solarworld existenziell bedroht. Das Unternehmen hat keinerlei Rückstellungen gebildet, da der Konzern keine erhöhte Risikolage sieht. Solarworld ist davon überzeugt, dass die Verträge mit Hemlock aufgrund „illegaler Dumpingaktivität“ chinesischer Hersteller auf dem US-Markt nichtig sind. Mit der gleichen Argumentation ist allerdings Kyocera Ende vergangenen Jahres vor Gericht gegen Hemlock abgeblitzt.

Solarworld verweist aber darauf, dass Hemlock selbst im Falle einer für Solarworld etwaig negativen erstinstanzlichen Entscheidung, noch ein Vollstreckungsurteil in Deutschland erstreiten müsste. Der Bonner Konzern ist „zuversichtlich“, dass ein deutsches Gericht eine Vollstreckung aus dem Urteil untersagen würde.

Anfang Juni könnte in den USA das Gericht eine erste Entscheidung fällen. Solange der Streit nicht beigelegt ist, werden potenzielle Investoren aber wohl weiter davor zurückschrecken, Solarworld-Aktien zu kaufen.

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